Zum Inhalt springen

Weltraumschrott nach Satellitenabschuss Wenn Tausende Trümmer durchs All rasen

Indien hat unter dem Codenamen "Mission Shakti" einen Militärsatelliten abgeschossen und in Weltraummüll verwandelt. Wie groß ist die Gefahr, dass die vielen Schrotteile den Erdorbit verschmutzen?
Verteilung einer typischen Fragmentwolke kurze Zeit nach dem Abschuss eines Satelliten

Verteilung einer typischen Fragmentwolke kurze Zeit nach dem Abschuss eines Satelliten

Foto: ESA

So klingt jemand, der richtig sauer ist. Wer einen Satelliten abschieße, nur um zu beweisen, dass er eine Weltraummacht sei, der sei genau das eben nicht, twitterte der deutsche Esa-Astronaut Matthias Maurer in der vergangenen Woche. "Keine verantwortungsvolle Weltraummacht trägt dazu bei, freiwillig Weltraumschrott zu erzeugen."

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von X.com, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der Grund für Maurers Wutausbruch war eine militärische Machtdemonstration unter dem Codenamen "Mission Shakti". Indien hatte am vergangenen Mittwoch mit einer dreistufigen Abfangrakete des Typs PDV Mk II einen eigenen Militärsatelliten abgeschossen. Wobei "abgeschossen" eigentlich nicht ganz das richtige Wort ist, "pulverisiert" trifft es eher.

Ein Satellit, der von so einer Rakete mit einer Geschwindigkeit von mehreren Kilometern in der Sekunde getroffen wird, fällt nicht zur Erde wie eine tote Taube. Er zerplatzt eher wie eine überreife Tomate, die man mit großer Wucht auf den Fußboden knallt. Und jedes einzelne Fragment kann im Prinzip zur Gefahr für andere Satelliten oder gar die Besatzung der Internationalen Raumstation werden. Das erklärt auch die Reaktion von Esa-Mann Maurer.

Kollisionsrisiko für einige Satelliten erhöht

Mittlerweile können Experten die Folgen des Waffentests gut abschätzen - und geben zumindest vorsichtig Entwarnung. Grund dafür ist die vergleichsweise geringe Flughöhe des abgeschossenen indischen Satelliten. Er wurde in etwa 280 Kilometer Höhe von der Rakete getroffen, dort existieren noch immer Gasmoleküle der äußeren Erdatmosphäre. Und die bremsen den Schrott ab. Anschließend stürzen die Trümmer dann zur Erde zurück - und verglühen komplett in den dichteren Schichten der Atmosphäre.

Foto: ESA

"Wir gehen davon aus, dass zunächst mehr als 400 Fragmente von einer Größe von zehn Zentimetern und mehr entstanden sind", sagt Holger Krag, der bei der Esa die Abteilung für Weltraumschrott leitet. "Viele von denen werden relativ schnell absteigen." Bereits am Montag seien nur noch etwa hundert der größeren Partikel im Orbit unterwegs gewesen. Allerdings wurde ein Teil von ihnen auch auf höhere Umlaufbahnen beschleunigt. Dadurch sei zum Beispiel das Kollisionsrisiko für niedrig fliegende Satelliten wie den Windmesser "Aeolus" zumindest um den Faktor drei erhöht worden.

Ob etwa die in etwa 400 Kilometer Höhe fliegende Internationale Raumstation Ausweichmanöver fliegen muss, um mögliche Kollisionen zu vermeiden, wird in den Kontrollzentren in Houston und der Nähe von Moskau entschieden. Aktuell gibt es darauf zumindest keine Hinweise.

Die Europäer verlassen sich für ihre Lageeinschätzung vor allem auf Radarmessungen des Space Surveillance Systems der US Air Force. Da die Amerikaner die Daten auf freiwilliger Basis und nicht zwangsweise immer vollständig herausgeben, arbeitet Europa seit Jahren daran, eine eigene Überwachungslösung aufzubauen. Aus Kostengründen kommen dabei allerdings zumeist bereits existierende Teleskope zum Einsatz. Sie reichen einstweilen nicht aus, um ohne die US-Informationen auszukommen.

Bei der Esa befasst man sich daher unter anderem mit Software. Nach einer aktuellen Modellrechnung sind bei dem Abschuss des indischen Satelliten neben den größeren Schrotteilen auch 20.000 kleinere Stücke von einem Zentimeter oder mehr entstanden. Aktuell seien davon etwa noch 7000 übrig. "Das ist nicht toll. Aber aus unserer Sicht ist die Sache noch recht moderat abgelaufen", so Krag. Zur Einordnung: Die Gesamtzahl der Trümmerteile dieser Größe im Erdorbit liegt bei etwa 750.000.

