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Werner Reichel (oe1 Fr, 18.05.2018, 07:00)
Ö1 Morgenjournal

In Venezuela wird am Sonntag gewählt. Zumindest wird so getan. Gegen den sozialistischen Machthaber Nicolás Maduro dürfen nur chancenlose und unbekannte Kandidaten antreten. Wenn Ö1 über den sozialistischen lateinamerikanischen Staat berichtet, den die SPÖ-Zukunftshoffnung Julia Herr als ihr großes politische Vorbild bezeichnet hat, dann geschieht das nach dem immer gleichen Muster. Die Krise, in der das ölreiche  Leider-doch-nicht-Arbeiterparadies steckt, scheint beim ORF entweder eine Art Naturgewalt oder ein fieser politischer Akteur zu sein. Und da das Wort Sozialismus niemals mit etwas Negativem in Verbindung gebracht werden darf, wird es in Berichten über Venezuela zumeist gar nicht verwendet. 

Man schummelt sich mit solchen Formulierungen durch: „Die schwere Wirtschafts- und Versorgungskrise hat das Land fest im Griff.“ „Die Krise“, eine zerstörerische politische Kraft, hat den guten und braven lateinamerikanischen Sozialisten offenbar den Kampf angesagt. Dass in Venezuela die Menschen hungern und Millionen bereits vor Elend und Verfolgung geflüchtet sind, hat nichts mit dem sozialistischen Regime zu tun.

In dem Ö1-Beitrag aus der Hauptstadt Caracas kommen ausschließlich Maduro und sein Anhänger zu Wort. Und die wissen genau, warum es den Menschen in ihrem sozialistischen Land so dreckig geht. Schuld daran sind die „internationalen Banken“, die USA und die „internationalen Kapitalisten“. Eine Anhängerin Maduros kämpferisch: „In Venezuela gibt es nur ein Gesetz: Sozialismus bis zum Tod.“ Genau das ist das Problem Venezuelas.

Und die Ö1-Redakteurin im gemütlichen Studio in der Wiener Argentinierstraße meint, als die den Beitrag abmoderiert: „Berichtet Verena Gleitsmann aus Venezuela, von wo sie den Beitrag unter schwierigsten Bedingungen übermittelt hat.“ Dass an diesen schwierigsten Bedingungen ganz sicher nicht die Sozialisten, sondern die bösen Banken und Kapitalisten schuld sind, hat sie nicht dazugesagt, der brave und gutgläubige Ö1-Hörer wusste es auch so. Man hat es ihm schließlich lange genug eingetrichtert.