BMW Alpina B4/D4
Alles Gran, nichts muss

Als Coupé und Cabrio legt BMW Alpina den B4 und D4 nicht mehr auf, dafür erstmals als Gran Coupé. Damit die sich nicht langweilen, geht’s gleich mal auf die anspruchsvolle Teststrecke Bilster Berg.

BMW Alpina D4
Foto: Roman Raetzke

In der seit 1965 währenden Unternehmensgeschichte spürt Alpina bis heute immer wieder treffsicher Lücken im BMW-Modellprogramm auf, um in der Regel dann optimal mit auszufüllen – und schwupps, rollen B4 und D4 S ins Bild. Als Coupé? Als Cabrio? Nein, diese Nische scheint inzwischen zu klein. Stattdessen: Gran Coupé. Und wie sortiert sich der ins eigene Modellprogramm ein? Anders gesagt: Wie differenziert er sich vom B3 und D3 S? Während sich die lange Haube des B4 unter Last über die Streckenabschnitte Fledermaushügel, Pumpenhaus, Muntionsfeld und Jägerbuche in Richtung Driburger Lichtung in den Horizont streckt, zunächst einmal kaum.

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BMW Alpina D4
Roman Raetzke
Das Cockpit des neuen BMW Alpina D4.

Der doppelt aufgeladene (Mono Scroll) Reihensechszylinder-Benziner müht sich offenbar nicht sonderlich mit dem laut Hersteller 1.965 Kilogramm schweren Viertürer, dreht mühelos und mit tiefer, heiserer Stimme in Richtung 7.000/min. Das auf dem S58-Motor von BMW basierende Triebwerk leistet 495 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 730 Nm bei 2.500/min, was reichen soll, um den Vierer aus dem Stand in 3,7 Sekunden auf 100 km/h und in 12,9 Sekunden auf 200 km/h zu beschleunigen.

Aus dem Gehäuschen

Die teils erhebliche Topographie der anspruchsvollen Teststrecke Bilster Berg stellt jedenfalls keine allzu große Herausforderung dar, auch das Ansprechverhalten fällt spontaner aus, als es die Drehmoment-Drehzahl-Werte vermuten lassen. Alpina nutzt eigene Turbolader-Gehäuse sowie eine optimierte Kühlung und Luftführung, ansaug- wie abgasseitig. Das Achtstufen-Automatikgetriebe von ZF erhält eine dem Drehmoment angepasste Abstimmung, sie schaltet unter Last mit spürbarem Ruck, aber ohne Zeitverzug auf Paddel-Befehl, auf D sehr entspannt, auf S zuweilen etwas hyperaktiv. Die Steuerung des Allradsystems X-Drive modifizieren die Alpina-Ingenieure ebenfalls. Dazu gibt’s eine mechanische Quersperre an der Hinterachse. Wie also biegt der B4 ab? Präzise und unaufgeregt, immer agil, immer mit Feuer, obwohl die Karosserie trotz des Sportfahrwerks mit adaptiven Dämpfern (1,25° Negativsturz an der Vorderachse) bei derart extremer Belastung spürbar rollt und wankt.

Kurve aus dem Hinterhalt

Alpina-typisch bleiben Fahrverhalten und Reaktionen des B4 vorhersehbar, lassen sich mit Hilfe der rückmeldungsstarken Lenkung sauber verarbeiten. Selbst hinterhältige Wechselkurven wie das Clubhaus-S oder zuvor die Kombination Telegraphenbogen und Kommandatur lassen 4,79 Meter langen Maßanzug des BMW Alpina verrutschen – da sind eher schon die serienmäßigen Sportsitze mit dem unter diesen Umständen beschränkten Seitenhalt der limitierende Faktor.

BMW Alpina D4
Roman Raetzke
Eine kleine Tendenz zum Untersteuern? Kein Problem.

