Ansichten eines Informatikers

15:15 – 16:15: Lügenpresse auf die Fresse?

Hadmut
30.6.2018 23:47

Unversehens kam ich auf der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche in eine Veranstaltung, die ich dort dann für überaus gefährlich einstufte. [Nachtrag]

Ich hatte mir dieses Mal keine großen Vorbereitungen für die Konferenz gemacht und mir nicht vorher, sondern an beiden Tagen morgens bei der Begrüßung überlegt, in welche Veranstaltungen ich gehe, weil die oft auch im letzten Augenblick noch geändert werden. Selbst gegenüber dem gedruckten Veranstaltungsplan gibt es häufig noch Änderungen, mal sagt irgendwer ab oder zu oder sonstwas. Ich hatte mich deshalb vorher nicht auf die Veranstaltungen vorbereitet.

Nun war ich also in „Lügenpresse auf die Fresse? – Laut und freundlich durch den Shitstorm”. Und was hatte ich erwartet? Eigentlich gar nichts. Ich hab nichts interessanteres gefunden, Samstag nachmittag, da waren schon nicht mehr alle da.

Gehalten von Susanne Tannert von #ichbinhier (noch nie gehört) und Gilda Sahebi von Neue deutsche Medienmacher.

Neue deutsche Medienmacher?

Die hatte ich neulich schon ein paarmal im Blog erwähnt. Und einige Leserzuschriften dazu bekommen. Dummerweise hatte ich die nicht mehr im Kopf. Da gibt es nämlich eine Ferda Ataman, derentwegen Seehofer neulich irgendeine Teilnahme abgesagt hat und die Mitgründerin und zweite Vorsitzende da ist. Ich hätte mir das zur Vorbereitung anschauen sollen. Denn schon die ganze Konferenz über war mir aufgefallen, dass da enorm viele Frauen mit Vor- oder Nachnamen unterwegs sind, die sich nach Nahem Osten anhören. Und schaut man sich deren Vereinspersonal an, bestätigt das diesen Eindruck. Seltsamer Geschmack, das als „Neue Deutsche”… zu titulieren. Aber ich hatte mir das nicht mehr vorher angesehen und das nicht mehr in Erinnerung. Anscheinend aber haben die Kontakt zu Merkel. Und ich noch so entfernt in Erinnerung, war mir da aber überhaupt nicht mehr sicher, ob ich das richtig in Erinnerung hatte, dass mir irgendein Leser mal geschrieben hatte, dass die bei George Soros auf der Paylist stehen und von dem (mit-)finanziert werden. Aber da hatte ich in dem Moment nicht mehr dran gedacht, ich habe mich da relativ neutral einfach reingesetzt.

Im ersten Moment war ich sogar positiv überrascht, weil sie zwar mit Hate Speech als Thema anfingen, und – für journalistische Verhältnisse ungewöhnlich – zuerst eine Begriffsdefinition ankündigten. Da dachte ich noch, endlich mal jemand, der zumindest formal ordentlich vorgeht. Da fand ich das aber schon komisch, denn die Folie mit der Definition wurde nur so kurz gezeigt, dass ich nicht dazu kam, das ganz zu lesen und zu notieren. Irgendwas mit Sprachlicher Handlung, gegen Einzelpersonen oder Gruppen, den Rest habe ich nicht mitbekommen. Dann kam irgendwas mit Shitstorm, und Beispielen wie Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Neonazismus, … und wieder war die Folie weg, bevor ich das erfassen konnte. Die wollten eigentlich gar nicht, dass man das liest.

Und dann kam sowas wie, was Hatespeech ist, ist Teil eines politischen Diskurses. Wieder alles so schnell weitergeblättert, mir war aber so, als hätte da was gestanden, dass der Diskurs von Journalisten und ihnen geführt würde. Ich bin mir nicht sicher, aber ich komme mir da irgendwie hinters Licht geführt vor, wenn mir jemand vollgepackte Folien zeigt, und sie so schnell wechselt, dass man sie nicht erfassen kann.

Deshalb habe ich da mal eine Frage eingeworfen, ob ich das richtig verstünde, dass sich die Definition von Hate Speech damit ständig ändere, wenn sie Teil des Diskurses sei. Ja, das hätte ich so richtig verstanden.

