Aus einem Wasserhahn läuft Trinkwasser in ein Wasserglas.

Grenzwerte für PFAS-Chemikalien Trinkwasser soll besser geschützt werden

Stand: 31.03.2023 18:01 Uhr

Bestimmte PFAS-Chemikalien sollen krebserregend sein. Das Problem: Mancherorts sind sie ins Trinkwasser gelangt. Der Bundesrat hat nun Grenzwerte auf den Weg gebracht. Einigen Experten geht das nicht weit genug.

Von Johannes Hofmann, BR

In der Pfanne, in der Outdoor-Jacke, im Feuerlöschschaum und selbst im Pizzakarton: In unzähligen Produkten stecken sogenannte "PFAS-Chemikalien". PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und gelten als Wunderwaffe in der Industrie.

Doch es gibt auch eine Kehrseite. Schon länger stehen manche PFAS im Verdacht, krebserregend zu sein. Hinzu kommt: Die Stoffe bauen sich nicht natürlich ab, und an vielen Orten in Deutschland sind diese "Ewigkeitschemikalien" bereits im Boden und im Trinkwasser.

Neue Grenzwerte ab 2026

Der Bundesrat hat nun eine neue Verordnung auf den Weg gebracht, um Trinkwasser besser zu schützen, die im Mai in Kraft treten soll. Ab 2026 müssen Versorger dann sicherstellen, dass 20 PFAS-Stoffe in der Summe den Grenzwert von 100 Nanogramm pro Liter nicht überschreiten. Für die vier bedenklichsten PFAS sind ab 2028 ein Höchstwert von 20 Nanogramm pro Liter vorgesehen.

Viele Umweltschützer, Politiker und Experten begrüßen die Grenzwerte und sprechen von einem wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Endlich bekäme man durch verpflichtende Messungen einen Überblick über die Belastungen in Deutschland. Dennoch gibt es Kritik.

Chemiker kritisieren Höhe der PFAS-Grenzwerte

Gerhard Merches, Chemieingenieur und Kreisvorsitzender beim Bund Naturschutz Altötting, bemängelt, dass die als besonders gefährlich eingestuften PFAS-4 Grenzwerte erst in fünf Jahren verbindlich werden. Das sei in Anbetracht der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit der Stoffe eindeutig zu spät.

Das sieht auch der Umweltchemiker Roland Weber so. Der unabhängige Berater für UN-Organisationen empfindet vor allem den Grenzwert von 20 Nanogramm als zu hoch angesetzt. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA habe eine tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht bestimmt.

Da der Mensch auch durch belastete Lebensmittel PFAS aufnimmt, hätte der Grenzwert seinen Berechnungen zufolge bei PFAS-4-Stoffen im Trinkwasser bei zwei Nanogramm pro Liter liegen müssen, nicht bei 20. Damit wäre man auf der sicheren Seite gewesen und hätte der Gesamtexposition gegenüber den Chemikalien Rechnung getragen. Einige Länder wie Dänemark haben diesen strengeren Grenzwert eingeführt.

Wasseraufbereitung kann teuer werden

Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hingegen empfindet die geplanten deutschen Grenzwerte als ausreichend. Dass sie erst ab 2026 beziehungsweise 2028 gelten, findet er für gerechtfertigt. Schließlich bräuchten Wasserversorger einen Planungsvorlauf, vor allem, wenn erhebliche Investitionen anstehen.

Er sorgt sich vielmehr um die Finanzierung, schließlich werden wohl einige Versorger in Zukunft teure Aktivkohle-Filter benötigen. Er fordert deshalb nach dem Verursacher-Prinzip, die Industrie in die Pflicht zu nehmen: "Es kann nicht sein, dass die Bürger für diese Aufbereitungsanlagen zahlen müssen." In manchen Gegenden sei nicht auszuschließen, dass es zu erheblichen Preissteigerungen beim Trinkwasser komme.

Martin Weyand fordert deshalb einen von der Industrie finanzierten Fonds, mit dem Reinigungs- und Sanierungsmaßnahmen finanziert werden.

Die Grünen fordern Verbot

Diesen Ansatz unterstützen auch die Grünen. Der umweltpolitische Sprecher Jan-Niclas Gesenhues sieht die neue Trinkwasserverordnung zwar als guten Kompromiss, am Ende müsse aber ein Verbot von hochgiftigen PFAS-Stoffen auf europäischer Ebene kommen.

Ein komplettes Verbot der etwa 10.000 PFAS-Stoffe wird EU-weit zwar bereits diskutiert. Für die Industrie sowie für die Verbraucher besteht aber weiterhin das Problem, dass es für einige PFAS-Chemikalien noch keine Alternativen gibt. Zudem befürchten manche, dass die Produktion dann in Länder abwandert, in denen es keinerlei Umweltstandards gibt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der BR in der Sendung "Unkraut" am 3. April 2023 um 19 Uhr.