Unterboden-Check bei Gebrauchten
So erkennen Sie Gebrauchtwagen-Blender

Oben hui und unten pfui? Vom glänzenden Lack sollten sich Gebrauchtwagen-Käufer nicht blenden lassen, denn erst der Blick unters Auto gibt Auskunft über Zustand und Vorleben. Dafür genügt eine kleine Kamera, sogar die des Smartphones.

Unterboden-Check
Foto: Dino Eisele

Bei der Besichtigung eines Gebrauchtwagens geht es normalerweise ganz bodenständig zu – zum Leidwesen vieler Interessenten, die gern einen intensiven Blick unters Auto werfen würden. Doch Hubvorrichtungen sind rar, wenn Kiesplatz oder Garageneinfahrt die Bühne für so ein Schau-Spiel sind.

Diese Geschichte entstammt dem Gebrauchtwagen-Sepzial 2022 von auto motor und sport, das die Stärken und Schwächen von 100 Modellen auf dem Gebrauchtwagenmarkt kennt. Sie können das Sonderheft hier kaufen.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Auf den Check vom Unterbau mit all seinen technischen Komponenten sollte man dennoch nicht verzichten, selbst wenn der Erhaltungszustand von Interieur und glänzender Karosserie dazu verleitet. Das gilt besonders für die "wenig gefahrenen Garagenwagen aus gepflegtem Rentner-Vorbesitz", die Lieblingsobjekte aller Gebrauchtwagen-Fahnder.

Ausgerechnet bei diesen beliebten Gebrauchtwagen stößt man nämlich immer wieder auf Exemplare, die trotz bester Pflege untenrum heftig gammeln. Streusalz und lange Standzeiten in schlecht belüfteten Garagen sind eben ideale Bedingungen für die Ausbreitung der braunen Pest. Ganz unten präsentiert sich ein gebrauchtes Auto also am ehrlichsten, erzählt ungeschönt von seinem – mitunter harten – Vorleben, sei es in Gestalt von Rost, krummen Wagenheberaufnahmen oder gar eingedrückten Schwellern sowie Längsträgern nach einem Aufsetzer.

Unterboden-Check
Dino Eisele
Der Vorschalldämpfer hat kein langes Leben mehr. Solche „Beweis“-Fotos liefern gute Argumente für die Preisverhandlungen.

Solchen Schäden kann man zum Glück auch ohne Hebebühne einfach auf die Schliche kommen. Dazu muss man nicht mal in tiefster Gangart ums Auto herumrobben. Alles, was man braucht, ist eine handliche Kamera, mit der sich selbst schwer zugängliche Bereiche erkunden lassen. Bei guten Lichtverhältnissen klappt das oft schon mit dem Smartphone, das man ohnehin immer dabeihat. Empfehlenswerter ist jedoch eine kleine Digitalkamera, weil sie sich mit einer Hand besser bedienen lässt und das deutlich stärkere eingebaute Blitzlicht dunkle Ecken besser ausleuchtet als jenes beim Smartphone.

Voraussetzung für aussagefähige Fotos ist allerdings ein trockener Unterboden. Bei Regen sollte der Check mit der Kamera also stets vor einer Probefahrt stattfinden, da Nässe und Reflexionen den Eindruck zu sehr verfälschen können.

Kamera statt Hebebühne

Ein unvollkommenes Bild ergibt sich zudem bei einem großflächig verkleideten Unterboden wie beim oben gezeigten Audi A4 Cabrio. Doch selbst in solchen Fällen lassen sich zumindest verräterische Details wie verrostete Schraubenköpfe, Schellen, Halteklammern, Auspuffanlagen oder Achskomponenten aufspüren.

Wesentlich freizügiger geht es untenrum beim zweiten Demonstrationsobjekt zu, einem Honda Jazz von 2005 (Zu sehen in der Bildergalerie). Auf den ersten Blick wirkt das 94.000 Kilometer gelaufene Ersthand-Rentnerfahrzeug sehr gepflegt. Hält dieses Seniorenauto, was es augenscheinlich verspricht? Das überprüfen wir nun mit einer Digitalkamera, die vor Ort die Hebebühne ersetzt.

Ach, Sie nehmen lieber die Taschenlampe und quetschen sich damit unters Auto? Kann man machen, muss man aber nicht. Denn Kameras erreichen wirklich alle wichtigen Bereiche – selbst solche, die sich dem Auge entziehen. Außerdem knipsen Fotofahnder nicht nur Bilder, sondern sammeln Fakten für die Preisverhandlungen! Es schadet daher nicht, mit dem Fotoapparat vorab am eigenen Pkw zu üben, wenn man so etwas zuvor noch nie gemacht hat.

Unterboden-Check
Uli Holzwarth
Mit einer Digitalkamera gelingen solch aussagefähige Fotos wie dieses, auf dem sich sehr gut der Zustand von Antriebswellenmanschette, Bremssattel, Radträger und Traggelenk beurteilen lässt.

Bei der Besichtigung geht man systematisch vor, beginnt am besten vorn und fotografiert dann bis nach hinten alle relevanten Bereiche. Dazu gehören Antrieb (Öl-/Kühlwasserverlust?), Vorderachse links und rechts (Räder einschlagen!) mit Federbeinen, Querlenkern, Manschetten, Gelenkbuchsen und den Bremskomponenten (Sättel, Abschirmbleche, Bremsschläuche). Danach den Unterboden mit Längsträgern, Bremsleitungen und Schwellerkanten zunächst großflächig aufnehmen, dann alle Wagenheberaufnahmen und die Abgasanlage mit Kat und Vorschalldämpfer. Zum Schluss sind die Hinterachse mitsamt Bremsen und Federung sowie der/die Endschalldämpfer dran.

Umfrage
Neu- oder Gebrauchtwagen: Was würden Sie sich kaufen?
12651 Mal abgestimmt
Einen Neuwagen. Ich kaufe ja auch keine Second-Hand-Klamotten.Einen Gebrauchtwagen. Er ist ja nicht schlechter, nur weil er schon benutzt wurde.

Fazit

Der Aufwand ist überschaubar: Fünf Minuten und etwa zehn Kniebeugen rund ums Auto genügen, um sich ein Bild vom Zustand des Unterbodens zu machen. Wer dem Verkäufer die festgestellten Mängel dann noch großformatig auf dem Laptop präsentieren kann, hat bei den Preisverhandlungen perfekte Argumente, um abgehobene Forderungen auf ein bodenständiges Niveau zu drücken.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024

Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten