Annalena Baerbock im Brennpunkt
Liveblog

Krieg gegen die Ukraine ++ "Dieses Zeitspiel ist brandgefährlich" ++

Stand: 01.06.2022 02:29 Uhr

Außenministerin Baerbock hat in der ARD vor den Folgen gewarnt, falls die Strategie Putins im Donbass aufgehen sollte. EU-Chefin von der Leyen hat der Ukraine umfangreiche Hilfen beim Wiederaufbau zugesichert. Die Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

01.06.2022 • 02:29 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit schließen wir diesen Liveblog. Wir sind aber auch am Mittwoch wieder mit einem Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine für Sie da. Diesen können Sie hier lesen:

Die USA werden der Ukraine keine Langstrecken-Raketen für den Einsatz jenseits der Schlachtfelder überlassen. Das kündigt Regierungssprecherin Karine Jean-Pierre in Washington an. Er werde aber immer noch überlegt, ob man der Ukraine andere Raketensysteme liefern werde.

Die Einigung der Europäischen Union auf ein Teil-Öl-Embargo wird Russland nach Einschätzung von Ifo-Chef Clemens Fuest nicht besonders schaden. Der russische Präsident Wladimir Putin könne sein Öl auch woanders verkaufen, sagt Fuest im ZDF-heute-journal. In Deutschland könne es hingegen regional zu Knappheiten kommen. Dramatisch werde die Lage aber nicht werden.

Die von Russland besetzte Region Cherson im Süden der Ukraine ist von allen Kommunikationskanälen abgeschnitten worden. Das teilt die ukrainische Behörde für Kommunikation und Datenschutz mit. "Die Bewohner der Region sind derzeit ohne ukrainischen Mobilfunk- und Internetzugang sowie ohne die Möglichkeit, über Festnetztelefone nationale und internationale Anrufe zu tätigen", erklärt die Behörde.

Die ukrainischen Streitkräfte hätten einige Erfolge nahe der Stadt Cherson im Süden des Landes erzielt und sie würden in Teilen der Region Charkiw östlich von Kiew vorstoßen, sagt Präsident Wolodymyr Selenskyj. "Unsere Verteidiger zeigen äußersten Mut und bleiben Herr der Lage an der Front, obwohl die russische Armee erheblich im Vorteil bei Ausrüstung und Anzahl der Soldaten ist", sagt er in einer Ansprache.

Der russische Gaslieferstopp für die Shell Energie Europe gefährdet nach Einschätzung der Bundesnetzagentur die Versorgung nicht. "Die Versorgungssicherheit ist derzeit gewährleistet. Wir beobachten die Lage sehr genau", teilt die Agentur mit. Zuvor hatte der russische Energiekonzern Gazprom mitgeteilt, der Shell Energy Europe den Gashahn zuzudrehen. Diese sei von dem Lieferstopp wegen ihres Vertrags über Gaslieferungen nach Deutschland betroffen, hatte Gazprom erklärt.

Die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat in den tagesthemen die Sanktionen der EU gegen russisches Öl als "Embargo light" bezeichnet. Dennoch glaubt sie, dass die Strafen gegen den Kreml auf lange Sicht wirken werden. Zwar werde Russland versuchen mit Indien und China Ersatzabnehmer zu finden, doch müsste das Land dann mit den Ölpreisen runtergehen. In diesem Fall gebe es auch logistische Probleme.

Russland sei auf die Einnahmen aus der EU angewiesen. Diese würden im Jahr 100 Milliarden Dollar einbringen. "Wenn diese Einnahmen wegbrechen, schwächt man Russland massiv", sagte Kemfert. Die EU habe die richtigen Akzente gesetzt.

Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, zu den Auswirkungen des Öl-Embargos gegen Russland

tagesthemen 22:30 Uhr

Bei Gefechten in der umkämpften ostukrainischen Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk ist es in einer Chemiefabrik für Salpetersäure zu einem Zwischenfall gekommen. Die ukrainischen Behörden, die dort weiter die Kontrolle haben, sprachen am Dienstag von einem russischen Luftangriff auf das Werk.

Die prorussischen Separatisten teilten dagegen mit, es sei dort zu einer Explosion gekommen. Auf Fotos, die Gouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, in seinem Nachrichtenkanal bei Telegram veröffentlichte, war eine große Rauchwolke zu sehen.

Dagegen teilte der Separatistenvertreter Rodion Miroschnik mit, in dem Werk Asot seien Chemikalien in die Luft geflogen. Es handele sich allem Anschein nach um Salpetersäure. Der Betrieb gehört zu den größten Chemieunternehmen in der Ukraine. Dort seien einmal 7000 Menschen beschäftigt gewesen, hieß es.

Militärexperte Franz-Stefan Gady hat im Brennpunkt dazu gemahnt, die Geländegewinne Russlands im Donbass nicht überzubewerten. Es fehle dem Kreml momentan an Bodentruppen, was sich vor allem in den urbanen Kämpfen bemerkbar mache. Allerdings stellte er auch klar, dass in dieser Situation die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wichtig sei. "Doch die hätten vor zwei Monaten gelieferten und in die ukrainische Truppen eingegliedert werden müssen", sagte er.

