Außenministerin Annalena Baerbock spricht bei einer Pressekonferenz im Auswärtigen Amt in Berlin.
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Krieg gegen die Ukraine ++ "Werden Abstimmungen niemals anerkennen" ++

Stand: 23.09.2022 21:57 Uhr

Außenministerin Baerbock hat klargestellt, dass Deutschland niemals Russlands Scheinreferenden anerkennen wird. Ukrainische Truppen melden weitere Geländegewinne in der Region Donezk. Alle Entwicklungen von Freitag zum Nachlesen im Liveblog.

23.09.2022 • 21:57 Uhr

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23.09.2022 • 21:40 Uhr

Ukraine übt scharfe Kritik am Iran

Die Ukraine hat dem Iran vorgeworfen, Drohnen an Russland verkauft zu haben, die das russische Militär nun im Angriffskrieg gegen die Ukraine einsetze. Zuvor hatte die Ukraine gemeldet, über dem Meer nahe der Hafenstadt Odessa seien entsprechende Drohnen abgeschossen worden. Aus dem Außenministerium in Kiew hieß es, diese Drohnenlieferungen an Russland bedeuteten einen "schweren Schlag" für die diplomatischen Beziehungen zwischen der Ukraine und dem Iran.

Angaben aus Moskau zufolge stand am Rande der UN-Vollversammlung ein mögliches Gespräch zwischen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Raum. Von der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa hieß es, die Delegationen Deutschlands und Russlands hätten ein mögliches Treffen erörtert, bei dem es wohl auch um die Sicherheit des AKW Saporischschja in der Ukraine gehen sollte. Letztlich sei es aber nicht zu einem solchen Gespräch gekommen. Die Verantwortung sieht Sacharowa aufseiten der Delegationen aus der EU: "Nachdem sie ihre Anfragen zu Verhandlungen mit Sergej Lawrow am Rande der UN-Vollversammlung gestellt und von der russischen Seite einen Terminvorschlag bekommen haben, sind die EU-Delegationen vom Radar verschwunden."

Die USA gehen davon aus, dass der Ausgang der Scheinreferenden in der Ostukraine von Russland manipuliert wird. So äußerte sich die Sprecherin der US-Regierung, Karine Jean-Pierre, vor Journalisten im Weißen Haus. Die USA erwägen ihren Worten zufolge weitere, gemeinsam mit Verbündeten vereinbarte Sanktionen gegen Russland, sollte der Kreml die angestrebte Annexion der ukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk vorantreiben.

23.09.2022 • 19:46 Uhr

"Ein absurdes Theater"

Jurij Sobolewskyj ist stellvertretender Regionalparlamentschef im ukrainischen Cherson. In den tagesthemen beschreibt er seine Erfahrungen am ersten Tag der von Russland angesetzten Scheinreferenden. Von einer freiwilligen Teilnahme könne demnach keine Rede sein.

Die G7-Staaten haben den von Russland initiierten Scheinreferenden in der Ukraine jegliche Legitimität abgesprochen. In einer gemeinsamen Erklärung der G7 heißt es, Russland versuche, mit diesen sogenannten Referenden einen falschen Vorwand zu schaffen, um "den Status des ukrainischen Hoheitsgebiets" abzuändern. Die Abstimmungen in den ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk verstießen eindeutig gegen die Charta der Vereinten Nationen, das Völkerrecht und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.

In der Erklärung betonen die G7-Staaten, die Scheinreferenden entbehrten jeglicher rechtlicher Wirkung oder Legitimität. Gleichzeitig warfen die Staats- und Regierungschefs Russland eine "unverhohlene Einschüchterung der lokalen Bevölkerung" in den betroffenen ukrainischen Regionen vor. Die G7 würden die Referenden und auch eine mögliche von Russland ausgerufene Annexion niemals anerkennen.

Des Weiteren versicherten die G7 in ihrer Erklärung der Ukraine erneut fortwährende "finanzielle, humanitäre, militärische, diplomatische und rechtliche Unterstützung" - auch beim Wiederaufbau des Landes.

