Jusos erklären antisemitische Fatah-Jugend zur Schwesterorganisation – Parteielite schweigt

Die Jusos erklären eine Organisation zum Partner, die nicht nur an einer Diktatur beteiligt ist, sondern deren politische Führer den Holocaust leugnen und deren Programmziel die Vernichtung Israels ist. Von Michal Kornblum

picture alliance / ZUMAPRESS.com

Heiko Maas ist berühmt und berüchtigt für seine pointierten Tweets, jeder Schuss ein Treffer. Aber diesmal war es offensichtlich ein Eigentor. Er schreibt da: „Wir werden niemals schweigen, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen werden. Die leider tagtäglichen antisemitischen Übergriffe sind beschämend für unsere Demokratie- in Deutschland und jedem anderen Land. Jede Bedrohung jüdischen Lebens ist eine Bedrohung für uns alle.“ Doch fasst gleichzeitig hat die Jugendorganisation seiner Partei auf ihrem Bundeskongress am Wochenende die Jugendbewegung der Palästinenser“partei“ Fatah zur „Schwesterorganisation“ erklärt.

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Über die Sprengkraft (leider nicht nur metaphorisch) dieser Entscheidung sollte man sprechen. Die Fatah ist eine Bewegung zur „kompletten Befreiung Palästinas“, die die Existenz Israels ablehnt. Um das volle Potenzial dieser Friedenstauben aus dem Nahen Osten zu verstehen, sollte erwähnt werden, dass das Wappen dieser Bewegung zwei Fäuste, zwei Gewehre, eine Granate und die Umrisse Israels mit palästinensischen Farben hinterlegt zeigt. Laut ihrer Verfassung verfolgen sie neben der „kompletten Befreiung Palästinas“ und der „Eroberung Jerusalems als Hauptstadt“ auch „die Ausrottung der ökonomischen, politischen, militärischen und kulturellen Existenz des Zionismus“. Dass mit Zionismus hier nichts anderes als Juden gemeint wird, sollte wohl auch dem Letzten klar sein. Die Fatah nutzt zur Durchsetzung ihrer Ziele terroristische Mittel und hat mit den Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden einen bewaffneten Arm, der zahlreiche Anschläge gegen israelische Zivilisten verübt hat. Der Fatah-Vorsitzende Mahmud Abbas, der das Westjordanland seit 2009 ohne demokratische Legitimation regiert, sagte, der Holocaust sei nicht durch Antisemitismus ausgelöst worden, sondern durch das „soziale Verhalten“ der Juden. Doch Heiko Maas schweigt bislang zu Juso-Gate, am Montagnachmittag twitterte er stattdessen in ganz anderem Zusammenhang: „Gemeinsam mit IHRA [International Holocaust Remembrance Alliance] stehen wir auf gegen #Antisemitismus, gegen Diskriminierung und gegen die Leugnung und die Verfälschung des Holocaust.“ Alles klar, Heiko, du Held.

— JuFo – Junges Forum DIG (@JuFoDIG) November 30, 2020

Ein roter Faden setzt sich fort

Es ist nicht die erste Annäherung der SPD zur Fatah. 2017 hat Bundespräsident Steinmeier bei seiner Israelreise Kränze am Grab des früheren Anführers der Fatah Jassir Arafat niedergelegt. Schon 2012 hat sich die SPD-Politikerin Andrea Nahles mit Vertretern der Fatah getroffen, um sich über gemeinsame Werte wie „Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Gleichheit und Achtung von Minderheiten“ auszutauschen und die „strategische Partnerschaft“ zu vertiefen. Diese Annäherung wurde vom damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden Dr. Dieter Graumann aufs Schärfste verurteilt. Ob es zu den aktuellen Vorkommnissen eine ähnlich deutliche Stellungnahme vom Zentralrat geben wird, bleibt abzuwarten.

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Die Verschwesterung von Jusos und Fatah ist allerdings am Ende ein ehrlicher Akt. Denn ich denke, dass beide Organisationen sich durch gleiche Werte verbunden fühlen. Der Antizionismus (also das gesellschaftstaugliche Wort für Antisemitismus) ist gerade unter jüngeren, linksorientierten Deutschen stark verbreitet. Was die Gründe dafür sind – hier kann ich nur spekulieren. Jedenfalls ist der Antisemitismus für meine Generation eine Sache, die auf die Nazis beschränkt bleibt. Daher wird angenommen, Linke seien quasi von Grund auf immun und könnten sowieso keine Antisemiten sein.

Viele dieser linken Politiker sind indes besessen von den Juden und von Israel und haben die Arroganz zu glauben, als Deutsche eine Art Vetorecht in Bezug auf israelische Regierungsentscheidungen zu besitzen. Das familiäre Verhältnis zwischen der deutschen Linken und der radikalen Palästinenserbewegung war im Geiste schon lange Realität, nun war es an der Zeit es offiziell zu machen. Es kommt zusammen, was zusammen gehört.

Ich muss an dieser Stelle aber auch die jüdischen Vertreter in Deutschland kritisieren, die die Annäherungen solcher Politiker zulassen und sie als Ehrengäste oder Redner weiterhin auf jüdische Veranstaltungen einladen und ihnen nach einer weichgespülten Rede über die tiefe Bedeutung jüdischen Lebens in Deutschland applaudieren. Diese Politiker gehen am nächsten Tag wieder zu ihrem antiisraelischen Tagesgeschäft über. Wir als Juden in Deutschland dürfen und müssen wählerischer und kritischer sein, wer unsere politischen Partner, Redner und Ehrengäste sein sollen.

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