"Schwere Waffensysteme müssen jetzt geliefert werden", Franz-Stefan Gady, Militärexperte, zur militärischen Situation in der Ukraine

Brennpunkt 20:15 Uhr

Außenministerin Annalena Baerbock hat vor den Folgen gewarnt, falls die neue Strategie des russischen Präsidenten im Donbass aufgehen sollte. Im Brennpunkt sagte die Grünen-Politikerin, Wladimir Putin habe zu Beginn des Krieges angenommen, er könnte schnell und brutal einmarschieren und dann die Ukraine niedermachen. Doch das habe so nicht funktioniert. Stattdessen versuche er nun, den Donbass zu erobern.

Sollte ihm das gelingen, könnte er sich in der Region dauerhaft festsetzen und darauf spekulieren, dass die EU kriegsmüde wird. "Dieses Zeitspiel ist brandgefährlich", sagte Baerbock der ARD. Selbst wenn dann die Waffen schwiegen, würde dies nicht bedeuten, dass dann Frieden herrsche. "Der Kreml würde seine Truppen in dieser Situation neu sortieren."

Baerbock machte klar, dass es deshalb weiter unabdingbar sei, die Ukraine weiter zu unterstützen, um dieses Szenario zu verhindern. "Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir für diese neue Strategie wirklich alles bereitstellen, damit die Ukraine sich weiterhin verteidigen kann." Ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba habe vor allem um Waffen gebeten, um das abwehren zu können, was aus der Luft komme. "Das bedeutet Artillerie, das bedeutet Luftabwehr, und das bedeutet Drohnen." Sollte Russland den Donbass erobern, drohe dort alles platt gemacht zu werden, sagte Baerbock. "Was das bedeutet, können wir in Irpin und Butscha sehen."

"Putin hat umgelenkt auf einen hybriden Krieg", Annalena Baerbock, Außenministerin, zu Waffenlieferungen und zum Öl-Embargo

Brennpunkt 20:15 Uhr

Russische Truppen haben nach Angaben des regionalen Gouverneurs Serhiy Gaidai den größten Teil von Sjewjerodonezk eingenommen. Allerdings sei der Belagerungsring um die Stadt noch nicht geschlossen, teilt er in einer Online-Nachricht mit. Wegen des schweren Beschusses sei es aber unmöglich, Menschen zu evakuieren oder lebenswichtige Güter in die Stadt zu transportieren.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Ukraine umfangreiche Hilfen beim Wiederaufbau zugesichert. "Wir haben nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch ein strategisches Interesse, beim Wiederaufbau der Ukraine eine führende Rolle zu übernehmen", sagte von der Leyen in einer Videoaufzeichnung zum "Wirtschaftstag" des Wirtschaftsrats der CDU. "Wir wollen einen demokratischen und stabilen Nachbarn an unserer östlichen Flanke, der unsere Werte teilt - und nicht einen gescheiterten Staat, der Putins Willkür ausgeliefert ist."

Die Europäische Kommission habe deswegen gemeinsam mit der Ukraine eine Plattform für den Wiederaufbau vorgeschlagen. Ziel sei, Länder, Institutionen und den Privatsektor zusammenzubringen.

Das Embargo auf russisches Öl hält Ausnahmen für einige EU-Staaten parat - wie wirksam ist es damit noch? Und welche Auswirkungen sind in Deutschland zu erwarten, das immerhin zuletzt noch zwölf Prozent seines Ölbedarfs aus Russland deckte? Eine Analyse von Detlev Landmesser von tagesschau.de.

Der russische Staatskonzern Gazprom wird den dänischen Versorger Ørsted sowie Shell Energy Europe von diesem Mittwoch an nicht mehr mit Gas beliefern. Ørsted und Shell hätten Gazprom Export darüber informiert, die Rechnungen nicht - wie von Moskau gefordert - in Rubel zu bezahlen, teilte das russische Unternehmen mit. Weil für den Monat April kein Geld geflossen sei, würden nun die Lieferungen eingestellt.

Von dem Lieferstopp an Shell Energy Europe ist auch Deutschland betroffen. Die maximale vertragliche Liefermenge betrage 1,2 Milliarden Kubikmeter Gas, teilte Gazprom Export mit. Zum Vergleich: 2020 importierte Deutschland 56,3 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas.

Wie Ørsted mitteilte, hat Gazprom den dänischen Konzern darüber informiert, die Gaslieferungen am Mittwochmorgen um 6.00 Uhr einzustellen. Gazprom habe seine Forderung aufrechterhalten, dass in Rubel für das Gas bezahlt werden müsse - Ørsted sei dazu vertraglich aber nicht verpflichtet und werde weiter in Euro zahlen.

Mit Versorgungsengpässen wird in Dänemark nicht gerechnet. Nach Angaben von Ørsted kann Russland die Gaslieferung nach Dänemark nicht direkt abschneiden, weil es keine direkte Gas-Pipeline zwischen den Ländern gibt. Dänemark könne daher weiter Gas einkaufen, allerdings auf dem europäischen Gasmarkt.

Zuletzt hatte Gazprom die Lieferungen an die Niederlande eingestellt und zuvor auch an Polen, Bulgarien und Finnland.

Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben im Gebiet Luhansk inzwischen die Hälfte der umkämpften Gebietshauptstadt Sjewjerodonezk eingenommen. Die Frontlinie verlaufe in der Mitte, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexandr Strjuk. Die Kämpfe seien weiter in Gang.

Die Stadt ist die letzte Bastion im Gebiet Luhansk unter ukrainischer Kontrolle. Fällt sie, haben die Militärführung in Moskau und die prorussischen Separatisten ein für sie wichtiges Etappenziel des Krieges erreicht: die volle Kontrolle über das Gebiet Luhansk.

Strjuk hatte zuvor gesagt, dass Sjewjerodonezk zu zwei Dritteln eingekesselt sei von russischen Truppen. Zudem seien 90 Prozent der Gebäude beschädigt oder zerstört. Von einst 100.000 Einwohnern hielten sich heute nur noch 12.000 in der Stadt auf. Seit Beginn des russischen Beschusses seien etwa 1500 Menschen dort getötet wurden.

Ukraine ermittelt in 15.000 Fällen wegen Kriegsverbrechen durch Russland

Sabine Krebs, WDR, tagesschau 17:00 Uhr
31.05.2022 • 17:17 Uhr

Slowakische Präsidentin in Kiew

Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova hat dem Nachbarland Ukraine bei einem Besuch in Kiew weitere Unterstützung versprochen. In der ukrainischen Hauptstadt traf Caputova auch Präsident Wolodymyr Selenskyj und hielt eine Rede im Parlament. Auch wenn die Bilder vom Krieg in der Ukraine nach drei Monaten nicht mehr jeden Tag die Schlagzeilen dominierten, dürfe man das Leid der dortigen Bevölkerung nicht aus den Augen verlieren. Weiterhin seien Zivilisten im Osten der Ukraine zerstörerischer Gewalt ausgesetzt.

Zuzana Caputova in Schutzkleidung und Helm vor einem zerstörten Wohnhaus in Kiew.

Zivilisten in der Ukraine litten weiter, sagte die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova bei ihrem Besuch in Kiew.

Deutschland will laut Bundeskanzler Olaf Scholz Schützenpanzer an Griechenland liefern, das im Gegenzug Militärgerät sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern soll. Eine entsprechende Vereinbarung habe er mit dem griechischen Ministerpräsidenten getroffen, sagte Scholz nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel.

Um was für Schützenpanzer es sich handelt und wie viele geliefert werden sollen, sagte Scholz nicht. Auch wie viele Waffen oder Geräte Griechenland in die Ukraine schicken wird, blieb unklar. Die Details würden von den Verteidigungsministerien der Länder ausgearbeitet, sagte Scholz.

Die Bundeswehr nutzt derzeit Schützenpanzer der Typen Marder und Puma. Die Marder sollen schrittweise durch modernere Pumas ersetzt werden.

Das ukrainische Parlament hat die Menschenrechtsbeauftragte Ljudmyla Denisowa abgewählt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte nach Angaben der Nachrichtenagentur Unian in Kiew für einen entsprechenden Antrag. Zuvor hatte die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj Unterschriften für ein Misstrauensvotum gegen die Menschenrechtsbeauftragte gesammelt, die ihr Amt seit 2018 innehatte. Über ihre Nachfolge wurde zunächst nicht entschieden.

Die Abgeordneten warfen Denisowa vor, sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs zu wenig für die Einrichtung von Fluchtkorridoren zur Evakuierung von Zivilisten eingesetzt zu haben. Zudem habe sie kaum Engagement beim Austausch und bei der Verteidigung der Rechte von Kriegsgefangenen gezeigt. Kritik gab es auch daran, wie Denisowa Sexualverbrechen an Kindern schilderte, die mutmaßlich von russischen Soldaten begangen wurden.

31.05.2022 • 15:24 Uhr

BDI unterstützt Öl-Embargo

Die deutsche Industrie steht nach den Worten von BDI-Präsident Siegfried Russwurm hinter der Entscheidung der EU über ein teilweises Öl-Embargo gegen Russland. Angesichts des Krieges brauche es "unmissverständliche, zielgenaue und langfristig durchhaltbare Sanktionen, die den Aggressor stärker bestrafen als uns Europäer", erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). 

Für die mit russischem Öl belieferte Raffinerie im brandenburgischen Schwedt im Mehrheitsbesitz des russischen Energiekonzerns Rosneft wird es nach Worten von Grünen-Chef Omid Nouripour vor Jahresende eine Lösung geben. "Das ist keine Frage, die sich bis Ende des Jahres hinziehen wird", sagt der Parteichef. "Es wird sehr viel schneller gehen."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck habe vor Ort sehr klar angezeigt, dass er daran mitwirken werde, die Arbeitsplätze dort zu erhalten. Die Bundesregierung tue alles dafür, dass Deutschland bis Jahresende komplett aus Öl und Kohle aus Russland aussteigen könne. Am Montag hatte eine Projektgruppe der Bundesregierung zur Zukunft des Standorts Schwedt die Arbeit aufgenommen.

Robert Habeck

Hat eine Lösung für die Beschäftigten der Raffinerie zugesagt: Bundeswirtschaftsminister Habeck, hier im Gespräch mit der Belegschaft (Archivbild).

