Wenn man den Schurken bei Wish bestellt…

Der Film ist nicht besonders woke oder hollywood-feministisch; ja, die Hauptfigur ist weiblich und der Schurke männlich, aber grundsätzlich wäre diese Konstellation aus Wish ganz ohne „Botschaft“ denkbar.

Der Film floppte aber trotzdem; und das liegt auch daran – neben semi-eingängigen Liedern mit eher erzwungenen Reimen oder einer netten, aber nicht überragend viel Mitgefühl abfarmenden Hauptperson – dass der Bösewicht nicht böse genug ist. Leute, die sich mehr mit dem Film auseinandersetzen als ich, bemängeln, dass seine Argumente nicht sooo schlecht ist. Er verspricht Menschen, ihnen ihren größten Wunsch zu erfüllen, den er ihnen zum 18. Geburtstag „nimmt“, d.h., sie verlieren ihre Erinnerung daran – und einmal im Monat bekommt ein Mensch in Rosas seinen Wunsch erfüllt, und seine Erinnerung restauriert. Vermutlich darf niemand über seinen Wunsch gesprochen haben, aber was, wenn ihn jemand aufschreibt? (Dass schon rein zahlenmäßig nicht alle ihre Wünsche erfüllt bekommen können, ist klar, oder? Jaja, Märchenlogik…)

Der Zaubererkönig ist jedenfalls „böse“, obwohl er viel böser sein könnte.

  • er hat eine Stadt gegründet, in die Leute freiwillig ziehen, und in der man auch ohne erfüllten Wunsch sehr komfortabel lebt
  • die 12 Wünsche im Jahr, die er tatsächlich erfüllt, sind keine bösartigen Missintepretationen der realen Wünsche, soweit man das nachvollziehen kann
  • das Argument, dass man nicht jeden Wunsch erfüllen sollte, weil Wünsche oft Quatsch oder gefährlich sind, ist ja nicht falsch
  • und – ganz auf der Meta-Ebene – ich meine, es war Seneca, der meinte, um einen Menschen glücklich zu machen, müsse man nicht seine Wünsche erfüllen, sondern seine Wünsche nehmen; er musste es wissen, trotz großer Teile der Insel Britannien in seinem Besitz war er nicht „wunschlos glücklich“

Und, gaaaaanz grundsätzlich, das ganze Prozedere ja ein kein völlig unakzeptabler Deal, wenn man ihn gesagt bekäme: entweder vergisst man einen Wunsch komplett, oder man hat eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass er erfüllt wird – bei zumindest den sehr unrealistischen Wünschen wäre das ja eine gescheite Option. Es gäbe im Unterschied dazu ja noch Dinge, die ihn wirklich böse machten, wie

  • in vielen Geschichten gibt es für übernatürliche Wünsche einen schlimmen Preis – angenommen, einmal im Jahr müsse er die Seele eines dreizehnten Mitbürgers den dunklen Mächten opfern, Krabat-Style
  • er kann vllt nur bestimmte Dinge mit seiner Magie erreichen und erfüllt entsprechend nur Wünsche, die er erfüllen kann (und ihm generell in den Kram passen)
  • er ist vllt ja auch ein Scharlatan, der nur solche Wünsche „erfüllt“, die gerade von alleine wahr werden – immerhin könnte er ein bisschen in die Zukunft blicken, um dergleichen vorherzusehen
  • er „verwahrt“ evt. keine Wünsche, sondern macht, was ihm gefällt, tut aber so, als wäre DAS der ehemalige Herzenswunsch eines Bürgers, der per Hypnose nun denkt, dass er sich das früher wirklich gewünscht hätte

Ersteres ist vllt zu hart für Disney, der Rest wäre aber, mMn, völlig ok für die Zielgruppe. Aber nein, es ist ein älterer, weißer Mann. Daran muss man heute bitteschön von alleine erkennen, dass der böse ist.

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