Das heisst der Deal für die Briten – und die Schweiz

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BrexitDas heisst der Deal für die Briten – und die Schweiz

Boris Johnson will mit seinem «great new deal» den geordneten Brexit möglich machen. Wie realistisch ist das?

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Der geordnete Brexit scheint möglich – wenn das britische Parlament sowie die EU-Länder zustimmen.

Der britische Premierminister Boris Johnson machte es zu seinem zentralen Versprechen, den Brexit, den Austritt aus der Europäischen Union, am 31. Oktober durchzuziehen – egal, ob eine Einigung mit der EU zustande kommt. Nun haben sich das Königreich und die EU aber doch noch über die strittigen Fragen geeinigt. Damit könnte der ungeordnete Brexit abgewendet sein – sofern das britische Parlament und die EU-Länder grünes Licht geben.

Doch was bedeutet die Einigung im Brexit-Drama konkret? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worüber haben sich die EU und Grossbritannien gezankt?

Stein des Anstosses im Tauziehen um den Brexit-Deal war der sogenannte «Backstop». Im Fall, dass Grossbritannien mit der EU nach dem Austritt bis 2020 keine bessere Lösung findet, tritt eine Klausel in Kraft, die eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland verhindern würde – obwohl Nordirland dann nicht mehr EU-Gebiet wäre. Für Boris Johnson ist dies antidemokratisch, weil Nordirland weiterhin EU-Regeln unterworfen wäre. Die EU ihrerseits will die Grenze zwingend offen behalten.

Wie sieht der nun ausgehandelte Deal aus?

Die Einigung sieht statt des «Backstops» nun vor, dass Nordirland zwar im Zollbereich des Königreichs bleibt, für Güter aber EU-Regeln gelten. Nordirland kann aber wirtschaftlich von der zukünftigen Handelspolitik des Königreichs profitieren. Es gäbe aber auch eine Zollgrenze zwischen Nordirland und Irland.

Ist der Deal tatsächlich ein «Durchbruch» beim Brexit-Prozedere?

Stefan Legge, Dozent für internationalen Handel und politische Ökonomie an der Uni St. Gallen, spricht von einem «etwas bizarren Ergebnis». Denn der vorliegende Deal unterscheide sich nur wenig von dem, was bereits vor Jahren vorgelegen sei. Er vermutet, dass die Hardliner und Boris Johnson dem neuen Deal nur zustimmen, damit der Brexit auch wirklich vollzogen wird. «Möglicherweise versuchen sie danach, sich weiter von der EU zu entfernen», sagt Legge.

Was heisst es, wenn der Deal so durchkommt?

Damit falle eine grosse Unsicherheit weg, so Legge. Investitionen, die bisher zurückgehalten wurden, könnten wieder ins Land fliessen. «Zweitens kann sich die Politik aus dem Bann des Brexit lösen und andere Probleme angehen: Infrastruktur, Gesundheitswesen oder wirtschaftliche Reformen zur Produktivitätssteigerungen.» Am Samstag bringt Johnson den Deal ins Parlament.

Wie kann Johnson den Deal durchbringen?

«Dafür ist er auf jene 21 Konservativen (Tories) angewiesen, die wegen des Brexit bereits aus der Partei ausgetreten sind», sagt Legge. Zudem brauche er die Unterstützung von Labour, falls die Nordiren wie angedeutet den Deal ablehnten. «Es ist denkbar, dass die Zustimmung zum Deal noch an ein Referendum geknüpft wird.» Wie eine solche Abstimmung noch vor dem 31. durchgeführt werden soll, sei allerdings fraglich. Der «Guardian» schreibt gar, es bestehe wenig Hoffnung, im Parlament eine Mehrheit zu finden.

Wird der Brexit ohne Einigung nochmals verschoben?

«Die EU wird es nicht akzeptieren, wenn Johnson jetzt einen Rückzieher macht – eine weitere Verlängerung wird es kaum geben», glaubt Legge. Zwar sei Grossbritannien wirtschaftlich enorm wichtig für die EU, weshalb sie grosses Interesse an einem geordneten Austritt habe. «Aber irgendwann reicht es der Union auch, und sie wird einen Hard Brexit in Kauf nehmen.»

Was bedeutet der Deal für die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU beim Rahmenabkommen?

Durch den Austritt werde sich die EU fundamental verändern, sagt Legge. Für die Schweiz sei dies ein Nachteil: «Mit Grossbritannien verlieren wir einen Verbündeten, der für die Anliegen eines dezentral orientierten Kleinstaats Verständnis zeigte.» Auch wenn sich die EU und Grossbritannien beim Brexit im Moment hätten einigen können, sei dies nicht auf die Schweiz übertragbar: «Die EU wird noch weniger zu Kompromissen bereit sein als bis anhin», so Legge. Zwar sei die EU nicht mehr durch Brexit-Verhandlungen gebunden. «Aber die Taktgeber Frankreich und Deutschland werden damit beschäftigt sein, die Union neu auszurichten.»

Stefan Legge, Dozent für Internationalen Handel und politische Ökonomie an der Universität St. Gallen.

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