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Benedikt XVI. bei einem Besuch in unserer Redaktion mit P. Eberhard v. Gemmingen SJ Benedikt XVI. bei einem Besuch in unserer Redaktion mit P. Eberhard v. Gemmingen SJ 

Audio: Damals, als wir Papst waren…

Wir vom deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan hatten Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. häufig bei uns zu Gast und haben ihn immer wieder interviewt. Unser damaliger Redaktionsleiter, P. Eberhard v. Gemmingen SJ, führte im August 2005 das erste Interview mit dem vier Monate zuvor gewählten Papst.

Anlass des historischen Interviews war der bevorstehende Weltjugendtag in Köln. Doch heute, nach dem Tod des emeritierten Papstes, ist das Gespräch eine gute Einführung in das Denken Benedikts XVI.‘ – das, was ihm wichtig war. Und was er den Menschen vermitteln wollte.

Auszüge aus dem Interview

Gemmingen: „Was ist die Hauptsache, die Sie überbringen wollen?“

Benedikt: „Ja, ich möchte zeigen, dass es schön ist, ein Christ zu sein. Es besteht ja weithin die Idee, Christentum sei eine Menge von Geboten, Verboten, Lehrsätzen, die man einhalten muss und dergleichen, und insofern etwas Mühseliges und Belastendes – und man sei freier, wenn man diese Last nicht hat. Ich möchte demgegenüber deutlich machen: Von einer großen Liebe und auch von einer Erkenntnis getragen zu sein, ist nicht ein Gepäck, sondern es sind Flügel. Und es ist schön, ein Christ zu sein! Diese Erfahrung (will ich vermitteln): dass uns das Weite gibt. Dass uns das vor allem auch große Gemeinschaft gibt. Dass wir als Christen eben nie allein sind - in dem Sinn, dass erstens Gott immer mit uns ist und dass wir auch immer miteinander in einer großen Gemeinschaft stehen, Gemeinschaft sind, ein Projekt der Zukunft haben und damit eben wirklich ein Dasein haben, das sich lohnt. Die Freude am Christsein. Das es schön und auch richtig ist, zu glauben.“

„Ich möchte zeigen, dass es schön ist, Christ zu sein“

Aus dem Radio-Vatikan-Tonarchiv: Unser Interview mit Papst Benedikt XVI. im August 2005

Gemmingen: „Heiliger Vater, Papst sein heißt Brückenbauer sein – Pontifex. Nun hat die Kirche eine alte Weisheit, und Sie begegnen einer Jugend, die Schwung hat, aber vielleicht die Weisheit noch nicht so wahnsinnig viel mit Löffeln gegessen hat. Wie kann eine Brücke gebaut werden zwischen dieser alten Weisheit eines betagten Papstes und der Jugend? Wie geht das?“

Benedikt: „Weisheit in sich ist nicht etwas Abgestandenes, wie wir im Deutschen das Wort ein bisschen mit diesem Geschmack verbinden, sondern es ist ja Verstehen dessen, worum es geht, ist der Blick aufs Wesentliche. Die jungen Menschen wollen natürlich das Leben lernen, es selber neu entdecken, nicht einfach von anderen vorgekaut bekommen. Das ist vielleicht der Gegensatz, den man da sehen könnte. Aber zugleich ist Weisheit dann doch gerade das, was die Welt interpretiert, was auch immer wieder neu ist, weil es in den neuen Kontexten dann wieder hinführt auf das, worauf es ankommt und wie man dann das, worauf es ankommt, verwirklichen kann.