Die ukrainischen Behörden haben nahe der zurückeroberten Stadt Isjum insgesamt 436 Leichen exhumiert, von denen 30 den Angaben zufolge Folterspuren aufweisen. "Die meisten (Leichen) weisen Anzeichen eines gewaltsamen Todes auf, 30 weisen Folterspuren auf", teilte der Gouverneur der Region Charkiw, Oleg Synegubow, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Es seien Leichen mit Strick um den Hals, mit gefesselten Händen, mit gebrochenen Gliedmaßen und Schusswunden gefunden worden. Mehreren Männern seien die Genitalien amputiert worden, erklärte der Gouverneur. All dies seien "Beweise für die schrecklichen Folterungen, denen die Angreifer die Einwohner von Isjum ausgesetzt haben."

Ukrainische Streitkräfte hatten bei einer Gegenoffensive zuvor zahlreiche von Russland besetzte Gebiete zurückerobert. Vor einer Woche entdeckten sie in Isjum in der Region Charkiw nach eigenen Angaben hunderte Gräber und mehrere "Folterräume". 

Der inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny ist nach seiner Kritik an der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Teilmobilmachung erneut in Einzelhaft verlegt worden. "Was ich zur Mobilisierung gesagt habe, hat nicht gefallen - also kriegst Du, Nawalny, zwölf Tage (Karzer)!", sagte der Oppositionelle dem Internetportal Mediazona zufolge während einer Gerichtsverhandlung.

In einer Verhandlung zuvor am Mittwoch hatte er Putin vorgeworfen, Hunderttausende in seine Verbrechen" zu verstricken, indem er sie in den Krieg gegen die Ukraine schicke.

Nawalny wurde damit bereits das fünfte Mal hintereinander in die Isolierzelle geschickt. Der 46-Jährige betonte, dass er sich davon nicht einschüchtern lassen wolle. Er wiederholte daher seine Vorwürfe gegen Kremlchef Wladimir Putin. "Putin fesselt Hunderttausende mit Blut, seinen Mobilmachungen und 'Referenden'", kritisierte der Politiker.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock signalisiert, dass Deutschland dazu bereit sei, russischen Deserteuren Asyl zu gewähren. Das Recht, vor Krieg und Gewalt zu fliehen, gelte "für jeden Bürger auf dieser Welt und natürlich auch für Russen, die um Leib und Leben Sorge haben", sagt Baerbock zu "RTL aktuell".

Es gehe jetzt darum, das bestehende Asylrecht hochzuhalten und die nächsten Schritte "gemeinsam als Europäer" zu koordinieren. Zu den sogenannten Referenden in mehreren ukrainischen Regionen über einen Beitritt zu Russland zitiert RTL Baerbock mit den Worten, dies sei "jetzt eine andere Kriegsstrategie".

Wenn Präsident Wladimir Putin "mit Waffen nicht erfolgreich ist, macht er Scheinreferenden". Dabei werde "von Tür zu Tür gegangen ... mit Polizei oder Militär". Die Menschen müssten im wahrsten Sinne des Wortes mit "angezogener Waffe" abstimmen. Das sei das Gegenteil von einer Abstimmung. "Das ist eine Kriegsmethode, die jetzt auf andere Art und Weise geführt wird. Deswegen werden wir diese Abstimmung niemals anerkennen können."

In einer Rede bei der UN-Generalversammlung in New York hat EU-Ratspräsident Charles Michel sich dafür ausgesprochen, Russland infolge der Invasion in der Ukraine im UN-Sicherheitsrat zu suspendieren. Michel betonte:

Wenn ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates einen nicht provozierten und nicht zu rechtfertigenden Krieg auslöst, einen Krieg, der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilt wurde, sollte seine Suspendierung vom Sicherheitsrat meiner Meinung nach automatisch erfolgen.