Woher, fragte ich weiter, würde man denn dann als der was schreibt, normal oder als Hate Speecher/Speaker wissen, was die gerade aktuelle Definition sei, die anzuwenden wäre. Ja, das wüsste man doch, wenn man sowas schreibt, wurde ich angeblafft, und eine aus dem Publikum trötete da mit. Da kam ich mir dann irgendwie verscheißert vor, wenn man nicht erfahren können soll, was Hate Speech gerade sei, und habe mal so provokativ gefragt, dass wenn man nicht so Allerwelts-Hate-Speech, sondern echte Qualitäts-Hate-Speech abliefern wolle, man doch die Kriterien kennen müsse, um sie erfüllen zu können. Ein paar verunsichtere Lacher im Publikum. Ein Typ aus dem Publikum, der dominant auftrat als würde er dazugehören, und den ich nach einer späteren Äußerung zur irgendeiner Lehrveranstaltung für einen Professor hielt, gurkte, das würde jetzt stören, man müsse fortfahren. Gut.

Und dann kam etwas, wo bei mir sofort die Alarmglocken angingen.

Die gebrauchten die Formulierung, dass Hate Speecher „das Sagbare nach rechts verschieben”.

Die war mir doch gestern gerade aufgefallen, da hatte ich doch gestern erst einen Journalisten gefragt, wie er das meint. Den, der da über die „Neue Rechte” doziert hat. Das ist etwas, was mich immer so beißt, wenn Leute die gleichen ungewöhnlichen Formulierungen verwenden. Da wurde ich dann hellhörig.

Denn der Journalist, der gestern diese Formulierung gebraucht hatte, hatte es als „Verschwörungstheorie” hingestellt (als falsche), dass der ach so edle George Soros, Wohltäter der Menschheit und Gönner der Demokratie, hier irgendwas mit Migration betreiben würde. Diese Neue Medienmacherin hatte eingangs aber etwas erwähnt, dass sie vom Ministerium und von Stiftungen (sie sagte nicht, welche) finanziert würden. Und dann fiel mir ein, aber ich war ich mir nicht mehr sicher, dass mir irgendein Leser geschrieben hatte, die würden von Soros bezahlt. Gestern noch Verschwörungstheorie und heute sitze ich mittendrin?

Und dann kamen noch Aussagen dazu, die mir gleich so als unhaltbar erschienen. 50% der Hasstexte kämen von nur 5% der Nutzerprofile.

Hört sich beeindruckend an. Sagt aber gar nichts. Denn wahrscheinlich ist das bei allen anderen Texten ganz genauso, weil insgesamt nur ein kleiner Teil der Nutzer überhaupt noch aktiv ist und schreibt. Um überhaupt irgendetwas auszusagen hätte man darstellen müssen, dass das bei Hasstexten anders als bei normalen Texten ist.

Und dann brachten die jede Menge Beispiele, und immer ging es um Flüchtlinge (und Claudia Roth). Flüchtlinge rauf, Flüchtlinge runter.

Ich habe mal gefragt, warum eigentlich alle ihre Beispiele vom Thema Flüchtlinge handeln, es gäbe doch noch andere Arten von Hate Speech. (Ich dachte da an Schwule oder linksextremes Zeug wie Münklerwatch, linksunten usw.) Ja, mmh, räumten sie ein, es gäbe natürlich noch anderen Hate und so, aber ihnen wäre das jetzt mit den Flüchtlingen eben am wichtigsten. Und es ginge halt so oft um Asyl und Islam.

Und dann erzählten die da, wie die Rechten sich gegenseitig „hochliken”, und sie sich dann eben auch „hochliken”, um ein Gegengewicht zu den Hasskommentaren zu bieten. Hassrede sei gesteuert, und sie wollten sich das nicht mehr länger bieten lassen. Und dann tauchte auch mehrfach die Formulierung „Hate Speech verdrängen” oder „wir verdrängen den Hass” auf.

Da dachte ich mir so: „Hä!?”

Die Juristen würden dazu sagen: Wieso sind sie aktivlegitimiert?

