«Flight-Attendant-Lohn reicht nur für WG-Zimmer»

Aktualisiert

3400 Franken«Flight-Attendant-Lohn reicht nur für WG-Zimmer»

Der Einstiegslohn für Cabin-Crew-Mitarbeiter beträgt bei der Swiss 3400 Franken. Damit stürze man das Personal in die Armut, so die Gewerkschaft. Die Swiss wehrt sich.

P.Michel
von
P.Michel

«Armut beim Kabinenpersonal» titelt die Gewerkschaft des Kabinenpersonal (Kapers) in der aktuellen Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift. Im Hinblick auf die kommende Lohnrunde gehen die Arbeitnehmervertreter in die Offensive: Sie kritisieren die «prekäre» Lohnsituation und illustrieren diese anhand mehrerer Beispiele:

■ «Eine junge Flight-Attendant kam in unser Büro, weil sie keinen Rappen mehr besass, um sich Essen zu kaufen. In den unteren Salärtabellen ist es kaum möglich, über die Runden zu kommen, obwohl Betroffene bereits Prämienverbilligung für die Krankenkasse durch den Kanton erhalten.»

■ «Ein 50-jähriger Flugbegleiter stand weinend in unserem Büro. Er hat einen Nettolohn von knapp 2900 Franken.»

■ «V. B., die Ende des Jahres pensioniert wird, weiss noch nicht, wie sie finanziell über die Runde kommen wird. Bei dem aktuellen Lohnniveau wird es in Zukunft auch Altersarmut geben bei Personal, das immer 100 Prozent geflogen ist.»

Tiziana Quaglia, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Kapers, geht mit der Swiss hart ins Gericht: «Mit einem Bruttolohn von 3400 Franken für einen Vollzeitjob nimmt man bewusst in Kauf, dass Menschen unter der Armutsgrenze leben müssen.» Denn nach Pensionskassenabzügen, Sozialleistungen und Krankenkasse bleibe oft kaum mehr genug zum Leben.

Kabinenpersonal bezieht oft Prämienverbilligung

Ein Problem seien auch die Mieten: «Das Kabinenpersonal sollte idealerweise in der Nähe des Flughafens wohnen können, um eine sinnvolle Ruheplanung auch bei Reservediensten (Pikett) gewährleisten zu können – das ist auch nicht günstig», sagt Quaglia. Es sei deshalb keine Überraschung, dass viele Kabinenpersonal-Angestellte auf Prämienverbilligungen angewiesen seien, die der Steuerzahler finanziere.

Ein Flight-Attendant (22), der direkt nach der Kanti bei der Swiss anheuerte, sagt: «Mit meinem 70-Prozent-Pensum verdiene ich netto 2100 Franken.» Eine eigene Wohnung könne er sich deshalb nicht leisten, nur eine WG. «Ich lebe wie ein Student, obwohl ich einen Job habe.» Längerfristig will er das Fliegen aufgeben, weshalb er noch eine Zweitausbildung absolviert. Auch auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu machen andere Betroffene ihrem Ärger Luft (siehe Box).

Swiss betont viele Zusatzleistungen

Die Swiss erklärt auf Anfrage, der Beruf des Cabin Crew Members erfreue sich nach wie vor grosser Beliebtheit. «Für viele unserer Mitarbeitenden ist es nach wie vor ein Traumberuf», sagt Sprecher Stefan Vasic.

«Cabin Crew Members beginnen im ersten Dienstjahr mit einem Basissalär von 3400 Franken. Dieses erhöht sich in den weiteren Dienstjahre sukzessive.» Dazu würden Sprachzulagen in Höhe von 50 Franken pro Monat und pro zusätzlicher Fremdsprache ausbezahlt. «Weitere Vergütungen sind Mehrflugleistungen sowie Provisionen vom Bordverkauf und Spesen», sagt Vasic. Damit komme man im ersten Dienstjahr auf rund 4000 Franken pro Monat. Er betont auch, dass der Eintritt bei der Swiss üblicherweise im Alter von 20 bis 25 Jahren stattfinde, also nach einer abgeschlossenen Erstausbildung.

Maître de Cabine verdient 1000 Franken mehr

«Der Beruf bietet zudem attraktive Karrieremöglichkeiten», sagt Vasic weiter. Schon nach einem Jahr könne man sich zum Maître de Cabine ausbilden lassen, was eine Zulage von 1000 Franken pro Monat einbringe.

Zum konkreten Fall einer Mitarbeiterin, die 2900 Franken pro Monat verdiente, erklärt der Swiss-Sprecher: «Solche Nettolöhne betreffen nur einige wenige Mitarbeitende. Und zwar auch nur dann, wenn ältere Arbeitnehmende als Cabin Crew Member im ersten Dienstjahr eintreten und entsprechend hohe Abzüge für die Pensionskasse erfahren.» Dies sei so nicht beabsichtigt, und man sei mit Kapers übereingekommen, die entsprechenden Fälle in Zukunft auf 3000 Franken auszugleichen.

Flight-Attendants üben Kritik im Netz

«Trotz guten Zahlen kein angemessener Lohn», schreibt ein aktueller Mitarbeiter der Cabin Crew. Damit spielt er auch auf den Gewinn von 636 Millionen Franken an, den die Swiss 2018 erwirtschaftet hat. «Natürlich kommen verbilligte Flüge zum Paket – aber verbilligte Ferien ernähren leider keine Familie.» «Schlechtester Lohn der Schweiz», ergänzt eine andere Angestellte. Und: «Deshalb bleiben Schweizer Mitarbeiter im Durchschnitt nur 18 bis 24 Monate.»

Doch nicht alle Flight Attendants üben Kritik. Zwar sei das Gehalt ein Negativ-Punkt, findet eine Mitarbeiterin. Aber: «Mit Spesen, Duty Free und Mehrflugleistungen kommt allerdings einiges noch extra dazu.» Ausserdem sei die Verpflegung auf allen Flügen kostenlos und relativ abwechslungsreich. «Auch die Sozialleistungen sind gut.» Insgesamt bewerten Kununu-Nutzer die Swiss als Arbeitgeber mit 3,64 von 5 Sternen.

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