Warum fahren immer alle auf der Mittelspur?

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Autobahn-PhänomenWarum fahren immer alle auf der Mittelspur?

Mittelspurfahren gehört zu den ärgerlichen Phänomenen auch auf Schweizer Autobahnen. Warum meiden so viele Fahrer die rechte Spur?

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Jeder kennts, jeden nervts. Bei freier Fahrt wird trotz drei Autobahnspuren konsequent in der Mitte gefahren. Selbst wenn auf der rechten Spur weit und breit kein Lastwagen oder langsamere Autos unterwegs sind. Wer korrekt von hinten rechts kommt, muss zweimal die Spur wechseln, um einen Mittelspurfahrer zu überholen.

Anders als etwa in Deutschland sind dreispurige Autobahnen in der Schweiz meist in der Nähe von Ballungszentren und deshalb oft stark befahren. Dennoch kennt man das Phänomen auch hierzulande. Zwischen Schlieren und Zürich etwa wird die A1 dreispurig, dennoch fahren auch bei wenig Verkehr die meisten in der Mitte. Obwohl das rechtlich gesehen ein Vergehen ist.

Bequem und gewohnt

Verkehrspsychologen ist dieses Phänomen bekannt. Zwar sind die Beweggründe bei jedem Mittelspurfahrer individuell, doch Gewohnheit, Bequemlichkeit und Sicherheitsbedenken gelten als Hauptgründe, weshalb so viele Fahrer die rechte Spur meiden.

«Man ist sich gewohnt, dass rechts LKWs und langsamere Verkehrsteilnehmer fahren. Zudem muss man in der Mitte beim Überholen die Spur nicht wechseln und kann sein eigenes Tempo fahren», erklärt Lorenz Imbach von Imbach Verkehrstherapie in Luzern.

Tatsächlich ist auch das Sicherheitsgefühl in der Mitte besonders ausgeprägt. Unsichere Lenker fühlen sich sicherer, wenn sie auf beiden Seiten leere Spuren haben. Auch der grössere Abstand zu Leitschienen oder Betonwänden spielt eine Rolle. Manche Autofahrer wiederum bemerken gar nicht, dass sie grundlos auf der mittleren Fahrspur unterwegs sind.

Wir haben unseren Redaktor Eloy auf die Strassen Zürichs geschickt, um herauszufinden, mit wie viel Abstand ihn Autofahrer überholen. (Video: P. Stirnemann/E. van der Sman)

Kein typischer Fahrer

Eine Rolle spielt auch das Nichtwissen. «Viele Fahrer glauben, dass die rechte Spur exklusiv Lastwagen und Transportern vorbehalten sei und dass sie in der Mitte korrekt fahren», sagt Imbach. Auch die vermeintlich schlechtere Fahrbahnqualität rechts dient oft als Begründung, weshalb Fahrer lieber in der Mitte fahren.

Genauso unterschiedlich wie die Gründe sind auch die Benutzer der mittleren Fahrspur. Die Anziehungskraft der Mitte zieht sich quer durch alle Fahrergruppen hindurch. «Den typischen Mittelspurfahrer gibt es nicht», sagt Imbach. Kontrolliert und bestraft werden Mittelspurfahrer aber nur selten. Der Aufwand wäre zu gross. Delikte wie Alkohol, Rasen oder Drängeln sind akuter. Allerdings gibt es Verkehrsteilnehmer, die sich provoziert fühlen und das durch Drängeln oder Schneiden signalisieren. Auch kommt es durch Rechtsüberholen als Folge von Mittelspurklebern immer wieder zu gefährlichen Situationen.

Rechtlich eindeutig

So ärgerlich Mittelspurfahren sein mag – rechtlich gesehen ist die Situation klar. In der Schweiz gilt das sogenannte Rechtsfahrgebot. Artikel 8 Abs. 1 des VRV besagt: Auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen in gleicher Richtung ist der äusserste Streifen rechts zu benützen. Dies gilt nicht beim Überholen, Einspuren, Fahren in parallelen Kolonnen sowie innerorts. «Das heisst nichts anderes, als dass auf den Autobahnen immer auf der rechten Spur gefahren und auf der linken Spur überholt werden sollte. Deshalb heisst die linke Spur auch Überholspur», so Rechtsexpertin Olivia Solari vom AGVS.

Dass der rechte Streifen bei drei Spuren Lastwagen vorbehalten ist, sei «ein gängiger Irrglaube», sagt Solari. Rechtsüberholen sei aber bis auf wenige Ausnahmen verboten. Und auch wenn Rechtsvorbeifahren bald erlaubt ist, bleibt Rechtsüberholen eine grobe Verkehrsverletzung, die laut Solari «schwer geahndet» wird.

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