Die Frage, die sich mir da stellte, war wirklich: Ein A schreibt Hatespeech gegen B und dann kommt ein selbsterannter X und erklärt, er wolle sich das nicht mehr länger bieten lassen. Wer oder was sind denn diese Medienmacher? Wieso fühlen die sich davon überhaupt angesprochen? Und was machen die überhaupt? Sind die nur gegründet worden, damit sie sich gehatet fühlen können?

Was tun die überhaupt?

Und dann ging’s um Framing, mit Beispielen dazu, dass viele Türken häufig für Obst- und Gemüsehändler hielten. (Ich wohne in Berlin an der Grenze zu Kreuzberg und hier gibt’s ne Menge türkische Obst- und Gemüseläden. Bin ich jetzt Rassist? Hate Speecher, obwohl ich noch gar nichts dazu gesagt habe?)

Und dann hieß es, man dürfe beispielsweise gar nicht mehr „Farbiger” sagen, sondern müsse heute „Schwarzer” sagen [ auch wenn der ganz hell ist? ] Auch da habe ich wieder dazwischengefragt. Ich sei ja nun schon etwas älter. Und könne mich noch gut daran erinnern, dass man mal durchprügelte, dass man jetzt „Farbiger” als politisch korrekt zu sagen habe. Wie’s denn käme, dass man damals „Farbiger” sagen musste, weil’s das einzig richtige sei, und man es heute nicht mehr sagen dürfe, weil’s falsch sei. Ja, meinten sie, heute wisse man eben mehr. Was denn, wollte ich wissen. Ja, äh, über die Bedeutung und wie das schon mal verwendet worden sei …. eigentlich keine Antwort.

Ich habe dann nochmal gefragt.

Wieso das ihr Geschäft und ihre Angelegenheit sei.

Wer genau würde sie dafür warum und mit welcher Absicht bezahlen?

Ich verstünde nämlich nicht, warum sie das überhaupt tun, diesen Arbeitsaufwand treiben.

Dann wurde ich von der aus dem Publikum barsch angeblökt, das sei eben wichtig für die Gesellschaft, wollte die mich abbügeln. Und für die Demokratie.

Demokratie sei ein gutes Stichwort, meinte ich, denn keiner von ihnen sei demokratisch legitimiert. Wie sie dazu kämen, festzulegen, was man sagen darf und was nicht.

Ja, aber doch die Gesellschaft und sie wären ehrenamtlich und das wäre eben wichtig.

Nöh, sag ich. Das Telefonnetz sei auch wichtig für die Gesellschaft, und trotzdem wäre nicht bekannt, dass irgendwelche Leute ehrenamtlich oder auf Kosten von Stiftungen rumzögen und einfach mal so irgendwo Telefonleitungen legten. Sie betrieben Aufwand und würden offenbar einiges an Kosten verursachten, und ich wolle wissen, von wem und warum sie dafür bezahlt würden.

Dann fing die wieder an, um den heißen Brei herumzureden. „NGOs”, aber sie sagte nicht, welche. Und Ministerium.

Mittlerweile hatte ich den ganzen Saal gegen mich (es war aber ein ganz kleiner), um mich herum redeten sie alle auf mich ein, alle gleichzeitig, und ich habe gar nichts mehr verstanden. Der komische Professor verkündete, ich würde die Diskussion stören (Quatsch: Erstens habe ich mit ihm nicht geredet, zweitens war ich der einzige, der überhaupt diskutiert hat.)

Und plötzlich wurden die rings um mich aggressiv. Fragten sehr barsch, wer ich sei und von wem ich käme. Das habe ich beantwortet, ich käme von mir selbst. Hat ihnen nicht gepasst. Offenbar wollten die sich bei irgendwem über mich beschweren. Sogar beim Rausgehen hielten mich noch zwei an um auf mein Namensschild zu schauen, wer ich bin. Das ging schon so richtig in die Drohung und Bedrohung rein.