Faktisch ist es allerdings nicht möglich, Entscheidungsprozesse in dem mächtigsten UN-Gremium gegen den Willen einer Vetomacht wie Russland durchzusetzen. Daher drängte Michel auf Reformen innerhalb des Gremiums: Auf die Anwendung des Vetorechts solle nur im Ausnahmefall zurückgegriffen werden, es solle nicht der Regelfall sein.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen neuen Botschafter seines Landes in Deutschland ernannt. Den Posten soll Olexij Makejew übernehmen. Der 46-Jährige folgt damit dem bisherigen ukrainischen Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk. Makejew war seit 2020 im ukrainischen Außenministerium Sonderbeauftragter für die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland.

Durch einen russischen Angriff mit iranischen Drohnen ist in der ukrainischen Hafenstadt Odessa ein Verwaltungsgebäude in Brand geraten. Das teilte ein ukrainischer Militärvertreter auf seinem Telegram-Kanal mit. Bei dem Angriff sei ein Zivilist getötet worden. Die ukrainische Luftabwehr habe eine Drohne iranischer Bauart vom Typ Schahed 136 über dem Meer abgeschossen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

In der Frage, wie mit russischen Kriegsdienstverweigerern umgegangen werden soll, hat sich die polnische Regierung dagegen ausgesprochen, Betroffenen pauschal die Einreise ins eigene Land zu gewähren.

"Wir werden keine Gruppe von Russen pauschal nach Polen einreisen lassen, auch nicht solche, die behaupten, sie würden vor der Mobilisierung fliehen", sagte Polens stellvertretender Innenminister Marcin Wasik. Er begründete die Entscheidung mit dem möglichen Risiko, dass ebenfalls russische Bürger einreisen könnten, die nur vorgeben, vor der Teilmobilmachung zu fliegen und Verbindungen zu russischen Geheimdiensten haben könnten. Nur in Einzelfällen, wenn ein russischer Staatsbürger nachweisen könne, dass ihm in Russland Folter oder Verfolgung aus politischen Gründen droht, könne Polen die Asylvorschriften anwenden und ihm Schutz gewähren.

Das ukrainische Militär hat bei seiner Gegenoffensive eigenen Angaben zufolge weitere Erfolge erzielt. Die Truppen des Landes hätten die Ortschaft Jazkiwka in der ostukrainischen Region Donezk zurückerobert, teilte der ranghohe Militärvertreter Oleksij Gromow im Fernsehen mit. Außerdem sei die Kontrolle über Stellungen südlich der ebenfalls in Donezk gelegenen Stadt Bachmut zurückgewonnen worden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Nachrichtenagentur AFP berichtet unter Berufung auf ein internes Papier aus dem Koalitionsausschuss, dass die angekündigte Einmalzahlung für Studierende von 200 Euro wohl erst Anfang Januar ausgezahlt wird. Der Zuschuss ist Teil des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung. Die genauen Modalitäten der Auszahlung hingen vom Ergebnis der bevorstehenden Bund-Länder-Beratungen ab, heißt es ergänzend in einer Antwort des Bundesbildungsministeriums auf eine Parlamentarische Anfrage der CSU-Abgeordneten Katrin Staffler. Zuvor hatte bereits der "Spiegel" über die mutmaßliche Verzögerung der Auszahlung berichtet.

Russland will 300.000 Reservisten einziehen - doch bestimmte Berufsgruppen sind laut russischem Verteidigungsministerium von dieser Anordnung ausgeschlossen. Dazu zählen demnach T-Spezialisten, Experten zur Sicherung des Finanzsystems oder auch Mitarbeiter der Massenmedien, die zu den "systemerhaltenden" Berufen gehörten. Auch im Hochtechnologiebereich tätige Russen sollen den Angaben zufolge nicht eingezogen werden.

Gleichzeitig warnte Kremlsprecher Dmitri Peskow vor einer "Hysterie" infolge der Teilmobilmachung. "Es lässt sich irgendwie verstehen, dass es in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe und auch noch am ersten Tag eine hysterische, äußerst emotionale Reaktion gegeben hat, weil es tatsächlich unzureichende Informationen gab", hieß es von Peskow. Inzwischen könnten sich Bürgerinnen und Bürger aber ausreichend informieren, so seien spezielle telefonische Hotlines für Fragen eingerichtet worden.

