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SpaceX gegen Arianespace Handelskrieg der Sterne

Lange hat Europas Raketenbauer Arianespace geklagt, US-Konkurrent SpaceX werde von der US-Regierung unerlaubt unterstützt. Jetzt schlagen die Amerikaner zurück - und fordern von der Trump-Regierung Hilfe.
SpaceX Falcon 9 startet in Cape Canaveral (Archivbild)

SpaceX Falcon 9 startet in Cape Canaveral (Archivbild)

Foto: Tim Shortt/Florida Today via AP

Im amerikanisch-europäischen Handelsstreit standen bisher vor allem Autoexporte und drohende Strafzölle im Mittelpunkt. Nun droht Ärger in einem weiteren Bereich: Das US-amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX beschuldigt mehrere internationale Konkurrenten der Wettbewerbsverzerrung. Der Vorwurf betrifft auch das europäische Unternehmen Arianespace mit seinen "Ariane"-Raketen.

In zwei Briefen an das US-Handelsministerium beklagt sich SpaceX-Managerin Stephanie Bednarek, dass Subventionen den Markt für Satellitenstarts verzerrten. Hintergrund der Schreiben ist eine Aufforderung des Ministeriums an US-Firmen, aus ihrer Sicht unfaire Handelspraktiken zu melden. Diese sollen dann bei internationalen Verhandlungen zum Thema gemacht werden. Das ist allerdings nicht so einfach umzusetzen: Die USA führen die Handelsgespräche mit der Europäischen Union - und die hat nicht dieselben Mitglieder wie die für die "Ariane" zuständige Europäische Weltraumorganisation (Esa).

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SpaceX: Revolutionäre der Raumfahrt

Foto: GENE BLEVINS/ REUTERS

"Es ist entscheidend, dass kommerzielle amerikanische Anbieter von Raketenstarts in der Lage sind, sich fair an Ausschreibungen europäischer Regierungen und Unternehmen für Starts in den Weltraum zu beteiligen", mahnt Bednarek in einem der Briefe an. Das sei derzeit nicht der Fall. Größtes Hindernis für SpaceX seien die anhaltenden Subventionen für die europäischen Raketenprogramme. Die französische Finanzzeitung "Les Echos" hatte als erstes über den Fall berichtet. Die Schreiben liegen auch dem SPIEGEL vor.

Vier Milliarden Entwicklungskosten

Neben der vergleichsweise kleinen "Vega"-Rakete ist damit vor allem die neue "Ariane 6" gemeint. Sie soll im kommenden Sommer zum ersten Mal fliegen, ihre Entwicklung wurde vor allem von Frankreich und Deutschland mit insgesamt rund vier Milliarden Euro unterstützt. Bednarek schreibt, dass aus dem Jahresbudget der Esa beinahe ein Fünftel an Arianespace gehe. Außerdem profitiere das Unternehmen von subventionierter Infrastruktur für den Bau und Start seiner Raketen. So ergäbe sich ein "künstlich niedriger Preis", so die SpaceX-Managerin. SpaceX beklagt außerdem Wettbewerbsverzerrungen durch Firmen in Russland, China und Indien.

"Der Vorgang erinnert an langatmige WTO-Verfahren zwischen Boeing und Airbus. Gewinner sind daraus nicht entstanden", sagt Thomas Jarzombek (CDU), Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt dem SPIEGEL.

Rakete ist nicht gleich Rakete

Für die Diskussion muss man wissen, dass Rakete nicht gleich Rakete ist. Das liegt daran, dass es verschiedene Arten von Missionen gibt. In den USA dürfen Regierungsmissionen, also zum Beispiel Militär- oder Spionagesatelliten, ebenso wie Nasa-Sonden und Versorgungslieferungen zur Internationalen Raumstation nur von amerikanischen Unternehmen transportiert werden. Eine Ausnahme ist das geplante "James Webb"-Teleskop, das wegen eines Tauschgeschäfts mit den Europäern auf einer der letzten europäischen "Ariane 5"-Raketen starten soll. Aber im Grundsatz gilt, dass solche Satelliten nicht mit ausländischen Raketen fliegen. Russland und China halten es ähnlich.

