Wie hart ist der Job als Influencer wirklich?

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«Nervenzusammenbruch»Wie hart ist der Job als Influencer wirklich?

Eine deutsche Youtuberin weint in einem Video wegen einer Neun-Stunden-Schicht. Auch Schweizer Influencer stossen an ihre Grenzen.

Noah Zygmont
von
Noah Zygmont

Zwei Millionen Menschen folgen der deutschen Youtuberin Kelly MissesVlog. In einem neuen Video filmt sie sich, während sie weint und einen «Nervenzusammenbruch» erleidet. Der Grund: Sie habe an vier Tagen von 9 bis 18 Uhr gearbeitet und acht Videos produziert. Dann habe sie auch noch ihre Speicherkarte verloren. Zu viel für die Influencerin.

In den Kommentaren unter dem Video wird sie für ihre Aussage beschimpft. In einem der Top-Kommentare heisst es zum Beispiel: «Absolut respektlos gegenüber allen, die hart arbeiten». Eine andere Userin schreibt: «Komm, schmeiss deinen Youtube-Job und geh mal richtig arbeiten. Schämen solltest du dich!»

«Ohne Puffertage dreht man durch»

Die Schweizer Influencerin Sylwina (28) kann die Reaktion nachvollziehen. Sie arbeitet täglich bis zu zwölf Stunden. Teilweise schlägt die Arbeit auf ihre Gesundheit: «Ich habe sehr wenig Freizeit. Die Arbeit von Selbstständigen ist verbunden mit Existenzängsten und Kundendruck, was zu einem gewaltigen Stress führen kann.» Sie sei nie richtig offline und sei ständig wie auf Nadeln. «Neben meiner Arbeit als Influencerin hatte ich auch noch andere Jobs. Alles zusammen war mir dann einfach zu viel, sodass ich mir Rat bei einem Coach suchte, um damit umzugehen», sagt Sylwina.

Man müsse sich genügend Zeit für sich nehmen, sagt Fotografin und Influencerin Andrea Monica Hug (28): «Wenn man sich keine Puffertage einplant, dreht man schlussendlich durch.» Es sei interessanter für den Kunden, wenn man ständig auf Zack sei. Hug sagt, sie sei grundsätzlich 24 Stunden am Tag für den Job verfügbar und «ständig präsent». «Für mich ist es das beste Gefühl, wenn ich Zeitdruck habe. Ich brauche den Stress, sonst bin ich nicht erfüllt.»

Fashion-Bloggerin Ramona Bonbizin (35) würde gern noch mehr publizieren, wenn die Arbeit nicht so aufwendig wäre: «Pro Post arbeite ich insgesamt sicher sechs Stunden. Vor allem das Beantworten von Nachrichten und Kommentaren wird oft unterschätzt.» In Phasen, in denen sie viele Aufträge habe, komme es auch zu 14-Stunden-Tagen: «Ich arbeite tendenziell eher zu viel, aber gern. Auf Social Media besteht unter den meisten Influencern ein Wettkampf: Jeder will besser sein als der andere.» Sie zähle sich allerdings nicht dazu.

«Durch Inaktivität wird man uninteressant»

Instagrammer Elay Leuthold behauptet hingegen von sich, nicht zu viel zu arbeiten: «Ich teile mir meine Arbeit so auf, dass ich nicht vom Einkommen als Influencer abhängig bin.» Er wolle demnächst studieren und arbeite temporär als Verkäufer. Der Stress komme, wenn er zu viele Anfragen annehme. «Es wird anstrengend, wenn ich im Hinterkopf habe, dass ich ständig alles dokumentieren muss», sagt er. Viele hätten Angst, durch Inaktivität für Kunden und Follower uninteressant zu werden, und machten deshalb keine Pausen: «Mir ist das Ganze dann zu riskant, deshalb bleibt das Influencen für mich ein Hobby.»

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