Nach Bekanntgabe der Teilmobilmachung versuchen übereinstimmenden Berichten zufolge Tausende Russen das Land zu verlassen.

Der Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigern soll auf EU-Ebene koordiniert werden. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft berief für Montag eine Sitzung der 27 EU-Botschafter unter dem sogenannten Krisenreaktionsmechanismus ein, wie eine Sprecherin am Freitag mitteilte. Dies zeige, "wie ernst wir die aktuellen Entwicklungen in Russland und der Ukraine nehmen und wie entschlossen wir sind, eine wirksame Reaktion zu koordinieren".

Eine UN-Kommission, die mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine untersucht, hält es für belegt, dass solche von russischen Truppen begangen wurden. Die Ermittler hätten bei ihren Untersuchungen vor Ort in mehreren Fällen gravierende Verletzungen des humanitären Völkerrechts dokumentiert, teilte Erik Møse, der Vorsitzender der Kommission, mit.

Der Kommissionschef warf dem russischen Militär den illegalen Einsatz von Sprengstoffwaffen, wahllose militärische Angriffe, Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt vor. Derzeit würden Hinrichtungen in 16 ukrainischen Städten und Siedlungen untersucht.

Auch nach dem Fund einer Massengrabstätte in Isjum will die Kommission mögliche Kriegsverbrechen prüfen, kündigte Møse weiter an. Vor eigenen Ermittlungen könnten die UN nicht bestätigen, dass auch dort Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden seien.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will mit Vertretern von Gemeinden, Städten und Landkreisen erörtern, wie eine bessere Versorgung von Flüchtlingen gewährleistet werden kann. Dafür sei am 11. Oktober ein Treffen geplant, kündigte die SPD-Politikerin im "Spiegel" an. Auch über eine höhere finanzielle Unterstützung durch den Bund solle dann beraten werden.

Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow widersprach den Befürchtungen des Westens, Russland ziehe auch den Einsatz von Atomwaffen in Betracht. Die russische Nachrichtenagenturen TASS und RIA zitierten den Politiker mit den Worten, eine "offene Konfrontation" Russlands mit den USA oder der NATO liege nicht im Interesse des Kremls. Gleichzeitig hieß es von Rjabkow, die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten lägen derzeit "nahezu bei null".

In der russischen Teilmobilisierung von Reservisten sieht die Politikberaterin Stefanie Babst ein Zeichen, dass der Präsident des Landes, Wladimir Putin, zunehmend unter Druck steht. Doch dieser Schritt ziele nicht auf die kommenden Wochen ab, so Babst im Interview mit tagesschau24. Russland bereite damit bereits jetzt eine nächste Offensive im Frühjahr vor.

Politikberaterin Stefanie Babst, zur weiteren Eskalation Russlands im Krieg gegen die Ukraine

tagesschau24 09:00 Uhr

An der nach dem Rückzug der russischen Soldaten in der ukrainischen Stadt Isjum entdeckten Grabstätte sind nach ukrainischen Angaben 436 Leichen ausgegraben worden. An 30 der Leichen seien Hinweise auf Folter zu erkennen gewesen, teilten die Behörden mit. In Gegenden, die von ukrainischen Soldaten bei einer Gegenoffensive im September zurückerobert worden seien, seien drei weitere Grabstätten gefunden worden, sagte der Gouverneur der Region Charkiw, Oleh Synjehubow.

Der Kreml geht bei den Scheinreferenden in den besetzten ukrainischen Gebieten von einem Ja für einen Beitritt zu Russland aus und hat eine rasche Annexion der Gebiete angekündigt. Das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge heute. Zugleich betonte er, dass dann Versuche der Ukraine, sich die Gebiete zurückzuholen, als ein Angriff auf die Russische Föderation gewertet würden. Kremlchef Wladimir Putin hatte bereits erklärt, die Gebiete "mit allen Mitteln" zu verteidigen.