Die Ukraine hat mehr als 600 mutmaßliche russische Kriegsverbrecher identifiziert und geht strafrechtlich bereits gegen rund 80 von ihnen vor, die in Gewahrsam sind. Das erklärte die oberste Staatsanwältin Kiews, Iryna Wenediktowa, in Den Haag. Die Liste der Verdächtigen umfasse "Spitzenmilitärs, Politiker und Propaganda-Agenten Russlands". Insgesamt werde in rund 15.000 Fällen ermittelt.

Vor dem Krieg geflohene ukrainische Roma werden laut der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus in Deutschland systematisch benachteiligt. Die Lage von Angehörigen der ukrainischen Roma-Minderheit sei schon in ihrem Heimatland und auf der Flucht schwierig gewesen, teilte die Meldestelle mit. In Deutschland setze sich diese Antiziganismus nun fort.

Konkret geht es den Angaben zufolge beispielsweise darum, dass zeitweise bis zu 2.000 ukrainische Roma über mehrere Wochen in der Münchner Notunterkunft untergebracht waren, während Geflüchtete der ukrainischen Mehrheitsgesellschaft schnell dezentrale Unterkünfte bekamen.

Roma würden immer wieder als vermeintliche Problemgruppe stigmatisiert, hieß es. Vorfälle habe die Meldestelle neben Bayern auch in Baden-Württemberg, Berlin, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern dokumentiert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt Ende der Woche den ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk im Schloss Bellevue. Das Treffen am Freitag ist nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa das erste persönliche Zusammentreffen des Bundespräsidenten mit einem ukrainischen Politiker, nachdem politische Irritationen zwischen Berlin und Kiew ausgeräumt wurden. Steinmeier freue sich sehr auf den Austausch, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Deutschland werde weiterhin mit ganzer Kraft solidarisch an der Seite der Ukraine stehen.

Nach dem EU-Kompromiss für ein Ölembargo gegen Russland hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán kritisiert. Er sei nicht glücklich mit dem Kompromiss, sagte Habeck beim "Wirtschaftstag" des Wirtschaftsrats der CDU. Orbán habe "ruchlos" für seine eigenen Interessen gepokert. Die europäische Kraft und die Entschlossenheit Europas habe durch das "Gewürge" um das sechste Sanktionspaket gelitten.

"Vielleicht leben wir in einer Zeit, wo zu viele Kompromisse dann die Klarheit am Ende nicht nur eintrüben, sondern zerstören", sagte Habeck. Der russische Präsident Wladimir Putin werde mit seinem Angriff auf die Ukraine nicht aufhören, wenn er nicht in der Ukraine unterliege. Orbán aber habe einen "Handel" aufgemacht und nicht mehr Politik in einem höheren Interesse.

Die Unsicherheit unter den Deutschen ist angesichts des Kriegs in der Ukraine gestiegen. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten äußerten die Sorge, dass der Krieg auf Deutschland übergreife, ergab eine von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte repräsentative Umfrage. Eine Mehrheit von 79 Prozent fühle sich "etwas" oder "sehr viel" unsicherer als vor dem Krieg. Lediglich jeder fünfte Befragte (21 Prozent) gab an, sich so sicher zu fühlen wie vor dem Ukraine-Krieg.

Das eigene Sicherheitsempfinden und die Kriegsangst wirkten sich auf die Einstellung zur Ukraine aus, hieß es weiter. Bei den Befragten, die sich sicherer fühlten, gebe es eine höhere Bereitschaft, schärfere Sanktionen zu fordern und der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Insgesamt gebe es eine überwältigende pro-ukrainische Einstellung in der deutschen Bevölkerung, hieß es in der Umfrage weiter. Eine Minderheit von rund zehn Prozent der Befragten lehne hingegen die Lieferung von Waffen ab und stelle sich generell gegen jegliche Unterstützung für die Ukraine.

Angesichts heftiger Gefechte um die frühere Großstadt Sjewjerodonezk in der Ostukraine warnen internationale Helfer, dass die humanitäre Lage vor Ort immer katastrophaler werden könnte. "Wir befürchten, dass bis zu 12.000 Zivilisten in der Stadt im Kreuzfeuer gefangen sind, ohne ausreichenden Zugang zu Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten oder Strom", teilte Jan Egeland, Generalsekretär der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC), mit.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

In Zusammenarbeit mit örtlichen Partnern habe der NRC in der vergangenen Woche Lebensmittel und Hygieneartikel an die in der Region verbliebene Zivilbevölkerung verteilt, hieß es weiter. Die sich zuspitzenden Gefechte aber machten nun die Lieferung von Hilfsgütern unmöglich. "Wir können im Granatenhagel keine Leben retten", so Egeland.

Vor dem Krieg lebten im Ballungsraum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk rund 380.000 Menschen. Inzwischen ist vor allem Sjewjerodonezk schwer beschädigt und entvölkert. 90 Prozent der Wohnhäuser sind laut Präsident Wolodymyr Selenskyj beschädigt, mehr als zwei Drittel zerstört.

