«Meine Töchter lassen sich Kopftuch nicht verbieten»

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Muslimische Mutter«Meine Töchter lassen sich Kopftuch nicht verbieten»

Die Töchter von A. A. tragen seit der Primarschule ein Kopftuch. Die Mutter erzählt, wieso sich die Mädchen dazu entschieden haben und gegen welche Vorurteile sie ankämpfen müssen.

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Frau A. A.*, Ihre Töchter, bald 10 und 13 Jahre alt, tragen ein Kopftuch – wieso?

Ich trage zwar als gläubige Muslimin auch ein Kopftuch, aber weder mein Mann noch ich haben unsere Mädchen dazu gezwungen. Im Gegenteil: Beide begannen noch vor der ersten Klasse zwischendurch ein Kopftuch zu tragen, etwa wenn sie auf den Spielplatz gingen. Ich sagte zu meiner jüngeren Tochter, dass sie noch ein wenig warten könne. Die Mädchen bestanden aber beide auf ein Kopftuch und tragen es seit ihrem 10. Lebensjahr jeden Tag. Das war einzig und allein die Entscheidung der Mädchen. Es gehört für sie zum «Hübschmachen» dazu.

Warum wollten Sie selber denn ein Kopftuch tragen?

Der Hijab, also das Kopftuch, ist laut Koran und der Sunna Pflicht für die Muslimin. Ich bin fest davon überzeugt, dass uns Menschen nur Gutes geboten und Schlechtes verboten wurde, zum Wohle der ganzen Gesellschaft. Ich fühlte mich unwohl dabei, der Mode nachzurennen und nur nach dem Äusseren bewertet zu werden. Leider versuchen die Menschen oft gar nicht zu sehen, wer denn als Mensch hinter der Kopfbedeckung steckt. Heute bin ich sehr glücklich, ziehe zu Hause immer noch alles an, was mir gefällt. Ohne Kopftuch würde ich mein Haus aber nie mehr verlassen. Ich trage es aus Liebe zu Allah.

Wieso fanden Sie, dass Ihre 7-Jährige zu jung sei für ein Kopftuch?

Wenn du ein Kopftuch trägst, dann musst du mit vielen negativen Reaktionen rechnen. Gerade in den letzten Jahren nach den verschiedenen Terroranschlägen häuften sich die bösen Blicke auf der Strasse. Teils kam es sogar zu heftigen verbalen Attacken. Davor wollte ich meine Tochter schützen. Eine 7-Jährige kann dieses feindselige Verhalten nicht verstehen. Ich hingegen kann die Angst der Leute insofern begreifen, weil ich weiss, dass viele Menschen sich über den Islam nur durch die Medien informieren, ohne uns wirklich zu kennen. Aber unsere Kopftücher haben absolut nichts mit Terrorismus zu tun.

Welche Reaktionen erhielten Sie aus dem näheren Umfeld der Töchter?

Hauptsächlich positive, die Lehrpersonen reagierten allesamt sehr aufgeschlossen. Als meine ältere Tochter ab der 3. Klasse mit Kopftuch zur Schule ging, erhielt sie Zuspruch von ihrem Lehrer. Er hatte bemerkt, wie selbstbewusst die Kleine ist und dass sie das Kopftuch aus voller eigener Überzeugung trägt. Schliesslich drängte meine Grosse mich, noch vor Ende der Sommerferien, bei der Schulleitung nachzufragen, ob es in Ordnung sei, wenn sie den Schwimmunterricht zukünftig im Burkini besuche. Auch das war kein Problem.

Gab es Kinder, die sich wegen des Kopftuchs von ihren Töchtern abgewendet haben?

Ich glaube nicht, dass sie wegen der Kopftücher Freundinnen verloren haben. Meine Töchter haben beide einen grossen Freundeskreis. Es gab aber immer wieder die Situation, dass vereinzelte Buben das Kopftuch herunterrissen. Ab und zu bekamen sie die typischen Kommentare und Fragen zu hören. Etwa: «Schläfst du mit dem Kopftuch und nimmst du es unter die Dusche?»

Gemäss Kritikern steht die Bedeckung des weiblichen Kopfs für geschlechterspezifische Diskriminierung. Stört es Sie nicht, dass nur Frauen oder Mädchen Kopftücher tragen?

Meine Töchter haben dieselben Rechte wie meine Söhne, auch sie gehen abends mit ihnen zum Sportmachen raus. Diskriminiert werden die Frauen und Mädchen mit Kopftüchern nicht vom muslimischen Mann. Aber von unserer Gesellschaft. Zum Beispiel, wenn ich eine Stelle, der ich eigentlich entspreche, wegen des Kopftuchs nicht erhalte. Oder wenn mir jemand auf der Strasse mit Vorurteilen begegnet.

Saïda Keller-Messahli vom Forum für einen fortschrittlichen Islam bezeichnete das Tragen von Kopftüchern bei kleinen Mädchen kürzlich als «Form von Kindesmissbrauch». Was sagen Sie dazu?

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb Frau Keller-Messahli immer wieder zitiert wird. In ihr erkenne ich keine Muslimin, die ihre Religion wirklich liebt und praktiziert. Ich weiss nicht, weshalb sie tut, was sie tut. Eigentlich sollte man doch einfach einmal die betroffenen Mädchen fragen, ob sie mit Frau Keller-Messahli einverstanden sind.

In Österreich hat der Ministerrat ein Kopftuchverbot für Kindergärten erlassen. Was würde es für ihre Familie bedeuten, wenn ein Kopftuchverbot in die Schweiz käme?

Im Kindergarten trugen meine Mädchen das Kopftuch ab und zu, einfach wenn sie Lust dazu hatten. Käme es aber irgendwann zu einem Kopftuchverbot in der Schule, könnte es sein, dass meine Töchter da nicht mehr hingehen möchten. Die ältere Tochter sagte zu mir, dass ihr niemand das Kopftuch verbieten könne. Ich würde sie unterstützen und müsste sie folglich zu Hause selber unterrichten und ihnen Nachhilfe zahlen für die Fächer, die ich nicht unterrichten kann. Für meine Töchter ist es ein essenzielles Recht, dass sie ihr Kopftuch an- und ausziehen können, wann sie möchten. Es ist Teil ihres Glaubens, und dieser sollte respektiert werden.

Wieso haben Sie sich dazu entschieden, sich unseren Fragen zu stellen?

Weil die Berichterstattung diesbezüglich häufig negativ ist. Ich möchte am Beispiel von meinen Töchtern und mir zeigen, dass ein Kopftuch freiwillig getragen wird und die Mädchen dahinter ebenso begabt und selbstbewusst sind wie alle anderen. Ich persönlich kenne kein einziges Mädchen, das gezwungen wird, ein Kopftuch zu tragen. Zwang bringt nur Revolte, und nun möchte man die Mädchen zwingen, es auszuziehen? Weiter möchte ich erwähnen: Ein Kopftuch ist kein politisches Statement. Es ist das Befolgen von Regeln, was schliesslich der ganzen Gesellschaft etwas bringt – auch wenn das nicht alle gleich sehen. Auf jeden Fall schaden wir mit dem Kopftuch niemandem.

*Name der Redaktion bekannt

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