Thomas Spickhofen, Thomas Spickhofen, WDR, 23.09.2022 16:29 Uhr

In einem Beschwerdeverfahren der Ukraine gegen Russland vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof haben 23 Staaten Zulassung als Drittpartei beantragt, darunter auch Deutschland. Das teilte das Gericht in Straßburg mit. Die ukrainische Regierung wirft Russland massive und eklatante Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem militärischen Angriff vor.

Die 23 Regierungen, die sich in dem Verfahren äußern wollen, umfassen alle EU-Staaten außer Bulgarien, Griechenland, Malta, Ungarn und Zypern. Als Nicht-EU-Staat beteiligt sich Norwegen. Island und Großbritannien wollen noch entscheiden, ob sie einen Antrag einreichen.

Zwar ist Russland wegen seines Ausschlusses aus dem Europarat seit dem 16. September nicht mehr Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention; der Gerichtshof in Straßburg kann aber weiterhin über Handlungen und Unterlassungen Russlands urteilen, die bis zu diesem Datum begangen wurden. Vertragsstaaten oder Einzelpersonen, die nicht selbst Beschwerdeführer sind und als Drittparteien zu einem Verfahren zugelassen werden, können schriftliche Beobachtungen einbringen.

Russland habe zwischen 900.000 und 1,6 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer gewaltsam deportiert. Dies berichtet die US-Botschafterin beim UN-Menschenrechtsrat, Michèle Taylor, mit Verweis auf "verschiedene Quellen".

Die russische Luftfahrt steht angesichts der Teilmobilmachung offenbar vor Personalproblemen. Bis zu 80 Prozent der Mitarbeiter könnten eingezogen werden, berichtete die russische Zeitung "Kommersant" unter Berufung auf Insider. Innerhalb eines Tages nach der Anordnung von Russlands Präsident Wladimir Putin hätten die Mitarbeiter von mindestens fünf Fluggesellschaften und mehr als zehn Flughäfen ihre Einberufungsbescheide erhalten. Die größte russische Fluggesellschaft Aeroflot erwarte demnach, dass über die Hälfte ihres Personals eingezogen werden könnte. Hintergrund ist, dass russische Piloten zum Großteil in militärischen Abteilungen von Flugschulen ausgebildet wurden oder ihren Wehrdienst absolviert haben. Damit könnten sie zu den Reservisten gehören, die das russische Militär nun verstärken sollen.

Das an Russland grenzende zentralasiatische Kasachstan berichtet über vermehrte Migration aus Russland. Die Zahlen der Einreisen mit dem Auto stiegen an verschiedenen Übergängen, teilte der Grenzschutz der Ex-Sowjetrepublik mit. Die Lage sei unter "besonderer Kontrolle", hieß es. Immer mehr Russen fliehen aus Angst vor der von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Teilmobilmachung ins Ausland. Zuvor hatten etwa auch die Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Georgien im Südkaukasus über massenhafte Einreisen gesprochen. Flüge sind über Tage ausgebucht. Viele Russen fliehen mit dem Auto.

Diese Länder sind besonders beliebt, da Russen dort kein Visum für die Einreise brauchen. Zudem ist die russische Sprache verbreitet. Derweil wachsen in den Ex-Sowjetrepubliken angesichts der Vielzahl an Russen, die schon zu Beginn des von Putin angeordneten Krieges gegen die Ukraine eingereist sind, die Sorgen. So stiegen etwa wegen der Nachfrage nach Wohnraum die Mietkosten und die Preise für Eigentum, wie etwa der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan beklagte.

Das kasachische Außenministerium bestätigte, dass es auch dort Sorgen in der Bevölkerung gebe. "Die Stabilität unseres Staates unter den Bedingungen von Turbulenzen um ihn herum wird ernsthaft auf den Prüfstand gestellt", hieß es in der Mitteilung. Die nationale Sicherheit habe in der schweren geopolitischen Situation Vorrang. Zugleich mahnte das Ministerium zur Gastfreundschaft.

