Schweizer und Secondos bleiben unter sich

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BeziehungsmusterSchweizer und Secondos bleiben unter sich

Unter 40-Jährige sind gegenüber Vielfalt so offen wie nie. Ihre Partner suchen sie aber immer öfter im gleichen Kulturkreis.

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Wenn unter 40-Jährige gefragt werden, ob sie gegenüber anderen Kulturen aufgeschlossen seien, sagen fast alle Ja. Die entsprechenden Werte liegen bei allen Gruppen – Ausländern und Schweizern mit und ohne Migrationshintergrund – bei 70 Prozent und mehr. Das zeigen Zahlen des Bundes. Doch im Beziehungsleben zeigt sich genau das Gegenteil.

Das zeigt auch der «Club» des Schweizer Fernsehens vom Dienstag mit einer Sekundarschule aus Klingnau AG. «Ein Schweizer Ehemann würde nicht in Frage kommen», sagte dort eine kosovarische Schülerin. «Wir sind halt so aufgewachsen, und mir gefällt das auch.» Eine andere Schülerin pflichtete ihr bei. Es sei ihr wichtig, einen Mann aus demselben Kulturkreis zu haben: «Wir haben dieselbe Sprache und können uns so verständigen.»

Affinität zu Personen gleicher Herkunft

In Daten des Bundes zeigt sich ein Trend: Immer weniger der neu geschlossenen Ehen sind zwischen Partnern mit verschiedenen Nationalitäten. Im Jahr 2018 war etwas mehr als jede zweite neue Ehe bei 20- bis 24-Jährigen gemischtnational, bei den 25- bis 29-Jährigen jede dritte. Im Vergleich zum Jahr 2011 gingen die Anteile insbesondere bei den in den Schweiz geborenen Ausländern stark zurück. Sie heiraten immer noch deutlich häufiger als andere Gruppen einen Partner einer anderen Nationalität, aber der Anteil sank deutlich.

Dirk Baier, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) forscht, hat in einer Befragung untersucht, ob und wieso Jugendliche unter sich bleiben wollen. Dabei hat er grosse Unterschiede festgestellt. «Grundsätzlich haben alle Menschen eine Affinität zu Personen gleicher Herkunft», sagt er. «In Beziehungsfragen gilt: Gleich und gleich gesellt sich gern.» Die jüngeren Generationen seien zwar so tolerant wie keine zuvor, doch diese Offenheit ende bei der Paarfindung und der Heirat (siehe unten).

Gruppen, die stärker unter sich bleiben möchten

Allerdings: Während sich einige Gruppen stärker abkapseln, sind bei anderen Beziehungen über kulturelle Grenzen hinweg häufiger. Um die Unterschiede festzustellen, haben Baier und sein Team die sogenannte Segregationswahrnehmung untersucht. Die Jugendlichen wurden gefragt, ob sie der Meinung seien, Leute ihrer Nationalität sollten nur unter sich heiraten und Leute ihrer Nationalität sollten stärker unter sich bleiben. Eine hohe Zustimmung zu beiden Fragen wurde als Zustimmung zur Segregation, also dem Unter-sich-Bleiben, interpretiert.

Insgesamt teilten 11 Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund diese Einstellung. Deutlich offener sind hingegen Jugendliche aus Österreich, Portugal, Deutschland, Frankreich, Spanien, Brasilien und Italien. Eine stärkere Abkapselung beobachteten die Forscher wiederum bei Kroaten, Türken, Serben, Bosniern und Sri Lankern. Bei den mazedonischen und kosovarischen Jugendlichen gehört gemäss der Studie gar ein Drittel zur Gruppe, die unter sich bleiben will.

Nicht alle Betroffenen sehen das so. Aline H. ist Schweizerin und seit vier Jahren mit ihrem kosovarischen Freund zusammen. Natürlich gebe es immer wieder Unterschiede, sagt sie. «Aber genau das kann interessant sein und die Augen für Neues öffnen.»

«Bei Beziehungen hat die Offenheit Grenzen»

Herr Baier, welche Rolle spielen Kulturunterschiede heute?

Heutige Generationen sind gegenüber anderen so offen wie keine zuvor. Bei der Paarfindung und Heirat hat die Offenheit aber ihre Grenzen. Hier bewegen sich viele lieber in vertrauten Kreisen.

Warum ist das so?

Wir alle haben eine Affinität für Personen gleicher Herkunft. Gleich und Gleich gesellt sich bei der Paarfindung gern, Gegensätze ziehen sich nicht automatisch an. Eine Beziehung ist ein grosser Schritt und für das weitere Leben relevant.

Ist das eine Art Naturgesetz?

Nein. Wir haben in unserer Befragung gesehen: Wer generell besser mit Personen aus anderen Gruppen klarkommt, der geht auch eher eine Beziehung über kulturelle Grenzen hinweg ein. Es gibt Gruppen, die sich eher abkapseln als andere.

Welche sind das?

Vor allem Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien kapseln sich stärker ab. In einigen Kulturen sind Beziehungen nicht nur Privatsache, sondern auch eine Sache der Familie, die mitentscheidet. Dann wird eher an traditionellen, konservativen Entscheidungen festgehalten.

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