Russische Angriffe treffen vor allem die zivile Bevölkerung der Ukraine

Jens Eberl, WDR, tagesschau 12:00 Uhr

In der Ukraine sind zwei russische Soldaten wegen Angriffen auf Dörfer zu mehr als elf Jahren Haft verurteilt worden. Wie die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine berichtete, wurden die beiden Soldaten schuldig gesprochen, beim Beschuss zweier Dörfer in der ostukrainischen Region Charkiw gegen "die Gesetze und Gebräuche des Krieges" verstoßen zu haben. Das Gericht im zentralukrainischen Kotelewska verhängte Haftstrafen von elf Jahren und sechs Monaten.

Die Verurteilten hatten zugegeben, einer Artillerieeinheit angehört zu haben, die von der russischen Region Belgorod aus Ziele in der Region Charkiw beschossen hat. Der Beschuss zerstörte eine Bildungseinrichtung in der Stadt Derhatschi, es gab aber keine Opfer, so die Staatsanwaltschaft. Die als Artilleriefahrer und Schütze beschriebenen Soldaten wurden den Angaben zufolge gefangen genommen, nachdem sie die Grenze überschritten und den Beschuss fortgesetzt hatten.

Florian Kellermann, DLF, 31.05.2022 13:43 Uhr

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben in den unterirdischen Bunkern der monatelang umkämpften Fabrik Asowstal mehr als 150 Leichen von ukrainischen Kämpfern gefunden. "In einem Container mit nicht mehr funktionierender Kühlung wurden 152 Leichen von gefallenen Kämpfern und Soldaten der ukrainischen Streitkräfte gelagert", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Die ukrainische Führung habe bis heute keine Anfrage gestellt, die Toten zu überführen. Im Gegenteil, die russischen Truppen hätten unter den Leichen Minen entdeckt, mit denen der Container wohl auf Anweisung Kiews in die Luft gesprengt werden sollte, um Russland anzuschwärzen, behauptete Konaschenkow. Russland werde die Toten in Kürze Vertretern der Ukraine übergeben, erklärte er.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Inzwischen sind rund 123.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen aufgenommen worden. Das teilte die Kultusministerkonferenz unter Berufung auf den Stand in der 20. Kalenderwoche mit, die am Sonntag vorvergangener Woche endete. Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl um etwa 9700.

Die aktuelle Gesamtzahl lag demnach bei 123.313, je nach Bundesland war der wöchentliche Zuwachs unterschiedlich ausgeprägt. Während in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen jeweils rund 1500 Schülerinnen und Schüler aus Ukraine zusätzlich aufgenommen wurden, waren es in Schleswig-Holstein im Vergleich 142 und im Saarland 42.

Der Preisschub bei Energie treibt die Inflation im Euro-Raum auf ein neues Rekordhoch. Waren und Dienstleistungen kosteten im Mai durchschnittlich 8,1 Prozent mehr als vor Jahresfrist, wie das Statistikamt Eurostat nach einer ersten Schätzung mitteilte. Die Inflationsrate ist damit mehr vier mal so hoch wie das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), die 2,0 Prozent als optimales Niveau für die Wirtschaft anstrebt. Im März und April hatte die Teuerung im Währungsraum jeweils bei 7,4 Prozent gelegen.

31.05.2022 • 11:17 Uhr

IEA-Chef warnt vor Sprit-Engpässen

Der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, warnt angesichts der angespannten Märkte für Rohöl vor einem Spritmangel in Europa. "Auf den Ölmärkten könnte es im kommenden Sommer eng werden", sagte Birol dem "Spiegel". "Wenn die Haupturlaubssaison in Europa und den USA losgeht, wird die Treibstoffnachfrage steigen. Dann könnte es zu Engpässen kommen: etwa bei Diesel, Benzin oder Kerosin, besonders in Europa."

Die europäischen Länder seien "nicht nur auf Rohöllieferungen von außerhalb angewiesen, sondern auch auf Importe von Ölprodukten", so Birol weiter. "Und da verhängen einige Exportländer wie China gerade erste Ausfuhrverbote; sie wollen ihre eigenen Verbraucher absichern."

Um Sprit zu sparen, fordert Birol auch von der Bundesrepublik mehr Maßnahmen als das 9-Euro-Ticket für den regionalen Bus- und Bahnverkehr, das an diesem Mittwoch startet. "Deutschland sollte jetzt ein Tempolimit einführen, wenigstens für die Dauer des Krieges", so Birol. "Das würde doch keine große Veränderung für den Lebensalltag der Menschen bedeuten. Wir sind in Kriegszeiten, in einer Energiekrise, und wir sollten uns lieber vorbereiten auf noch schwierigere Zeiten. Und ein paar Kilometer pro Stunde langsamer zu fahren, das ist nur ein winziger Kompromiss, verglichen mit dem Leiden der Menschen in der Ukraine."

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat eingeräumt, dass das europäische Öl-Embargo gegen Russland nicht zwingend zu einer Reduzierung der Exporte des Landes führen wird. "Wir können Russland nicht davon abhalten, sein Öl an jemanden anderen zu verkaufen", sagte der Spanier am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. "So mächtig sind wir nicht."