Reaktionen auf Teilmobilmachung: Offenbar vermehrt Ausreisen aus Russland

Ina Ruck, ARD Moskau, tagesschau24 09:00 Uhr

Um aktuelle Mehrbelastungen in Tierheimen durch aus der Ukraine mitgebrachte Haustiere aufzufangen, hat die Bundesregierung ein Förderpaket von fünf Millionen Euro auf den Weg gebracht. Damit sollen die Einrichtungen Mehrkosten finanzieren, die durch Unterbringung, medizinische Versorgung, Impfungen oder notwendige Quarantänemaßnahmen der Tiere entstehen, wie das Bundesagrarministerium mitteilte.

Viele ukrainische Geflüchtete hätten ihre Tiere nach Deutschland mitgebracht, dürften diese aber nicht mit in ihre Wohnungen nehmen, hieß es. So landeten sie oft in Tierheimen, die dadruch vor enorme Herausforderungen gestellt würden, so Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.

Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat kurz vor der Parlamentswahl mit einer Aussage über Wladimir Putin für Aufsehen gesorgt. Er behauptete in einem TV-Interview, der Kremlchef sei zum Krieg mit der Ukraine gedrängt worden. "Putin wurde von der russischen Bevölkerung, von einer Partei, von seinen Ministern gedrängt, sich diese Spezialoperation auszudenken", so Berlusconi. Er sei auch von Vertretern der zwei selbst ernannten Republiken im Donbass zum Einmarsch überredet worden. Berlusconi fügte hinzu, Putin habe die Regierung in Kiew von Wolodymyr Selenskyj "mit einer Regierung von anständigen Leuten" austauschen wollen.

Berlusconi ist ein Freund Putins und zögerte nach Kriegsausbruch lange, die Invasion zu verurteilen. Der 85-Jährige ist Parteichef von Forza Italia, die als kleinerer Partner in einer Rechts-Außen-Koalition gute Chancen auf einen Sieg bei den anstehenden Wahlen in Italien hat.

Unternehmen aus Deutschland verarbeiten praktisch keine Daten mehr in Russland. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom transferiert keine einzige befragte Firma mehr personenbezogene Daten nach Russland, um sie dort etwa von externen Dienstleistern verarbeiten zu lassen. Vor der russischen Invasion spielte Russland als Standort für IT-Dienstleistungen in Deutschland eine relativ große Rolle. Im vergangenen Jahr hatte noch fast jedes zehnte Unternehmen personenbezogene Daten nach Russland übertragen und dort verarbeitet.

Die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen ist weiter gestiegen. Die Bundesländer meldeten für die 37. Kalenderwoche 186.235 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an den Schulen, wie die Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin mitteilte. Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl damit um 7017 an.

Erstmals nach den Sommerferien wurden aus allen Ländern, darunter auch Bayern und Baden-Württemberg, aktuelle Zahlen vorgelegt. Die von der KMK angegebenen Schülerzahlen beziehen sich auf allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen.

Die ukrainische Armee setzt nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten die russischen Besatzer inzwischen in Gebieten unter Druck, die Moskau für seine Kriegsziele als entscheidend ansieht. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor.

So bröckle bereits die Verteidigungslinie, auf die sich die Russen nach jüngsten Gebietsverlusten im Nordosten des Landes zurückgezogen hatten. Als Hinweis dafür sehen die Briten, dass die Ukrainer bereits Brückenköpfe am östlichen Ufer des Flusses Oskil im Oblast Charkiw errichtet haben. Die Russen wollten den Fluss demnach eigentlich in eine befestigte Verteidigungslinie integrieren.

Etwas südlicher, im Oblast Donezk, dauern den Briten zufolge die Kämpfe bei Angriffen der Ukrainer auf die Stadt Lyman am Ostufer des Flusses Siwerskyj Donez an. Russlands Invasionstruppen hatten die Stadt im Mai erobert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

In den von Moskau besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine haben die Scheinreferenden über einen Beitritt der Regionen zur Russischen Föderation begonnen. Von einem historischen Tag sprach der Separatistenchef Denis Puschilin in der von Russland anerkannten "Volksrepublik Donezk". "Dieses Referendum ist entscheidend, es ist der Durchbruch in eine neue Realität", sagte er in einem im Nachrichtenkanal Telegram veröffentlichten Video.