Quellen für Weltraummüll gibt es viele: ausgebrannte Raketenstufen, kaputte Satelliten, Kollisionen im All - und den Einsatz von Waffen: So war die Zahl der orbitalen Trümmer im Januar 2007 massiv gestiegen. Damals hatte China mit einer Rakete den defekten Wettersatelliten "Fengyun-1C" aus dem All geschossen - und mindestens 40.000 neue Partikel kreiert, die größer als ein Zentimeter waren. Weil der Satellit in rund 850 Kilometer Höhe unterwegs war, haben diese eine deutlich längere Lebensdauer als die des aktuellen indischen Tests.

Technik auch gegen Interkontinentalraketen nutzbar

Indien ist nach den USA, Russland und China der vierte Staat weltweit, der eine Anti-Satellitenwaffe eingesetzt hat. Sie ist laut Militärexperten nicht nur nutzbar, um Weltraumtechnik gezielt auszuschalten - zum Beispiel könnten in einem Konflikt gegnerische Aufklärungs- oder Kommunikationssatelliten vom Himmel geholt werden. Genauso ließen sich aber auch anfliegende Interkontinentalraketen abschießen.

Editorial use only. HANDOUT /NO SALESMandatory Credit: Photo by SPACE RESEARCH ORGANIZATION HANDOUT/EPA-EFE/REX (10176635c)A handout photo made available by Indian Space Research Organization (ISRO) and Defense Research and Development Organization (DRDO) shows the launching of Ballistic Missile Defense (BMD) Interceptor missile by DRDO during an an Anti-Satellite (A-SAT) missile test Mission Shakti from the A P J Abdul Kalam Island in Odisha, India, 27 March 2019. Prime Minister Narendra Modi earlier announced that Indian scientists conducted Mission Shakti, an anti-satellite missile test that shot down a live satellite at a low-earth orbit. India has entered its name as an elite space power after Indian Space Research Organisation (ISRO) scientists, using an indigenously built anti-satellite missile, successfully shot down a satellite operating in lower orbit.India shoots down satellite, Odisha - 27 Mar 2019

Editorial use only. HANDOUT /NO SALESMandatory Credit: Photo by SPACE RESEARCH ORGANIZATION HANDOUT/EPA-EFE/REX (10176635c)A handout photo made available by Indian Space Research Organization (ISRO) and Defense Research and Development Organization (DRDO) shows the launching of Ballistic Missile Defense (BMD) Interceptor missile by DRDO during an an Anti-Satellite (A-SAT) missile test Mission Shakti from the A P J Abdul Kalam Island in Odisha, India, 27 March 2019. Prime Minister Narendra Modi earlier announced that Indian scientists conducted Mission Shakti, an anti-satellite missile test that shot down a live satellite at a low-earth orbit. India has entered its name as an elite space power after Indian Space Research Organisation (ISRO) scientists, using an indigenously built anti-satellite missile, successfully shot down a satellite operating in lower orbit.India shoots down satellite, Odisha - 27 Mar 2019

Foto:

SPACE RESEARCH ORGANIZATION HANDOUT / EPA-EFE / REX

Die "Mission Shakti" gilt auch als politisches Signal an Pakistan und China - und als innenpolitische Machtdemonstration von Premier Narendra Modi nur zwei Wochen vor dem Start der Parlamentswahl. Der Regierungschef ließ es sich auch nicht nehmen, den Abschuss per Fernsehansprache zu verkünden.

Bislang ist offiziell nicht klar, welcher Satellit da eigentlich ausgeschaltet wurde. Weil aber bekannt ist, wann genau die Abfangrakete vom Startplatz Abdul Kalam Island vor der Küste des Bundesstaat Odisha abhob und in welcher Höhe sie drei Minuten später ihr Ziel traf, gehen Fachleute davon aus, dass es sich um den kleinen "Microsat-R" handelt. Er war erst Ende Januar gestartet worden.

Am Projekt beteiligte indische Offizielle erklärten, die Abfangtechnik funktioniere auch in größerem Abstand zu Erde, konkret in bis zu 1000 Kilometern Höhe. Man habe den Abschuss aber absichtlich in einem niedrigen Orbit getestet, damit die Trümmer schnell zur Erde zurückfallen. Mit anderen Worten: Es hätte alles deutlich schlimmer kommen können.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.