Diese Eltern leben offene Beziehungen

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PolyamorieDiese Eltern leben offene Beziehungen

Offene Beziehungen werden eher von jungen Paaren gelebt. Doch was passiert, wenn sich Eltern für diese Beziehungsform entscheiden? Vier Frauen erzählen.

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«Der Sex mit anderen Partnern hat unsere Ehe gerettet», sagt Stefanie (38) zum Elternmagazin «Fritz & Fränzi». Sie und ihr Partner sind von ihrem Beziehungskonzept überzeugt. «Für unseren achtjährigen Sohn ist unser Beziehungsleben normal. Papa und Mama haben einfach noch andere Freunde und Freundinnen.»

Vielen gilt eine offene Beziehung aber als zu kompliziert und verletzend. «Sie kommen weit weniger vor, als man denkt», so die Psychotherapeutin Judith Herren-Häcki. Paare würden sich eher dazu entscheiden ihre Sexualität exklusiv zu leben. «Ein Paar muss sich auf jeden Fall bewusst sein, dass die Öffnung der Beziehung ein grosses Wagnis darstellt. Für einige kann dieses Arrangement über eine gewisse Zeit hinweg aber stimmen.» Das ganze Interview mit Frau Herren-Häcki finden sie hier.

Vier Leserinnen, die in offenen Beziehungen leben, haben uns von ihren Erfahrungen erzählt.

«Mein Mann und ich führen seit Beginn eine offene Beziehung. Wir sind seit neun Jahren verheiratet und haben zwei Kinder», sagt Natalie*. Sie seien jung zusammengekommen und ihr Mann habe gewisse Freiheiten beibehalten wollen. Treue sei in den meisten Beziehungen eine Illusion: «Mit einer offenen, ehrlichen Beziehung macht man sich gegenseitig nichts vor.» Nach fünf Jahren Ehe habe es sie auch gepackt: «Sex ist viel zu schön, um dies jahrelang ausschliesslich nur mit einem Partner zu geniessen.» Ihr Mann akzeptiere ihre Bekanntschaften, habe aber etwas mehr Mühe als sie. Sie ist überzeugt, dass ihre offene Beziehung ihnen helfe, so lange glücklich zusammen zu bleiben. «Bei uns gibt es keine Lügen und kein Misstrauen. Das Streitpotential ist viel kleiner.»

«Unsere Kinder sind inzwischen sechs und acht Jahre alt, wissen aber nicht, dass wir nicht exklusiv sind», sagt Natalie. Das liege auch daran, dass sie nichts davon mitbekommen hätten. «Papi ist dann halt einfach mit Freunden übers Wochenenden am Openair. Sie wissen, dass jeder eigenständig ist und seinen Freiraum hat.» Beide Kinder hätten diesbezüglich noch nie nachgefragt, sagt Natalie. «Sobald sie aber zu fragen beginnen, werden wir offen und ehrlich mit ihnen reden.»

«Mein Ehemann und ich sind seit einigen Jahren ein Paar und wir führen seit Kurzem eine offene Beziehung. Wir testen bis Ende dieses Jahres, ob das Konzept langfristig für uns passt», sagt Angelina*. Seit einigen Monaten sind sie Eltern. «Ich hatte vorher eine Beziehung, mein Mann aber nicht. Deshalb schlug ich ihm vor, unsere Beziehung zu öffnen», sagt Angelina. Sie habe damit vorbeugen wollen, dass ihr Partner und sie irgendwann das Gefühl bekämen, dass sie sich nicht genügend ausgelebt hätten. Angelina und ihr Partner haben klare Regeln vereinbart: «Die Familie geht immer vor, wir schützen uns gesundheitlich, wir reden offen über die Treffen, wissen immer, wann und wo die andere Person sich aufhält, und sprechen über unsere Gefühle.» Das Vertrauen verstärke sich durch die offene Kommunikation zunehmend, so Angelina.