Einige Zeit später stand ich in der Schlange an der Pommesbude. Sie haben bei jeder Konferenz zusätzlich zu den Mittagessen und Abendbrezeln draußen noch Imbissbude stehen, die im Konferenzpreis schon drin ist, und an der man während der ganzen Konferenzzeit Pommes und Brat- und Currywurst fressen kann, soviel man will. Da standen zwei aus der Veranstaltung, darunter die aus dem Publikum, die mich so angeblökt hat und vom Fragen abhalten wollte, direkt neben der Schlange an einem Stehtisch und qualmen. Ich habe gefragt, ob es ihnen was ausmachen würde, woanders zu rauchen. Da wurde sofort lospolemisiert. Schon wieder ein Militanter Nichtraucher, der glaubt, er muss sterben. Och, meinte ich, Sterben vielleicht nicht gleich, aber Kotzen. Man stehe nämlich hier an um etwas zu essen, und da vergehe einem der Appetit.

Dieselben Leute, die meinen, sie müssten die Welt vor Hate Speech bewahren, weil das auf Leute so schlimme Wirkung habe, und jeder einen Unterlassungsanspruch haben müsse, qualmen andere rücksichtslos voll und machen sich noch darüber lustig, wenn es einen stört. Glaubwürdigkeit Null.

Wertung

Ich empfinde diese Leute als bösartig und gemeingefährlich.

Irgendwer – Stiftungen und Ministerium – pumpt da Geld rein, damit da Leute die Social Media und die Meinung manipulieren.

Einen Diskurs darüber, was „sagbar” ist, gibt es, anders als sie meinen, überhaupt nicht, sondern selbsternannte Sittenwächter legen das willkürlich und dynamisch fest. Wie und warum, das weiß und erfährt man nicht. Das machen die Geldgeber. Warum sie glauben, dass sie festlegen könnten, was man sagen darf, aber die, die sie Hate Speech schimpfen, das nicht dürften, erklären sie nicht. Warum es Leute geben soll, die das eigenmächtig festlegen dürfen, und andere nicht, erklären sie mit keinem Wort.

Einerseits sagen sie, die Grenze des „Sagbaren” sei Gegenstand eines Diskurses und würde sich damit laufend ändern, andererseits machen sie zum Vorwurf, dass die Grenze „nach rechts verschoben” würde. Mal ist ändern gut, mal ist es schlecht.

Ich hatte dazu den Eindruck, dass ich da als Störkörper war und mich versehentlich in deren Klassentreffen verirrt hatte, denn die waren da alle einer Meinung. Gibt ja auch nur noch eine.

Ich weiß es nun noch nicht, aber ich würde wetten, dass man, wenn man bei deren Stiftungen und NGOs einsteigt, irgendwo hinten auch wieder bei George Soros rauskommt. Einerseits beschweren sich Journalisten, die Russen würden unseren politischen Diskurs beeinflussen, andererseits hocken dann Leute, deren erklärtes Ziel es ist, politisch zu beeinflussen, mittendrin.

Dazu kommt, dass die nicht etwa gegen „Hate Speech” generell agieren, sondern das nur der Vorwand ist. Es geht eindeutig darum, Migration vor Kritik zu schützen. Und dann sitzen da immer wieder Leute mit Vor- und Nachnamen, die sich nach der Gegend Türkei bis Naher Osten anhören.

Für mich stinkt das danach, als seien die eine PR- und Medienbeeinflussungsagentur, die bezahlt Meinungen manipuliert und den Eindruck breiter Zustimmung zur Migration vortäuschen soll. Samt Drohgebärden gegen Leute, die Fragen stellen. Sie reden von Demokratie, aber mit Demokratie hat es gar nichts zu tun.

Am frappierendsten fand ich aber dieses Gefühl, dass mir gestern noch einer einreden wollte, die Soros-Sache sei nur eine Verschwörungstheorie, und ich heute so quasi versehentlich durch die falsche Tür gegangen und mitten in dieser „Verschwörungstheorie” gelandet bin – und von beiden die Formulierung „die wollen die Grenze des Sagbaren nach rechts verschieben” gebraucht wurde.

Nachtrag: Ein Leser weist mich gerade darauf hin, dass man einfach auf deren Webseite gehen muss um herauszufinden, mit wem die alles in Verbindung stehen: Soros, Fernsehsender, BAMF, Amadeu-Antonio-Stiftung, und alles, was da noch in diesem Netzwerk hängt.

Und einen Tag vorher wollte mir da noch einer von der ZEIT einreden, das wäre nur eine Verschwörungstheorie Rechter.