Bestraft die EU nun die Schweiz?

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RahmenabkommenBestraft die EU nun die Schweiz?

Das Rahmenabkommen mit der EU droht zu scheitern. Drohen nun Blockaden – oder gibt es einen Plan B? Die wichtigsten Antworten.

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Worum geht es?

Das Rahmenabkommen soll sicherstellen, dass die Schweiz im Gegenzug für den Marktzugang das Recht des EU-Binnenmarktes akzeptiert. Bestandteil des Vertrags ist ein Gericht, das in Zweifelsfällen entscheidet. Beim Abschluss der heutigen bilateralen Verträge wurde das europäische Recht zwar berücksichtigt. Das hat sich aber weiterentwickelt, und Streitfälle müssen heute diplomatisch geregelt werden.

Wer ist für und gegen das Rahmenabkommen?

Verhandlungsbereit zeigten sich bisher etwa die SP, CVP und FDP. Auch vier von fünf befragten Wirtschaftsführern sprachen sich in einer Studie des Instituts GfS Bern für ein Abkommen aus. Dagegen ist die SVP, die von einem «Unterwerfungsvertrag» spricht.

Wieso steht das Abkommen nun auf der Kippe?

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat vergangene Woche den Boykott von Gesprächen mit dem Bundesrat zum Rahmenabkommen angekündigt. Die SP-Parteileitung unterstützt den Kurs: Bundesrat Johann Schneider-Amman müsse seine Gespräche mit Sozialpartnern für gescheitert erklären, sagt Präsident Christian Levrat der «Sonntagszeitung». FDP-Präsidentin Petra Gössi sagte der Zeitung, die Verhandlungen mit den Arbeitgebern und Kantonen müssten nun abgebrochen werden. Mit der EU solle der Bundesrat weiter verhandeln. Wenn sich aber inhaltlich keine Einigung abzeichne, müssten die Verhandlungen mit Brüssel sistiert werden. CVP-Präsident Gerhard Pfister sagt, eine Sistierung der Verhandlungen sei «unvermeidlich». Nun müsse mit der EU ein Stillhalteabkommen ausgehandelt werden.

Welche Punkte sind umstritten?

Die EU fordert bei den flankierenden Massnahmen Zugeständnisse. Diese wurden 2004 eingeführt und verpflichten ausländische Arbeitgeber zur Einhaltung minimaler Lohn- und Arbeitsbedingungen. Umstritten ist die 8-Tage-Regel: Firmen aus der EU müssen Einsätze in der Schweiz acht Tage im Voraus anmelden. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, will die EU auch andere Teile der flankierenden Massnahmen schleifen – etwa die Pflicht, dass EU-Firmen für allfällige Bussen eine Kaution hinterlegen müssen.

Was steht auf dem Spiel?

In den nächsten Monaten erwarte die EU-Kommission «gute Fortschritte», sagte Sprecherin Mina Andreeva vergangene Woche. Ansonsten könnte sie die Börsenäquivalenz verweigern. Händler aus dem EU-Raum könnten dann viele Aktien grosser Firmen an der Schweizer Börse nicht mehr handeln. Ohne Rahmenabkommen könnte die Schweiz zudem von Forschungsprogrammen ausgeschlossen werden. Die EU macht auch ein von der Schweiz gewolltes Abkommen, das ihr den Zugang zum europäischen Strommarkt sichern würde, vom Rahmenabkommen abhängig.

Welche Alternativen gibt es?

Fachleute des Bundes sollen laut der «NZZ am Sonntag» einen «Plan B» entworfen haben, der vorsieht, dass die Verhandlungen bis nach 2019 verschoben werden und die Schweiz dafür die nächste Kohäsionsmilliarde schneller zahlt. Sie beurteilten diesen Plan aber als unrealistisch. Die EU habe bereits bei den staatlichen Beihilfen und beim Lohnschutz Entgegenkommen signalisiert. Trete die Schweiz auf diese Vorschläge nicht einmal ein, seien weitere Blockaden «so gut wie sicher».

Wie geht es weiter?

Ob das Abkommen eine Chance hat, liegt in den Händen der Parteien und der Gewerkschaften. «Dass SGB-Präsident Rechsteiner Gespräche bis zuletzt verweigert, mögen viele nicht glauben», zitiert die «NZZ am Sonntag» Insider. Auch die SP spricht nicht mit einer Stimme: Die «reformorientierte Plattform», der unter anderem Nationalrätin Chantal Galladé und Ständerat Daniel Jositsch angehören, schreibt, sie habe den Rückzug des SGB «besorgt zur Kenntnis» genommen. Es brauche Verhandlungen mit den Sozialpartnern für ein geeintes Auftreten gegenüber der EU. Der Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sei aber durchaus durchsetzbar. «Wir rufen die Gewerkschaften auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.»

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