«Wir schützen unser Kind bewusst. So finden keine Treffen bei uns zu Hause statt und wir zeigen auf Dates auch keine Familienfotos.» Sollten sie ihre Beziehung so weiterführen, werde ihrem Kind nichts vorgemacht. «Mami und Papi lieben sich, treffen sich aber auch mit anderen Freunden oder Freundinnen.»

«Nachdem ich mein Leben lang die Erfahrung machen musste, dass ich es mit der monogamen Beziehung nicht auf die Reihe bekomme, entschied ich mich, meine Bedürfnisse zu akzeptieren», sagt Lara*. So habe sie sich, als sie vor sieben Jahren ihren heutigen Ehemann kennengelernt habe, entschieden, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen.

«Selbstverständlich gelten für uns beide die gleichen Regeln.» Unsicherheiten könnten immer wieder auf beiden Seiten aufkommen, sagt Lara. «Lebt man eine offene Beziehung, ist man immer wieder mit der eigenen Eifersucht und seinen Ängsten konfrontiert.» Seitensprünge seien in ihrem Freundeskreis immer wieder Thema. «Ich bin froh, dass mein Partner und ich einen ehrlichen Umgang mit unserer Sexualität gefunden haben.» Das liege eindeutig an ihrer Kommunikationskultur. Ihr Beziehungsmodell sei nicht das einfachste, aber die Tiefe ihrer Beziehung bestärke sie darin, dass dieser Weg für sie der richtige sei. «Mein Mann kann und muss nicht alle meine sexuellen Bedürfnisse erfüllen. So kann ich mit einer mir weniger vertrauten Person eine Sexualität leben, die ich aufgrund der tiefen Beziehung mit meinem Mann nicht leben kann.»

Vor mehr als einem Jahr kam das gemeinsame Kind zur Welt: «Wir wollen ihm zeigen, dass es egal ist, welche Beziehungsform es einmal wählt.» Der soziale Druck, eine normale Familie zu sein, sei aber sehr gross. «Mir ist deshalb bewusst, dass wir unser Kind automatisch mit demselben Druck belasten werden, wenn wir es ihm erzählen», so Lara. Sie glaube, dass sie aufgrund ihrer Überzeugungen und Werte nicht darum herumkommen werden, ihrem Kind diesen Druck einmal zumuten zu müssen.

«Mein Mann und ich sind seit 20 Jahren verheiratet. Vor vier Jahren haben wir aber gemerkt, dass wir uns nicht mehr lieben», sagt Sina*. Anstelle sich scheiden zu lassen, hätten sie sich dazu entschieden, gemeinsam mit den Kindern in der Wohnung zu bleiben. «Wir haben jetzt eine richtig coole WG. Mein Mann und ich haben private Zimmer und jeder geniesst seine Freiheiten, gleichzeitig aber auch das Familienleben», sagt Sina.

Dieses Konzept bedürfe guter Organisation und Kommunikation. «Letzte Woche nahm ich mir zwei Tage frei und fuhr mit meinem neuen Partner fort. Mein Mann übernahm und ich wusste, dass zu Hause alles funktionierte», sagt Sina. Genau anders herum laufe es, wenn ihr Mann und seine Partnerin gemeinsam etwas unternehmen würden. «Jeder geniesse so seine Freiheiten.» Inzwischen kennen sich auch die Kinder und die Partner. Dennoch müssten immer alle ihr Einverständnis geben, wenn einer der Partner auf Besuch komme.

«Meine Kinder sind inzwischen siebzehn und vierzehn Jahre alt. Der Bub hat die neue Situation damals sofort positiv aufgenommen, das Mädchen hatte zu Beginn doch einige Ängste», sagt Sina. Mit offenen Gesprächen hätten diese jedoch überwunden werden können. Inzwischen stünden alle hinter der etwas unkonventionellen Familiensituation.

*Namen der Redaktion bekannt

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