Zugleich wies Borrell darauf hin, dass die EU zuletzt der wichtigste Kunde Russlands war. "Sie werden sich nach anderen umschauen müssen, und sie werden sicherlich die Preise senken müssen." Damit werden aus Sicht von Borrell bereits die Ziele der EU erreicht. Es gehe darum, den Russen die finanziellen Mittel für ihre Kriegsmaschinerie zu nehmen. "Dies wird ganz sicher passieren."

Die Türkei will im Ringen um Getreide-Exporte aus der Ukraine vermitteln. Der russische Außenminister Sergej Lawrow werde am 8. Juni mit einer Militärdelegation Gespräche in der Türkei führen, um die Möglichkeiten eines Korridors zur See auszuloten, teilte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit. Der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu sagt Cavusoglu weiter, es gebe diesbezüglich Gespräche mit den Vereinten Nationen. Die UN haben demnach die Einrichtung eines gemeinsamen Überwachungsmechanismus vorgeschlagen, um die Schiffsrouten zu beobachten. Die Türkei sei für einen solchen Vorschlag offen.

Dennoch gebe es in der Sache weiter Streitpunkte zwischen Russland und der Ukraine, sagte Cavusoglu. So fordere Russland, dass westliche Sanktionen gegen die Versicherungsbranche aufgehoben würden, weil davon auch Schiffe betroffen seien, die für die Exporte gebraucht würden. Die Ukraine wolle indes verhindern, dass russische Kriegsschiffe im Hafen von Odessa anlandeten. Die Präsidenten der Türkei und Russlands, Tayyip Erdogan und Wladimir Putin, berieten über das Thema am Montag telefonisch. Dabei sagte Putin zu, den Export des blockierten Getreides in Koordination mit der Türkei möglich zu machen.

In der ostukrainischen Region Luhansk rücken die russische Truppen nach Erkenntnissen des britischen Militärgeheimdienstes weiter vor. "Der Vormarsch erfolgt langsam, aber die Geländegewinne werden gehalten", teilt das britische Verteidigungsministerium auf Basis des Lageberichts auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Russland habe durch die Bündelung seiner Truppen und die Konzentration des Beschusses örtlich mehr Erfolge erzielt, als zu Beginn der Invasion. Die Straßen in die umkämpften Gebiete seien jedoch weiterhin unter ukrainischer Kontrolle. Zudem müssten die russischen Streitkräfte mit dem massiven Zusammenziehen der Truppen Risiken in anderen besetzten Gebieten eingehen. Am frühen Morgen hat die Ukraine erklärt, dass russische Truppen langsam auf das Zentrum der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk vorrücken.

Nach ukrainischen Angaben haben die russischen Truppen die Stadt Sjewjerodonezk teilweise unter ihre Kontrolle gebracht. "Die Situation ist äußerst kompliziert. Ein Teil von Sjewjerodonezk wird von den Russen kontrolliert", erklärte der Gouverneur der Region Luhansk, Sergij Gajdaj, im Messengerdienst Telegram. Die russischen Soldaten könnten aber nicht ungehindert vorrücken, weil "immer noch" ukrainische Kämpfer in der Stadt seien. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.

Sjewjerodonezks Bürgermeister Olexandr Strjuk sagte, die Streitkräfte kämpften weiter gegen die langsam eindringenden russischen Verbände, im ukrainischen Fernsehen. "Die Stadt ist noch in ukrainischer Hand", sagt er. Evakuierungen seien angesichts der Kämpfe derzeit aber nicht möglich.

Die durch einen Fluss getrennten Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind die letzten Städte in der Region Luhansk, die noch von der Ukraine kontrolliert worden. Sjewjerodonezk ist schon seit Wochen heftig umkämpft. Am Montag waren russische Soldaten und Kämpfer der pro-russischen Separatisten nach Angaben des Gouverneurs bis ins Stadtzentrum vorgerückt.

Die Stadt, die vor dem Krieg 100.000 Einwohner hatte und in der nun schätzungsweise noch 15.000 Zivilisten ausharren, ist bereits schwer zerstört. Sjewjerodonezks Bürgermeister Olexander Stryuk schlug bereits wegen der humanitären und sanitären Lage Alarm. "Ständige Bombenangriffe" erschwerten vor allem die Versorgung mit Trinkwasser.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste muss Moskau mit seiner verstärkten Offensive in der ukrainischen Region Luhansk in anderen besetzen Gebieten größere Risiken akzeptieren. Russland habe in Luhansk zwar langsame, aber größere Fortschritte gemacht als in früheren Phasen des Krieges, da es seine Truppen und Waffen in einer relativ kleinen Region konzentriert habe, hieß es in einem Bericht des britischen Verteidigungsministeriums. Der dortige schwere Beschuss halte an, außerdem komme es in den Randgebieten der Stadt Sjewjerodonezk mutmaßlich zu Straßenkämpfen. Der Fokus auf Luhansk bedeute, dass Russland in anderen besetzen Gebieten seine Kontrolle riskiere.