Gemmingen mit Benedikt XVI. nach einem Interview
Gemmingen mit Benedikt XVI. nach einem Interview

Insofern ist, denke ich, das Sprechen, Glauben, Leben von etwas heraus, das der Menschheit geschenkt worden ist und ihr Lichter aufgesteckt hat, nicht Vorkauen von etwas Abgestandenem, sondern ist gerade sozusagen der Dynamik der Jugend angemessen, die ja auch nach dem Großen, nach dem Ganzen fragt. Darum geht es in der Weisheit des Glaubens, dass wir nicht eine Menge von Details erkennen – die sind für jeden Beruf wichtig –, aber dass wir über allen Details wissen, worum es im Leben geht und wie Menschsein, wie Zukunft zu gestalten ist.“

„Glaube ist das frische Wasser, mit dem wir leben können“

Gemmingen: „Heiliger Vater, Sie haben (bei Ihrer Amtseinführung) gesagt: Die Kirche ist jung, sie ist nichts Altes. Können Sie das noch ein bisschen genauer sagen, was Sie damit meinen?“

Benedikt: „Ja, sie ist zunächst jung, sagen wir im biologischen Sinn, dadurch dass ihr sehr viele junge Menschen angehören. Sie ist aber auch in dem Sinne jung, dass ihr Glaube sozusagen aus dem frischen Quell Gottes selber kommt… Es ist nicht eine abgestandene Kost, die wir seit 2000 Jahren haben und die immer wieder aufgekocht wird, sondern Gott selber ist der Quell aller Jugend und allen Lebens. Und wenn der Glaube eine Gabe ist, die von ihm herkommt, sozusagen das frische Wasser, das uns immer wieder gegeben wird, mit dem wir dann leben können und das wir sozusagen als Kraft in die Wege der Welt einspeisen dürfen – dann ist eben Kirche eine verjüngende Kraft.

Es gibt einen Kirchenvater, der einmal über die Kirche nachgedacht hat und dabei das Sonderbare sah, dass sie im Laufe der Jahre nicht älter, sondern immer jünger wird, weil sie immer mehr dem Herrn, das heißt immer mehr der Quelle entgegengeht, von der Jungsein, von der Neuheit, Erfrischung und, sagen wir, die frische Kraft des Lebens kommt.“

Benedikt XVi. 2005 beim Weltjugendtag in Köln
Benedikt XVi. 2005 beim Weltjugendtag in Köln

Gemmingen: „Heiliger Vater, es gibt – leider gerade auch in unseren nördlichen und reichen Ländern – Abwendung nicht nur vieler Menschen von Kirche und Glauben, sondern gerade auch der Jungen. Kann man dem etwas entgegensetzen, oder vor allem – wie kann man vielleicht die Sinnfrage junger Leute so beantworten, dass die Jugend sagt: Mensch, Kirche ist unsere Sache…“

Benedikt: „Es ist klar, dass es in unserer modernen westlichen Gesellschaft viele Bleigewichte gibt, die uns vom Christentum wegdrängen… Man will das Leben zunächst selbst ergreifen, so viel leben, wie es nur geht. Ich denke an den verlorenen Sohn, der sich sagt…: Ich muss das Leben so richtig ausschöpfen und an mich reißen und genießen – bis er dann merkt, dass es richtig ist und dass er frei war und groß war, als er im eigenen Vaterhaus war.

Nun also, jedenfalls denke ich, unter den jungen Menschen breitet sich doch aber auch die Empfindung aus, dass all diese Vergnügungen, die uns angeboten werden, der ganze Freizeitbetrieb, all das, was man macht und machen kann und kaufen und verkaufen kann, nicht das Ganze sein kann, dass es um mehr geht. Und insofern ist, denke ich, doch auch eine große Frage danach da, was ist denn dann das Eigentliche: Das alles, was wir da so haben und kaufen können, kann es nicht sein. Deswegen gibt es ja auch sozusagen den Markt der Religionen… Aber er ist ein Zeichen dafür, dass eine Frage da ist…

Das Christentum ist voll unentdeckter Dimensionen und zeigt sich eben frisch und neu. Wenn man so eine Frage wirklich wieder von Grund auf stellt, sozusagen das Aufeinandertreffen der Frage, die da ist, und der Antwort, die wir leben und die wir immer sozusagen selbst durch die Frage hindurch empfangen – das sollte das Ereignis in der Begegnung zwischen Verkündigung und jungen Menschen sein…“

(vatican news – sk)

Benedikt XVi. 2005 beim Weltjugendtag in Köln
Benedikt XVi. 2005 beim Weltjugendtag in Köln

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02. Januar 2023, 13:58