Erektionspillen kosten in der Schweiz viermal so viel

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15 Prozent betroffenErektionspillen kosten in der Schweiz viermal so viel

Erektionsstörungen sind weit verbreitet. Doch Medikamente sind viermal so teuer wie etwa in Deutschland. Die Hersteller sagen: Das System funktioniert.

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Jeder sechste Mann leidet an Erektionsstörungen. Bei den 18- bis 34-Jährigen geben in der grossen Sexumfrage von 20 Minuten (siehe Box) vier Prozent der Befragten an, darunter zu leiden. Mehr als jeder dritte Betroffene in dieser Altersgruppe leidet darunter, dass der Penis beim Sex nicht steif genug wird. Bei älteren Befragten steigt dieser Anteil deutlich an.

Medikamente wie Viagra mit dem Wirkstoff Sildenafil oder neuere Medikamente wie Cialis, die auf dem Wirkstoff Tadalafil beruhen, schaffen Abhilfe. Doch sie gelten als «Lifestyle-Medikamente» und werden von den Krankenkassen nicht vergütet. Betroffene müssen sie selber bezahlen. Das kann teuer werden.

«Schockierendes Beispiel»

Zwar sind in der Schweiz seit diesem Jahr mehrere Cialis-Generika auf dem Markt. Die günstigsten Generika kosten bei Versandapotheken umgerechnet 9.10 Franken pro 20-Milligramm-Tablette. In Deutschland sind die günstigsten Generika für umgerechnet etwas mehr als zwei Franken pro Tablette erhältlich. Derselbe Wirkstoff kostet damit in der Schweiz mindestens viermal so viel.

Dieser hohe Preisunterschied sei unverständlich, sagt Matthias Müller von Santésuisse, dem Verband der Krankenkassen. «Das ist ein Beispiel für einen besonders hohen Preisunterschied.» Generika seien hierzulande durchschnittlich doppelt so teuer wie im Ausland, in Einzelfällen könne es noch einmal deutlich mehr sein.

Kassen wollen Änderung

«Die Margen bei Medikamenten sind zu hoch – bei kassenpflichtigen Medikamenten geht das zu Lasten der Prämienzahler», sagt Müller. Das sehe man schon daran, dass es gerade in den Städten sehr viele Apotheken gebe. «Die Vertriebsmargen sind zu hoch. Auch das geht zu Lasten der Prämienzahler.»

Santésuisse halte es für verständlich, wenn sich Betroffene die Medikamente im Ausland besorgten. «Wenn es sich um kassenpflichtige Medikamente handelt, würden die Versicherer das eigentlich gerne vergüten.» Das Gesetz verbiete allerdings aktuell diese Möglichkeit. «Wir setzen uns dafür ein, dass direkt aus dem Ausland importierte Medikamente von den Krankenversicherern vergütet werden dürfen.»

«Viele Schweizer Löhne»

Beim Bundesamt für Gesundheit heisst es, bei den hohen Preisen der Erektionsförderer könne man nichts tun. «Das sind keine kassenpflichtigen Medikamente, die auf der Spezialitätenliste des Bundes stehen», sagt ein BAG-Sprecher. «Hier spielt der Markt.»

Axel Müller, der Geschäftsführer des Verbands Intergenerika, verteidigt die hohen Preise. Schliesslich könnten Generika nicht einfach importiert werden. «Sie müssen eigens bei Swissmedic zugelassen werden. Sie erhalten eine Schweizer Verpackung mit Beilage in drei Landessprachen. Das ist mit hohen Kosten verbunden», sagt er. «Bis ein Medikament zum Patienten gelangt, geht es durch viele Schweizer Hände mit Schweizer Löhnen.»

Nicht im Internet kaufen

Dass die Cialis-Generika viermal so teuer sind, liege daran, dass der Schweizer Markt im Vergleich zu Deutschland sehr klein sei. Die Stückkosten seien darum deutlich höher. Werde das Medikament nicht von der Krankenkasse vergütet, könne man es zwar im Ausland in einer Apotheke kaufen. Wichtig sei aber, das nicht im Internet zu tun: «Es sind viele Fälschungen im Handel.»

Der Intergenerika-Chef sagt, Generika seien erfolgreich und in der Schweiz bis zu 70 Prozent günstiger als Originalmedikamente. Dank ihnen könne jährlich eine Milliarde Franken eingespart werden. «Generika werden jedes Jahr günstiger», sagt Müller.

Gefährlicher Trend

Bei den Erektionsförderern allerdings zeichnet sich ein gefährlicher Trend ab. Letztes Jahr hat die Heilmittelbehörde Swissmedic 2851 Pakete mit Erektionsförderern sichergestellt, die illegal übers Internet bestellt wurden. Der Grossteil davon kam aus Indien, gefolgt von Osteuropa. Im Jahr zuvor waren es nicht einmal halb so viele gewesen.

Zwar sei der Anstieg auch in einem neuen, vereinfachten Verfahren begründet. Doch die Behörde warnt: Bei Tests über mehrere Wochen war beinahe die Hälfte der analysierten Erektionsförderer nutzlos oder gesundheitsschädlich. Einige Dosen waren mit anderen Wirkstoffen verunreinigt, andere so stark überdosiert, dass sie sogar zu einem Herzinfarkt führen könnten.

Diese Leser weichen ins Ausland aus

Viele Betroffene ärgern sich über die hohen Medikamenten-Preise. «Ich habe Tadalafil von meinem Urologen verschrieben bekommen», sagt P. aus Affoltern a.A. In der Schweiz koste eine Packung mit vier Stück 64 Franken. «In der deutschen Online-Apotheke, die mein Rezept akzeptiert, kriege ich für diesen Preis eine Packung mit 24 Stück. In der Schweiz bezahle ich den sechsfachen Preis. Das ist eine Sauerei.» Ähnlich sieht es S. aus Laufenburg. «Mein Mann muss wegen einer Krankheit viele Medikamente nehmen, die seine Potenz beeinträchtigen. Da wir in einem Alter sind, in den wir nicht auf Sex verzichten wollen, mussten wir diesen Schritt gehen.» Das Rezept bekämen sie vom Hausarzt, die Medikamente holten sie sich in einer Apotheke in Deutschland oder bei einer deutschen Online-Apotheke. «In der Schweiz kann man sich nicht einmal die Generika wirklich leisten», so S. Auch J. aus Kloten ZH löst sein Rezept bei Apotheken in Deutschland ein – «deutlich günstiger als in der Schweiz.» Online werde er aber nie bestellen: «Da weiss man nie genau, was drin steckt.»

Die Sexumfrage

22'659 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 25. und 26. Juli 2019 online an der grössten Sexumfrage der Schweiz teilgenommen. 20 Minuten hat die Umfrage in Zusammenarbeit mit LeeWas durchgeführt. Die Umfragedaten werden nach demografischen, geografischen und politischen Variablen modelliert. Der Fehlerbereich liegt bei 1,2 Prozentpunkten. Die Resultate werden laufend veröffentlicht.

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