Auch die Regionen Luhansk und Saporischschja informierten über den Start der Abstimmungen. Angesetzt war zudem ein Scheinreferendum in der südukrainischen Region Cherson. Hunderttausende Menschen haben bis zum 27. September Zeit, ihre Stimmen abzugeben. Das Gebiet Luhansk teilte mit, dass auch nach Russland geflohene Bürger dort abstimmen könnten.

International werden die "Referenden" nicht anerkannt.

Nach der Teilmobilmachung Russlands im Krieg gegen die Ukraine hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die Bedeutung der Abstimmung Deutschlands mit seinen Partnern hervorgehoben. "Wir werden weiter konsequent die Ukraine unterstützen. Gleichzeitig ist klar, es gilt, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern", sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das gut abgestimmte Handeln des Westens sei in dieser Situation dafür wichtig - auch als Signal an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, dass die Geschlossenheit im westlichen Bündnis intakt sei und bleibe, so Klingbeil. Er betonte mit Blick auf Waffenlieferungen: "Wir werden uns weiter täglich mit unseren Partnern abstimmen, welches die nächsten Schritte sind, um der Ukraine zu helfen."

Der Kreml hatte am Mittwoch die Einberufung von 300.000 Reservisten verkündet. Viele junge Männer versuchen, sich aus Russland abzusetzen. Es gab in dem Land Proteste gegen die Maßnahme mit Hunderten Festnahmen.

In vier russisch besetzten Regionen der Ukraine sollen von heute an bis Dienstagabend "Referenden" über einen Beitritt zur russischen Föderation stattfinden. Russische Staatsmedien hatten zu Beginn der Woche unter Verweis auf die dortigen Besatzungsverwaltungen angekündigt, diese hätten den Kreml um "Hilfe" bei der Abhaltung solcher Scheinabstimmungen gebeten.

Das Entwicklungsministerium wird die an die Ukraine grenzende Republik Moldau mit zusätzlich 60 Millionen Euro zur Bewältigung der Energiekrise unterstützen. Das kündigte das Ministerium vor einem Treffen von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mit der moldauischen Staatspräsidentin Maia Sandu in Berlin an. Dabei sollte es um den Reformkurs des Landes Richtung EU und weitere Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gehen.

Moldau ist wegen der Fluchtbewegungen aus dem Nachbarland, aber auch den Folgen der Corona-Pandemie stark getroffen. Über ein Viertel der Bevölkerung lebt bereits in absoluter Armut. Nun kommt die Energiekrise hinzu: In den letzten zwölf Monaten ist der Einkaufspreis für Gas in Folge des russischen Angriffskrieges um das Zwölffache gestiegen.

Angesichts von Russlands Teilmobilmachung der Bevölkerung im Angriffskrieg gegen die Ukraine fordern Politiker von Grünen und Union eine zügige Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer. "Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Irene Mihalic, der "Rheinischen Post".

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, humanitäre Visa müssten "jetzt großzügig und umfassend ausgelegt werden". Dies müsse "auch für Soldaten gelten, die sich offen gegen das Putin-Regime stellen". Deutschland müsse "ermöglichen, dass sie in Sicherheit leben können. Sie verdienen unsere Unterstützung."

Die "Rheinische Post" berichtete unter Berufung auf eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar sei wegen Kriegsdienstverweigerung 274 russischen Staatsangehörigen und 164 Familienangehörigen eine Aufnahme in Deutschland ermöglicht worden.

FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hat den Westen davor gewarnt, die Proteste in Russland gegen die Teilmobilmachung im Land zu überschätzen. "Die Demonstrationen verlangen mir den allerhöchsten Respekt ab - aber sie sind nicht dazu geeignet, das System Putin zu erschüttern", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion der "Augsburger Allgemeinen".

