Schweiz verlangt von Russland Spionage-Stopp

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Botschafter einbestelltSchweiz verlangt von Russland Spionage-Stopp

Spione leben unter diplomatischer Tarnung in der Schweiz – dies schreibt der Bundesrat im aktuellsten Sicherheitsbericht. Recherchen zeigen: Es betrifft russische Staatsangehörige.

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Eine unter Verschluss gehaltene Auswertung des Nachrichtendienstes des Bundes zeigt, dass jeder vierte russische Diplomat ein Agent ist, wie die «Sonntags Zeitung» berichtet. Der Bundesrat hat darauf in seinem aktuellsten Sicherheitsbericht Bezug genommen: Er warnt vor einer «erheblichen Zahl von Nachrichtendienstoffizieren unter diplomatischer Tarnung in der Schweiz».

Die Schweizer Regierung nennt kein Land. Doch Recherchen der Zeitung zeigen, dass es um Russland geht. Demnach verfügen Wladimir Putins Geheimdienste über Dutzende permanente Agenten in Bern, Genf und Zürich. Für besonders heikle Missionen reisen zusätzliche Spione ein.

Wada-Sitz und Labor Spiez im Visier

Das Tamedia-Recherchedesk hat in den vergangenen Tagen publik gemacht, dass sowohl der Europasitz der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Lausanne als auch das Labor Spiez Ziel russischer Geheimdienst-Operationen waren. Die Forschungseinrichtung im Berner Oberland analysierte Proben zum Nervengiftanschlag auf den russischen Doppelagenten Sergei Skripal im südenglischen Salis­bury. Zwei mutmassliche Täter hielten sich vor dem ­Attentat mehrfach und länger in Genf auf, wie die «SonntagsZeitung» vergangene Woche berichtete.

Als Reaktion auf die Enthüllungen hat das schweizerische Aussendepartement (EDA) den russischen Botschafter einbestellt und von Russland verlangt, «sofort seine Spionageaktivitäten auf Schweizer Territorium zu stoppen».

«Unerfreuliche Realität, aber nichts Neues»

Auch die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) von National- und Ständerat hat sich eingeschaltet und fordert von Nachrichtendienst und Bundesanwaltschaft Auskünfte über die russischen Spionage-Aktivitäten. «Wir haben bislang keine Anhaltspukte, dass die Behörden nicht adäquat reagieren», sagt GPDel-Präsident Claude Janiak zu 20 Minuten. Die GPDel werde von Bundesanwaltschaft und Nachrichtendienst laufend über staatsschutzrelevante Angelegenheiten aufdatiert.

Dass sich unter den russischen Dipomaten offenbar viele Spione tummeln, überrascht Janiak nicht. «Das ist eine unerfreuliche Realität, aber nichts Neues und auch kein spezifisch Schweizerisches Problem», sagt der SP-Ständerat. Aufgrund der neusten Enthüllungen sei der Bundesrat nun vor allem auf diplomatischem Wege gefordert. Janiak: «Strafverfahren gegen Spione sind erfahrungsgemäss wenig erfolgsversprechend.»

Die russische Botschaft in Bern hat die Berichte als «Erfindung» bezeichnet. Sie lehnte es gestern ab, die neue Erkenntnis über Dutzende getarnte Spione in der Schweiz zu kommentieren.

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