«Arbeiten wir nicht länger, verarmen wir im Alter»

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Renten-Initiative«Arbeiten wir nicht länger, verarmen wir im Alter»

Die Jungfreisinnigen lancieren eine Volksinitiative für ein höheres Rentenalter. Wer länger lebt, soll länger arbeiten, findet Präsident Andri Silberschmidt.

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Bereits junge Menschen wollen sparen, um im Alter besser durchzukommen, wie eine Strassenumfrage zeigt. (Video: bz/pst)

Sie lancieren eine Initiative, die Rentenalter 66 für Frauen und Männer verlangt. Warum tun Sie das, wo doch das Volk dazu kaum Ja sagen wird?

Wir finden, dass es die Aufgabe der Politik ist, dem Volk reinen Wein einzuschenken. Heute ist die AHV nicht mehr gesichert, weil die Ausgaben immer mehr steigen. Die Politik hat es verpasst, ehrlich zu diskutieren, wie wir das Problem der Milliardenlöcher in AHV und bei den Pensionskassen langfristig lösen wollen.

Das Rentenalter soll auch automatisch mit der Lebenserwartung steigen. Wer heute auf die Welt kommt, dürfte laut dem Bundesamt für Statistik fast 95 werden, sofern er das heutige Rentenalter von 65 Jahren erreicht. Er müsste bis 72 arbeiten!

Ja, aber es bleiben immer noch mehr als 20 Jahre Pension. Wenn wir älter werden, müssen wir auch länger Beiträge einzahlen. Die Alternative ist, dass wir im Alter verarmen, da die AHV gekürzt werden müsste. Altersarmut kann aber keine Lösung sein.

Was ist mit all den Büezern, deren Körper schon mit 60 streiken?

Bereits heute können Bauarbeiter früher in Rente gehen. Wir unterstützen solche Branchenlösungen für Berufe, die körperlich sehr intensiv sind.

Die Initiative ist eine Provokation für die Linke: Die Juso wollen die AHV-Renten gar noch erhöhen und dazu Kapitaleinkommen und Erbschaften höher besteuern.

Einen Ausbau der AHV mit der Initiative AHV plus hat das Volk bachab geschickt. Natürlich geht der Gewerkschaftsflügel auf die Barrikaden. Aber bei jungen Grünen etwa reift die Einsicht, dass etwas passieren muss. In anderen Ländern Europas ist man hier schon weiter: Dänemark etwa hat die schrittweise Anpassung des Rentenalters bereits beschlossen.

Wenn das Rentenalter steigt, braucht es auch mehr Jobs. Droht eine Massenarbeitslosigkeit?

Im Gegenteil! Wir werden eher Probleme haben, dass wir zu wenige Erwerbstätige haben, weil geburtenstarke Jahrgänge in Pension gehen. Für Härtefälle braucht es Unterstützungsleistungen. Aber das ist eine Minderheit. Die Schweiz gehört zu den Top-3-Nationen bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

Frauen leben immer noch etwas länger als Männer. War es kein Thema, auch das Geschlecht bei der Berechnung des Rentenalters zu berücksichtigen?

Die individuelle Lebenserwartung hängt von vielen Faktoren ab, nicht nur vom Geschlecht. Wir können in der Bundesverfassung nur Grundsätze und nicht jedes Detail regeln, weshalb wir uns auf die durchschnittliche Lebenserwartung beziehen.

Die grosse FDP schaffte es nicht, für ihre Bürokratie-Initiative 100'000 Unterschriften zu sammeln. Sind Sie besser als die Mutterpartei?

Wir werden – hoffentlich auch mit Unterstützung der FDP – die nötigen Unterschriften sammeln können. Mit den Nationalrätinnen Christa Markwalder und Regina Sauter haben wir bereits starke Fürsprecher. Auch das Thema ist viel weniger abstrakt als bei der Bürokratie-Initiative: Die Sorge um die Finanzierbarkeit unserer Sozialwerke ist in der Bevölkerung weit verbreitet.

Darum gehts

Die Initiative der Jungfreisinnigen verlangt eine Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre für Männer und Frauen. Zudem soll das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Steigt sie, sollen 80 Prozent der gewonnenen Lebenszeit ebenfalls gearbeitet werden.

Konkret heisst das: Das Bundesamt für Statistik rechnet in einem Szenario damit, dass Männer mit Jahrgang 2017 etwa 93 werden, Frauen 95, sofern sie das heutige Rentenalter erreichen. Damit würde sich die Lebenserwartung gegenüber heute um knapp 8 Jahre erhöhen. Das Rentenalter stiege im Zeitraum schrittweise um etwa 6 Jahre auf 72 Jahre an.

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