Wie lange der russische Präsident sich an der Macht halten könne, sei nicht vorhersehbar. Putin sei "umgeben von Menschen, die zumindest nach außen keinerlei Eindruck von Illoyalität erwecken", sagte Lambsdorff. Zudem fehle ein möglicher Nachfolger, der nach der Macht greifen könne. Eine Prognose dazu, wie lang sich Putin an der Macht halten könne, sei unmöglich.

Nach dem Willen Mexikos sollen Indien und der Vatikan sich mit Unterstützung der UN federführend um russisch-ukrainische Verhandlungen über einen Friedenspakt bemühen. "Wir dürfen die Tür zum politischen Dialog oder diplomatischen Verhandlungen nicht verschließen", sagte der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard in der Generaldebatte der UN-Vollversammlung. Die aktuellen internationalen Spannungen ließen sich nicht mit Gewalt lösen.

Dem UN-Sicherheitsrat warf Ebrard Versagen vor. Dem höchsten UN-Gremium sei es nicht gelungen, den Konflikt zu stoppen. Mexiko hat Russlands Invasion der Ukraine zwar verurteilt, vertritt aber zugleich den Standpunkt, dass die Sanktionen gegen Moskau und Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew den Konflikt verschärft hätten.

Viele der von Russland freigelassenen Kriegsgefangenen sind nach ukrainischer Darstellung gefoltert worden. Der Prozentsatz sei "ziemlich hoch", sagt der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, während einer Konferenz nach der Vereinbarung eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und der Ukraine. Einige der fast 300 Freigelassenen würden derzeit in einem ukrainischen Krankenhaus behandelt, erklärt der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj. Eine russische Stellungnahme liegt nicht vor.

Das russische Präsidialamt bezeichnet Berichte über russische Männer, die nach der Teilmobilmachung massenweise das Land verlassen, als übertrieben. Medienberichte, wonach festgenommenen Demonstranten Einberufungspapiere übergeben wurde, dementiert Sprecher Dmitri Peskow nicht. "Das ist nicht gegen das Gesetz." Nach wie vor handele es sich nicht um einen Krieg, sondern einen militärischen Sondereinsatz in der Ukraine, sagte Peskow.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußert sich besorgt über die neuesten Entwicklungen in der Ukraine. Jede Annexion des Territoriums eines anderen Staates mit Drohung oder Gewalt sei eine Verletzung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, sagt Guterres in einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates zum Ukraine-Krieg.

Für den Tod und die Verwundung tausender ukrainischer Zivilisten seien hauptsächlich die russischen Bombardierungen von städtischen Gebieten verantwortlich. Alle Berichte über Menschenrechtsverletzungen müssten gründlich untersucht werden und eine enge Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof sei dabei unerlässlich.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russische Bevölkerung zum Widerstand gegen die Teilmobilmachung im Land aufgerufen. 55.000 russische Soldaten seien seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar bereits gestorben, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. "Wollt ihr mehr davon? Nein? Dann protestiert dagegen. Kämpft dagegen. Lauft weg. Oder ergebt Euch", sagte Selenskyj weiter.

"Ihr seid bereits Mittäter all der Verbrechen, der Ermordung und Folterung von Ukrainern", sagte Selenskyj in seiner Videobotschaft in Richtung der russischen Bevölkerung. "Weil ihr geschwiegen habt. Weil ihr weiter schweigt."

Einen Tag vor dem geplanten Beginn von "Volksabstimmungen" über einen Beitritt zu Russland erschüttern Explosionen Marktplätze in den betroffenen ukrainischen Provinzen. Sowohl in Donezk im Osten der Ukraine als auch in der Stadt Melitopol im Südosten gab es Tote.

Dem im Exil lebenden Bürgermeister von Melitopol zufolge kamen bei dem Beschuss des vollen Marktplatzes am Donnerstag drei Soldaten ums Leben. Wie viele Zivilisten unter den Opfern seien, sei unklar. Vertreter Russlands und der Ukraine machten sich gegenseitig für die Explosion in Melitopol verantwortlich. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 23. September 2022 um 09:00 Uhr.