Um die Regionen Luhansk und Donezk vollständig zu besetzen, wie es Moskau wohl anstrebe, müssten die Russen neben Sjewjerodonezk auch die wichtige Stadt Kramatorsk und die Hauptverkehrsader zwischen Dnipro und Donezk unter ihre Kontrolle bringen, hieß es weiter. Schon seit Beginn des Krieges veröffentlicht die britische Regierung in ungewöhnlich offener Art und Weise regelmäßig Geheimdienstinformationen zum Verlauf des Angriffskriegs. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

Die prorussischen Separatisten im Gebiet Donezk im Osten der Ukraine beschlagnahmen mehrere Handelsschiffe, die im Hafen von Mariupol liegen. "Ein Teil der Schiffe kommt unter die Rechtshoheit der Donezker Volksrepublik", sagte Separatistenführer Denis Puschilin laut der Nachrichtenagentur Interfax. Die Schiffe würden umbenannt und Teil einer neu entstehenden Handelsflotte der Republik.

Die Hafenstadt Mariupol war vor dem Krieg mit über 400 000 Einwohnern die größte ukrainische Hafenstadt am Asowschen Meer und zugleich ein Zentrum der Stahlindustrie. Monatelang war sie zwischen Russen und Ukrainern schwer umkämpft. Berichten zufolge soll sie durch die Gefechte zu 90 Prozent zerstört worden sein. Auch der Hafen wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen. Zusätzlich wurden die Fahrwasser vermint. Nach Puschilins Angaben wurden die Minen inzwischen geräumt. Das erste Schiff mit einer Ladung von 2500 Tonnen Metall sei nun in die russische Millionenstadt Rostow-am-Don geschickt worden.

Die Ukraine hatte die Verschiffung des Metalls als "Plünderei" bezeichnet. Kiew wirft Moskau und den mit ihr verbündeten Separatisten den Diebstahl strategisch wichtiger Güter vor. So sollen auch bis zu 500.000 Tonnen an Getreide aus den besetzten Gebieten in der Ukraine nach Russland verfrachtet worden sein.

Palina Milling, Palina Milling, WDR, 31.05.2022 11:53 Uhr

Der russische Energieriese Gazprom hat wie angekündigt seine Gaslieferungen an den niederländischen Gashändler GasTerra eingestellt. Das Unternehmen habe seine Zahlungen für April nicht in der geforderten Rubel-Form geleistet, teilt Gazprom mit. Gasterra hatte am erklärt, dass Gazprom die Gaslieferungen einstellen werde, da sich das Unternehmen weigere, seine Rechnungen wie vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gefordert in Rubel zu begleichen. Die niederländische Firma folgt damit Absprachen in der EU, die im Zuge der Sanktionen gegen Russland Zahlungen in Rubel ablehnt und nur in Euro oder Dollar gestattet.

Gasterra handelt mit Gas im Auftrag der niederländischen Regierung. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben inzwischen zwei Milliarden Kubikmeter Gas, die es ursprünglich bis Oktober von Gazprom beziehen wollte, bei anderen Anbietern geordert.

Die Ölpreise haben deutlich zugelegt und sind auf den höchsten Stand seit gut zwei Monaten gestiegen. Am Morgen kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,32 US-Dollar. Das waren 1,65 Dollar mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 3,47 Dollar auf 118,54 Dollar.

Die Aussicht auf ein vermindertes Angebot aus Russland infolge neuer Sanktionen der Europäischen Union wegen des Ukraine-Kriegs treibt die Ölpreise. Die EU-Staaten haben sich im Streit um das geplante Öl-Embargo gegen Russland auf einen Kompromiss verständigt. Auf Drängen Ungarns sollen vorerst nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden werden. Per Pipeline erfolgende Transporte werden zunächst weiter möglich sein.

Börsenexperten verwiesen als Antrieb für die Ölpreise insbesondere auf die Aussage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wonach die Öl-Importe der Europäischen Union aus Russland trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert werden. Hintergrund dieser Zahl ist, dass Deutschland und Polen bereits deutlich gemacht haben, dass sie nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren wollen.

31.05.2022 • 08:07 Uhr

EVP-Chef Weber fordert EU-Reform

Nach dem Kompromiss im Streit um ein Öl-Embargo gegen Russland dringt der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber, auf eine Abschaffung des Prinzips der Einstimmigkeit in der Europäischen Union. "Wir müssen endlich die Grundarchitektur der europäischen Entscheidungsmechanismen auf den Prüfstand stellen", sagte Weber im Deutschlandfunk.

"Ich bin nicht mehr bereit, dass wir uns von einem einzigen Land in der EU dann stoppen lassen. Wenn die EU handeln will, muss sie handeln. Deswegen muss die Einstimmigkeit abgeschafft werden und endlich die Mehrheitsentscheidung angewandt werden", sagte Weber. Die Debatte über das Einstimmigkeitsprinzip flammt seit Jahren immer wieder auf.

Bei den schweren Kämpfen in der Ostukraine haben die russischen Streitkräfte einem Separatistenanführer zufolge etwa ein Drittel der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk unter ihre Kontrolle gebracht. Die Truppen kämen aber nicht so schnell voran, wie man es sich erhofft habe, zitierte die russische Nachrichtenagentur Tass den Anführer der pro-russischen Separatistenregion Luhansk, Leonid Pasetschnik. In der Stadt tobten Kämpfe. Der Vormarsch werde auch erschwert, weil es mehrere große Chemieanlagen in der Region gebe. Man wolle vor allem die Infrastruktur der Stadt erhalten.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach ukrainischen Angaben sind dagegen große Teile der Stadt durch russischen Beschuss zerstört. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte erklärt, rund 90 Prozent der Gebäude von Sjewjerodonezk seien beschädigt, mehr als zwei Drittel der Wohnhäuser zerstört.

