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»Blanker Hohn« Lehrerverbände reagieren empört auf Expertenempfehlung

In Deutschland fehlen Tausende Lehrkräfte. Im Auftrag der Kultusminister hat ein Gremium Vorschläge ausgearbeitet, wie der Mangel zu kompensieren sei, bis hin zu »Achtsamkeitstraining« bei Belastung im Beruf. Die Reaktion: Wut.
Schülerin im Klassenzimmer

Schülerin im Klassenzimmer

Foto: Marijan Murat / dpa

Die Bildungs- und Lehrergewerkschaften haben die Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels kritisiert. »Mit diesen Maßnahmen wird das Versagen der Politik auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen«, sagte Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE).

Die 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der SWK hatten im Auftrag der Kultusministerinnen und Kultusminister Vorschläge ausgearbeitet , die kurz- und mittelfristig helfen sollen, um die Tausenden fehlenden Lehrkräftestellen zu kompensieren. Dazu gehören etwa, die Teilzeit zu begrenzen, Personal umzuverteilen und Unterrichtszeit an Gymnasien zu streichen.

Viele der Vorschläge seien praxisfremd und kontraproduktiv, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. »Wer Teilzeit und Altersermäßigungen einschränken oder abschaffen will, treibt noch mehr Lehrkräfte in die Frühpensionierung und den Burn-out.«

Spirale aus Überlastung durch Lehrkräftemangel und Lehrkräftemangel durch Überlastung

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, sagte ebenfalls, die Empfehlungen der SWK würden »die ohnehin überlasteten Lehrkräfte nur zusätzlich belasten«. Es drohe eine Spirale aus Überlastung durch Lehrkräftemangel und Lehrkräftemangel durch Überlastung, die zu Abwanderung aus dem Beruf führen werde. Zum Ausgleich »Achtsamkeitstraining und Yoga« zu empfehlen, sei »blanker Hohn«.

Der Deutsche Philologenverband bezeichnete die Empfehlungen als einseitig und kritisierte ebenfalls, dass der Druck auf Lehrkräfte erhöht werde und die Maßnahmen zur Gesundheitsförderung »fast ein Hohn« seien. Allerdings stimmte der Verband der SWK in anderen Punkten zu. »Es könne nicht sein, dass Lehrkräfte weiterhin ihre Zeit in die Organisation von Klassenfahrten und deren Abrechnung stecken, statt sich qualifiziert auf Unterricht vorzubereiten«, teilte der Verband mit.

Die SWK fordert in ihren Empfehlungen, die Lehrkräfte von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben zu entlasten, damit sie sich auf den Unterricht konzentrieren können.

In der Diskussion gebe es »keine Tabus«

Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), bedankte sich bei der SWK. Man werde sich auf die »fundierten wissenschaftlichen Einschätzungen stützen und dann wohlüberlegt handeln«, kündigte sie an. Es sei ein »großer Spagat«. Sie müsse sowohl dem Recht der Kinder auf Bildung gerecht werden, aber habe auch die »Fürsorgepflicht für die Lehrkräfte«.

Die Vertreter von Hamburg und Hessen, Ties Rabe (SPD) und Alexander Lorz (CDU), begrüßten beide, dass es in der Diskussion »keine Tabus« gebe. Lorz sagte, das gelte auch für die Frage, ob der Anspruch auf Teilzeit zukünftig begrenzt werden könnte, zumindest bei neuen Verträgen. Er habe durch die vorgeschlagenen Maßnahmen »einiges an Bestätigung bekommen, einiges an Hausaufgaben und einiges an guten Ideen für die Zukunft«.

sun/dpa