Und das Eigenlenkverhalten? Überwiegend neutral bis leicht untersteuernd, erst als Reaktion auf Lastwechsel oder wilden Gaseinsatz meldet sich das Heck ein wenig. Nur ein wenig? Jep, denn statt 265er-Hinterreifen wie der B3 nutzt der B4 285er, vorne bleibt es bei 255ern – alles in 20 Zoll. Übrigens: Für die Schmiedefelgen gibt Alpina ein Gewicht von lediglich 12 kg pro Stück an.

Entfeder oder?

Jedenfalls soll das Gran Coupé etwas stärker in Richtung Reise-Tourer abgestimmt sein, auch das Anfedern bei Querfugen und Asphaltflicken gelingt laut Alpina nun deutlich besser als beim B3, schließlich legen die Kunden des Hauses gerne schon mal 50.000 Kilometer pro Jahr mit ihrem Fahrzeug zurück – ja, auch mit einem Benziner. Rausfahren lässt sich das Komfort-Plus heute allerdings nicht, da Testwagen nur auf der abgesperrten Strecke bewegt werden dürfen. Na, macht nichts, weil: Macht Vergnügen. Allein dieser Motor! Innen dagegen: So weit, so Großserie – abgesehen von charmanter Alpina-Folklore wie die Plakette mit Seriennummer und vor allem dem extraweichen Leder fürs Lenkrad.

Zwei-Massen-Gesellschaft

Und jetzt: Der Diesel. Zunächst einmal die schlechte Nachricht: Der D4 S wiegt 55 kg mehr als der B4, und die lasten auf der Vorderachse. Sein Sechszylinder-Biturbomotor entwickelt ebenfalls ein maximales Drehmoment von 730 Nm, das bereits bei 1.750 Umdrehungen zur Verfügung steht. Die Leistung indes liegt bei 355 PS. Klingt nach dem B4-Feuerwerk eher nach Teelicht? Nicht wirklich, denn die Fahrwerksabstimmung kaschiert das Mehrgewicht recht elegant, lässt nur hin und wieder eine Idee früher die Tendenz zum Untersteuern durchblicken.

BMW Alpina D4
Roman Raetzke
Der Motor des BMW Alpina D4 entwickelt 355 PS.

Und selbst mit so einem D4 S lässt sich der eine oder andere auf einer Rennstrecke sicher erschrecken, denn auch den Diesel zeichnet eine hohe Verlässlichkeit im Fahrverhalten aus. Einknicken? Nicht vorgesehen, auch wenn der Pedalweg der Bremse zunächst etwas länger wirkt als im B4. Kann aber auch auf unzureichend konditionierte Beläge zurückzuführen sein. Jedenfalls fegst Du ziemlich ungerührt selbst durch die Mausefalle, einer der Corckscrew in Laguna Seca nachempfundenen Kurve-durch-die-Senke-mit-anschließender-Fahrt-in-den-Himmel-Kombination, deren Kiesbett hier gerne einmal vors Auto springt. Auch im D4 S biegst du leicht über alle viere schiebend ein, plumpst ins Loch, drückst dich mit der Macht des Drehmoments wieder hinauf. Doch ein verkappter Tourenwagen? Keinesfalls. Wohl aber ein sehr schneller (0-100 km/h in 4,8 s, 0-200 km/h in 19,1 s) Reisewagen mit höchst ambitioniertem Handlingtalent – und einem WLTP-Verbrauch von 6,9 L/100 km (B4: 10,1 L/100 km). Für B4 und D4 S gilt gleichermaßen: Lücke geschickt gefüllt.

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Fazit

Die gute Nachricht: Sowohl B4 als auch D4 S führen die Alpina-Tradition fort, mit einem klar definierten, sehr agilem und gleichermaßen sicherem Fahrverhalten zu begeistern. Im Fall des B4 garniert die Fahrgaudi noch ein hochemotionaler Benziner, der Diesel beeindruckt vor allem mit Lässigkeit und (zumindest auf dem Papier) höchster Effizienz. Die schlechte Nachricht: Nach den beiden kommt voraussichtlich kein neu entwickeltes Modell mehr aus Buchloe. Doch das ist eine andere Geschichte.

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AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

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