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Sibylle Berg

Globale Ressourcen Das sinkende Schiff

Müllberge wachsen, Tiere sterben aus, das Klima verändert sich - und einige wenige sind damit reich geworden. So kann es nicht weitergehen. Doch die Menschen werden nur hysterisch.

Für Zeiten wie diese wurde der Begriff Massenhysterie erfunden - die Leutchen rennen auf die eine Seite des sinkenden Schiffs. Gar keine gute Idee.

Dabei hätte fast allen, die sich gerade auf der Erde aufhalten, und denen es möglich ist, Konsumentscheidungen zu treffen, die über die Wahl der täglichen Nahrung hinausgehen, klar sein müssen, dass es nicht ewig so weitergehen kann. Nicht mit zwei Autos, die ständig erneuert werden müssen, zehntausend Tonnen Billigklamotten, drei Mal am Tag Tiere essen, Hauptsache sie bewegen sich noch. Permanent irgendwohin fliegen, billig, Hauptsache billig. Und Kohle abbauen, heizen, und essen und kaufen und ich bin nicht besser.

Sicher bin ich nicht besser. Hilft aber auch nichts. Nicht besser zu sein, eines von allen, die in der Bequemlichkeit zementiert sind, mit der die Weltbevölkerung zugesehen hat, wie das Klima sich verändert, die Müllberge wuchsen, die Eisberge nicht. Mit der alle Gedanken an: Was ist eigentlich, wenn das Öl mal alle und alle Tiere weg sind, verdrängt haben. Mit der alle verdrängt haben, dass es nicht gut gehen kann, wenn ein paar Staaten sich aus ökonomischen Interessen in die Weltpolitik einmischen, Terrortruppen und Warlords stützen, Regierungschefs stürzen, Länder aufteilen, zuteilen, Kriege um strategisch propper gelegene Häfen und Pipelines inszenieren, sie unter dem Begriff "Krieg gegen den Terror" laufen lassen.

Die Rüstungsindustrie ist ja auch wer. All die Arbeitsplätze. In den westlichen Ländern, damit Menschen in den südlichen Ländern sich die Rübe wegblasen. All dieser Wahnsinn, an dem alle irgendwie mit Schuld sind, der einige obszön reich und mächtig gemacht hat, der aber für die Nichtreichen auch okay war - also in der sogenannten ersten Welt und den Schwellenländern. Die Bildung, die Lebenserwartung, Sie wissen schon.

Und nun.

Ist vielleicht ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weiter nach oben geht, sondern abwärts. Eine Minizäsur in der Weltgeschichte. Die gerne nach unser aller Ableben hätte stattfinden können. So, und nun? Mülltrennen? Autos verschrotten. Das bringt doch nichts, das ist doch zu spät, also - Panik. Mein Recht auf dreimal Fleisch ist in Frage gestellt. Die Vormacht des Westens, das sorglose sitzen und grillen und Feste feiern - in Frage gestellt.

Auch wenn ein großer Tisch voller weißer-erste-Welt-Politiker sich nicht dafür entschieden haben, einem Kontinent seine Bodenschätze zurückzugeben, ihren Müll nicht mehr auf diesem Kontinent zu entsorgen, oder ihre Waffen nicht mehr in Bürgerkriegsgegenden zu liefern. Sondern eine Festung zu errichten, gegen das Elend, das sie mit verantworten. Wird es die Sache nicht retten.

Hektisch rennen alle weiter auf die eine Seite des sinkenden Schiffs. Statt sich zu fragen - wie kann es in einer globalisierten Welt eine gewisse Gerechtigkeit geben, wie kann man Probleme, die alle Menschen betreffen, zusammen lösen?

Kein vernünftiger Plan. Nirgends. Also erst mal weiter wie bisher. Fleisch, Abgrenzung, Aufrüstung, Feindbestimmung, Standortbestimmung,

Danach ist dann vielleicht die Erde so ruiniert, der Westen überholt, dass das Ende der Bequemlichkeit keine Frage der Entscheidung mehr ist. Und dann können neue Ideen entstehen, fern von kleiner mutloser Länderpolitik. Fernab kleiner neoliberaler Pseudofaschisten. Und endlich vereint in dem Gefühl, das wir alle gleich sind, in unserer Angst vor dem Untergang.