Jungfreisinnige schiessen gegen «Grand Hotel FDP»

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Parteien-FrustJungfreisinnige schiessen gegen «Grand Hotel FDP»

Jungfreisinnige stellen in einem öffentlichen Schreiben ihre Mutterpartei an den Pranger. Die FDP nimmts gelassen.

A. Peterhans
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A. Peterhans

Diese Attacke sitzt: 13 Jungfreisinnige haben es satt, die «Dienstmänner» ihrer Mutterpartei zu sein. «Als des Freisinns fühlt man sich zurückversetzt in ein altehrwürdiges Grand Hotel, und zwar in die Rolle des Portiers», schreiben sie in einem öffentlichen Schreiben in der Zeitschrift «Schweizer Monat». Darin kritisieren sie wesentlich drei Punkte der FDP: Ein fehlender Meinungswettbewerb, eine aufgegebene liberale Grundhaltung und keine Wertschätzung von Leistung.

Fehlender Meinungswettbewerb: Die Partei des Wettbewerbs meide den Meinungswettbewerb, schreiben die 13 Verantwortlichen. Die Führungsgremien würden zu oft mit einer Meinung nach vorne preschen und damit jegliche Kritik verhindern. Die Parteichefs seien zudem mit Interessengruppen verflochten und folgten einem «Fraktionszwang». So verweigerte die Parteileitung etwa mehrmals, die Diskussion an der Delegiertenversammlung mit ihrer Jungpartei zu führen.

Keine liberale Grundhaltung: Die FDP verliere ihre liberalen Werte. Das sei an den Förderprogrammen zu sehen, die sich primär um Kommunikation und Networking drehen. Auch etwa die Ja-Parole zur No-Billag-Initiative und die Befürwortung des Medienmonopols SRG oder die Verlängerung des «Dahinsiechens der AHV» bei der Steuervorlage 17 seien Beweise: Die FDP entferne sich von ihrem Ursprung. Sie fügen hinzu: «Die Jungfreisinnigen haben heute eine grössere Schnittmenge mit der SVP.»

Keine Wertschätzung von Leistung: Auch werde das Prinzip Leistung nicht mehr gelebt. Um eine ausgewogenen Liste zu gewährleisten, musste etwa Jungfreisinnigen-Präsident Andri Silberschmidt bei der Wahl zum Zürcher Gemeinderat nach hinten rücken. Statt politisches Engagement zu würdigen, seien Alter, Geschlecht und berufliche Stellung wichtiger. Für den Nachwuchs sei das demotivierend.

Mit Blick auf die Zukunft schreiben sie am Ende: «Der eine oder andere Portier wird sich wohl irgendwann ein neues Haus suchen, wenn er auf ewig stummer Dienstmann bleiben soll.» Auf Anfrage von 20 Minuten wollten die 13 Verantwortlichen Jungfreisinnigen persönlich keine Stellung nehmen.

Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz, Andri Silberschmidt, hat wenig Verständnis für die Kritik. «Einige der 13 Personen habe ich kaum mehr an einer nationalen Versammlung gesehen.» In einigen Anklagepunkten seien sie teilweise auch bei den Jungfreisinnigen in der Minderheit. «Politik kann frustrieren, aber deshalb muss man trotzdem weitermachen – und nicht drohen, die Partei zu verlassen», sagt Silberschmidt.

«Leistungsträger entstammen den Jungfreisinnigen»

Auch widerspricht Silberschmidt dem Vorwurf, die Leistung zähle nicht. «Es gibt genug Beispiele von Jungfreisinnigen, die durch Leistung überzeugen konnten. Viele Ständeräte und Nationalräte etablierten sich aus den Jungfreisinnigen heraus: Christa Markwalder, Christian Wasserfallen, Marcel Dobler, Philippe Nantermod … Bald haben wir mit Karin Keller-Sutter vielleicht eine jungfreisinnige Bundesrätin.» Er selbst habe sich auch zuerst mehrere Jahre eingesetzt, um sich Gehör zu verschaffen: «Bei der Geldspiel-Vorlage musste und konnte ich mich als Gegner des Gesetzes innerhalb der Partei auch durchsetzen», sagt er.

FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi sagt: «Die Kritik der 13 Jungfreisinnigen überrascht uns, denn in unseren Gremien wurde sie bisher nicht laut. Der Jungfreisinn hat dort als selbstständige Partei überall Einsitz.» Sie denke demnach, dass die Kritik von Einzelpersonen komme und nicht der Position der Jungfreisinnigen Schweiz entspreche. «Doch falls das Bedürfnis besteht, sind wir für eine interne Diskussion gern bereit. Einen Schlagabtausch über die Medien finde ich aber nicht sinnvoll.»

«Das Lesen von Klassikern gehört nicht dazu.»

In der FDP können sich laut Gössi alle ihre Meinung ohne Fraktionszwang frei bilden und äussern. Nach der Diskussion gelte es aber für alle, den Entscheid zu akzeptieren. «Viele der Unterzeichner nehmen leider nicht an den Delegiertenversammlungen der FDP Schweiz teil.» Die Kritik an dem FDP-Mentoringprogramm könne die FDP nicht verstehen. Das Coaching sei darauf ausgerichtet, den jungen Menschen das technische Rüstzeug für ihre politische Tätigkeit zu vermitteln. «Das Lesen von Klassikern des Liberalismus gehört nicht dazu.»

FDP-Vize-Präsident Christian Wasserfallen nimmt den Angriff sportlich: «Es ist wichtig, dass uns die Jungfreisinnigen als eigenständige Partei antreiben und zu Diskussionen anregen.» Die FDP diskutiere intern aber mehr als es andere Parteien tun. Das Schreiben sei zwar ein wenig pointiert – «Die Jungfreisinnigen müssen halt Emotionen reinbringen und teilweise eine andere Position einnehmen, als wir.» Er ist gern bereit für Gespräche. Zuerst müsse man die Vorwürfe auf einer Grundbasis besprechen. «In einigen Fällen kommen wir dann sicher auf einen gemeinsamen Nenner.»

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