Weitere russische Bodenangriffe werden aus dem etwas weiter westlich gelegenen Raum Bachmut gemeldet. Dort hätten die Russen die Ortschaften Solote, Komyschuwacha, Berestowe, Pokrowske und Dolomitne angegriffen, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit.

Nach dem Tod eines französischen Kriegsreporters in der Ukraine ermittelt die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft wegen möglicher Kriegsverbrechen. Die Untersuchungen wurden unter anderem wegen vorsätzlichen Angriffs auf das Leben einer durch das Völkerrecht geschützten Person aufgenommen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Der TV-Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff kam am Montag bei Sjewjerodonezk in der Ostukraine ums Leben, als er eine humanitäre Evakuierung begleitete. Der 32 Jahre alte Reporter wurde von einem Bombensplitter getroffen. Es war sein zweiter Einsatz in der Ukraine seit Kriegsbeginn.

Im Osten der Ukraine beklagten beide Kriegsparteien weitere zivile Todesopfer. Im Gebiet Donezk seien drei Menschen durch russischen Beschuss getötet worden, teilte Gouverneur Pawlo Kyrylenko auf Telegram mit. In der Region Charkiw starb nach Angaben der Online-Zeitung "Ukrajinska Prawda" ein Mann durch russische Granaten. Die russische Seite sprach laut der Agentur Tass von zwei getöteten Zivilisten durch ukrainische Angriffe im Gebiet Donezk sowie zwei getöteten Frauen im Gebiet Luhansk. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen. Die beiden selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine sind von Moskau als unabhängige Staaten anerkannt. Ihre Einnahme zählt zu Russlands Kriegszielen.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind laut deren Staatschef Wolodymyr Selenskyj bislang 32 Medienschaffende getötet worden. Darunter sei der französische Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Der französische Nachrichtensender BFM TV meldete zuvor, dass der 32-jährige Reporter bei der Berichterstattung über eine Evakuierungsaktion nahe dem ostukrainischen Sjewjerodonezk von einem Geschosssplitter tödlich getroffen worden sei. Demnach war Leclerc-Imhoff in einem gepanzerten Fahrzeug unterwegs.

Vor etwas mehr als einem Monat habe Selenskyj BFM TV ein Interview gegeben, sagte Selenskyj weiter. Es sei sein erstes Interview mit französischen Medien während des Krieges gewesen. "Mein herzliches Beileid an die Kollegen und Angehörigen von Frédéric."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem Kreml vorgeworfen, aktiv eine globale Hungerkrise zu befeuern. Eine russische Blockade ukrainischer Seehäfen hindere sein Land, 22 Millionen Tonnen Getreide zu exportieren, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Die Folge sei die Gefahr einer Hungerkrise in Ländern, die von diesen Lieferungen abhängig seien. Dies könne wiederum zu einer neuen Migrationskrise führen. "Das ist etwas, dass die russische Führung klar anstrebt", so Selenskyj.

Die Europäische Union will der Ukraine weitere Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das teilte EU-Ratspräsident Charles Michel in der Nacht zum Dienstag während eines Treffens der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in Brüssel mit. Mit dem Geld soll die Ukraine laufende Kosten etwa für Rentenzahlungen und den Betrieb von Krankenhäusern decken können.

Die Lage im Osten der Ukraine bleibt nach den Worten des ukrainischen Präsidenten äußerst schwierig. Dort sei nun die "maximale Kampfkraft der russischen Armee" versammelt, sagte Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft in der Nacht. Sie versuche, im Donbass immer mehr Druck auf ukrainische Soldaten auszuüben. Als wichtige Ziele der russischen Armee nannte Selenskyj die Städte und Ortschaften Sjewjerodonezk, Lysytschansk, Bachmut, Slowjansk und Awdijiwka. Auch in Charkiw und in der Region Sumy im Nordosten der Ukraine habe es Beschuss gegeben.

Die georgische Separatisten-Region Südossetien hat ein für Mitte Juli geplantes Referendum über einen Beitritt zu Russland abgesagt. Der neue Präsident der pro-russischen Enklave, Alan Gaglojew, hob die Pläne seines Vorgängers auf. In einem Dekret betonte er, es sei nicht zulässig, per Volksabstimmung einseitig über Themen zu entscheiden, die die "legitimen Rechte und Interessen der russischen Föderation" beträfen. Stattdessen setzte Gaglojew Gespräche mit Moskau über die "weitere Integration" Südossetiens an.

Russland hatte die Unabhängigkeit der pro-russischen Separatisten-Region und des benachbarten Abchasiens nach einem kurzen militärischen Konflikt mit Georgien im August 2008 offiziell anerkannt. Seitdem sind russische Streitkräfte dort stationiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 31. Mai 2022 um 09:00 Uhr.