Coop-Kunden bangen um Tierwohl

Publiziert

Reduzierung von NaturafarmCoop-Kunden bangen um Tierwohl

Der Detailhändler Coop will ein Label, das Tierwohl verspricht, aus dem Sortiment kippen. Das sorgt für rote Köpfe.

B. Zanni
von
B. Zanni

Konsumenten kochen vor Wut. «Vollidiote!» oder «Wie bitte? Was soll denn das, Coop?!», lauten empörte Kommentare auf Facebook. Ein User droht: «Wir sind sehr gute Coop-Kunden und werden die Konsequenzen ziehen und unsere Einkäufe künftig woanders tätigen.» Eine Userin stichelt: «Auch Coop schmückt sich nur mit Tierwohl, solange dabei Geld zu verdienen ist, und keine Sekunde länger.» Andere Konsumenten raten, Vegetarier zu werden oder das Fleisch direkt beim Bauern zu kaufen.

Auslöser für die Kritik ist, dass Coop ausgerechnet das Naturafarm-Programm ab 2019 stark reduzieren will. Ein Label, dessen Fleisch und Eier der Grossverteiler mit «Bestnoten» anpreist. Dank der tierfreundlichen Auslauf- und Freilandhaltung seien die Tiere gesund und kräftig. Die Tiere auf Naturafarm-Höfen könnten sich frei bewegen und nach draussen gehen, verspricht Coop auf seiner Website weiter. «Im Stall gibt es separate Bereiche, wo sie fressen, schlafen und spielen können.»

Laut dem Agrarportal Schweizer Bauer kündigte der Grossverteiler den Produzenten von Kälbern und Schweinen im Kanal Naturafarm CNf an, das Label bei den Kälbern bis Ende 2019 einzustellen. Bis dann soll zudem die Menge der CNf-Schweine um 30 Prozent reduziert werden. Coop begründet den Schritt mit dem sinkenden Kalb- und Schweinefleischkonsum. Ein weiterer Auslöser sei das grosse Labelfleisch-Angebot und eine sich schlechter als erwartet entwickelte Nachfrage. Ab 2020 setzt Coop stattdessen auf das Label Natura-Veal, eine geschützte Marke von Mutterkuh Schweiz.

«Das ist ein Rückschritt für das Tierwohl in der Schweizer Landwirtschaft und ein sehr grosses Problem für die Bauernfamilien, die entsprechende Investitionen getätigt haben», protestieren der Schweizer Bauernverband und die betroffenen Produzentenverbände in einer Mitteilung. «Will man das Tierwohl in der bisherigen Breite fördern, erreicht man das nicht mit Spitzenprogrammen wie Natura-Veal», sagt Martin Rufer, Leiter Departement Märkte beim Schweizer Bauernverband. Das Programm sei sicher gut. «Mengenmässig kann es Naturafarm aber sicher nicht ersetzen, da das Marktvolumen viel kleiner ist.»

Die Reduktion des Naturafarm-Programms bedeutet laut Rufer für Bauern einen grossen finanziellen Verlust. «Durch den sich reduzierenden Markt und die tieferen Kilopreise, die Bauern künftig beim Kalb- und Schweinefleisch erhalten, drohen Verluste in Millionenhöhe.» Auch Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands, sagt: «Wir sind enttäuscht.» Die Bauern von Naturafarm hätten zugunsten des Tierwohls gezielt in entsprechende Stallsysteme investiert. «Nun bleiben sie auf ihren Investitionen sitzen.»

Streiche Coop sämtliche Preise und Preisleistungen zusammen, verlören die Bauern das Vertrauen, um weiterhin das Risiko für solch hohe Investitionen zu tragen. Er fordert, dass Coop die Naturafarm-Produkte mit ihren grossen Mehrwerten weiterhin als solche vermarktet. «Es ist schwierig, Produkte von glücklichen Tieren herzustellen, wenn die höheren Kosten nicht erfolgreich via Produktepreise verkauft werden können.»

Auch der Schweizer Tierschutz sieht das Tierwohl in Gefahr. «Coop war ein Vorreiter beim Tierwohl und fährt den Tierschutz nun leider wie andere Grossverteiler auf ein tieferes Niveau herunter», sagt Cesare Sciarra, Leiter Kontrollstelle beim Schweizer Tierschutz STS. Ohne Label-Prämie und durch die sinkende Nachfrage fehle Bauern ein Anreiz, zugunsten des Tierwohls zu investieren. «Es besteht die Gefahr, dass Bauern zu geschlossenen Ställen mit mehr Tieren und weniger Platz und Auslauf zurückkehren.»

Die Aussage der Grossverteiler, die Konsumenten würden weniger Produkte aus artgerechter Haltung nachfragen, lasse der Schweizer Tierschutz so nicht gelten.«Entsprechendes Engagement bei der Konsumenteninformation würde die Nachfrage mit Sicherheit verbessern.»

Coop-Sprecher Urs Meier sagt, dass der Fleischkonsum allein zwischen 2010 und 2017 beim Kalbfleisch um 20 Prozent und beim Schweinefleisch um 13 Prozent zurückgegangen sei. Der Entscheid sei Coop nicht leichtgefallen. «Aber nachdem wir jahrelang enorm viel Werbung für Naturafarm gemacht haben und die Nachfrage trotzdem weiter gesunken ist, mussten wir jetzt handeln.» Coop wolle auch weiterhin im Tierwohl führend sein, betont Meier. «Nachhaltigkeit gehört zu unserer DNA. Daran wird sich nichts ändern.» Programme wie Natura-Veal könnten sehr wohl eine wichtige Rolle in der Breite einnehmen. «Dies zeigt beispielsweise das Label Natura-Beef, wo wir inzwischen schon einen Anteil von 60 Prozent haben.»

Deine Meinung