Wenn aber zum Beispiel ein US-Telekommunikationsunternehmen einen privaten Satelliten ins All schießen will, wird es sich für den billigsten beziehungsweise besten Anbieter entscheiden. Und das waren lange auch die Europäer - doch mit den Kampfpreisen, die SpaceX auch dank seiner wiederverwertbaren Raketen anbietet, kann die "Ariane" immer seltener mithalten.

Dazu kommt, dass europäische Unternehmen natürlich ihre Satelliten auch auf US-Raketen ins All schießen - und dass Missionen europäischer Regierungen nicht automatisch auf einer europäischen Rakete fliegen. So plant die Bundeswehr zwei "SARah"-Radarsatelliten mit SpaceX zu starten und führt dafür Kostengründe ins Feld. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat kürzliche einen Gewächshaus-Satelliten mit einer "Falcon 9" von SpaceX ins All bringen lassen.

"Es gibt keine Subventionen"

Bisher war es auch so, dass sich eher die Europäer über eine unerlaubte Unterstützung der US-Regierung für SpaceX beklagt hatten. Konkret ging es um den Vorwurf, dass das Unternehmen für den Transport von amerikanischen Regierungssatelliten deutlich höhere Kosten ansetze als bei kommerziellen Kunden. "Man sollte sich fragen, warum SpaceX der US-Regierung pro Start 100 Millionen Dollar in Rechnung stellt, Starts für europäische Kunden aber viel billiger anbietet", hatte Alain Charmeau, der damalige Chef der ArianeGroup im vergangenen Sommer im SPIEGEL-Interview gefragt. Die Antwort gab er selbst: "Sie machen das, um Europa aus dem Weltraum zu kicken."

SpaceX beteuert dagegen: "Es gibt keine Subventionen" - so Chefingenieur Hans Königsmann. Die US-Regierung fordere für ihre Missionen zusätzliche Formalitäten und Tests. Daher der höhere Preis. "Bei kommerziellen Starts müssen wir weniger tun." Der deutsche Raumfahrtkoordinator Jarzombek formuliert vorsichtig, es falle "schwer zu glauben, dass der zusätzliche Aufwand tatsächlich in dieser Größenordnung liegt".

Der harte Konkurrenzkampf mit SpaceX macht der neuen europäischen Rakete "Ariane 6" jedenfalls schon vor ihrem ersten Start zu schaffen. Sie wird unter anderem in der Nähe von Paris und in Bremen gebaut und soll im Sommer 2020 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana abheben. Der Hersteller verspricht deutliche Kostenvorteile im Vergleich zum bisherigen Modell "Ariane 5". Gleichzeitig ist klar, dass die neue Rakete niemals billiger sein wird als die "Falcon 9" von SpaceX - auch weil die "Ariane 6" nach wie vor nicht auf Wiederverwendbarkeit setzt.

Der Rechnungshof in Frankreich hatte das Projekt zuletzt in seinem Jahresbericht  als nicht innovativ genug kritisiert, um gegen die US-Konkurrenz bestehen zu können. "Europa ist an einem Punkt, wo eine strategische Entscheidung für 'Ariane' getroffen werden muss", fordert auch Raumfahrtkoordinator Jarzombek. Dabei gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder die europäischen Regierungen entschieden sich, die Rakete in Zukunft vor allem für staatliche Missionen einzusetzen und sie nur noch "moderat weiterzuentwickeln". Dann wäre der unabhängige Zugang der Europäer zum All gewährleistet - "aber der kommerzielle Markt perspektivisch nicht mehr konkurrenzfähig zu bedienen".

Oder aber, Europa setze - wie die Amerikaner - auf wiederverwendbare Technik, um "SpaceX & Co. herauszufordern. "Das wird aber nicht in der Struktur eines einzigen europäischen Anbieters gehen", so Jarzombek. Eine Idee sei, die "Ariane" "in zwei oder mehr Module" aufzuteilen und so einen "Wettbewerb zwischen mindestens zwei europäischen Teams für die Komponenten der Landefähigkeit" herzustellen. Andernfalls drohten Probleme: "Ein Weg, ohne Veränderung der Strukturen gegen SpaceX und BlueOrigin anzutreten, wäre eine Variante, die wir nicht in Erwägung ziehen sollten."