Wut! Das geächtete Gefühl.

 

Die meisten Trennungsväter begleitet sie: Wut. Doch wohin damit? Was wenn sie zu mächtig wird? Ein kleiner Ratgeber zum entspannten Umgang mit dem geächteten Gefühl.

Der Psychologe Paul Ekman beschreibt in seinem Buch „Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren“ sechs sogenannte Basisemotionen: Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung.

Väter, die von ihren Kindern getrennt werden, finden sich häufig auf einer Achterbahnfahrt zwischen diesen Gefühlen. Neben der Traurigkeit ihr Kind nicht mehr wie bisher sehen zu können, wird das Zusammensein mit dem Kind mit großer Freude intensiv erlebt. Sie haben Furcht davor, dass ihre Kinder gegen sie instrumentalisiert oder von ihnen entfremdet werden und empfinden tiefe Verachtung für ein solches Verhalten.

Alle diese Gefühle sind mehr oder weniger gesellschaftlich akzeptiert. Nicht akzeptiert ist dagegen ein weiteres großes Gefühl, von dem fast jeder Trennungsvater früher oder später erfasst wird – die Wut.

Das Familienrecht in Deutschland ist alles andere als gerecht, schon gar nicht für Väter. Vollmundig tönen Abgeordnete im Bundestag es ginge nicht um Elterngerechtigkeit und meinen damit im Grunde, Väter müssen ihre ungerechte Behandlung eben akzeptieren, Pech gehabt. Das so erlebte Unrecht in Verbindung mit der empfundenen Ohnmacht führt unweigerlich zu Wut.

Wer seine Wut als Trennungsvater auslebt, sie hinausschreit, irgendwann gegen eine Tür tritt oder gar handgreiflich wird, riskiert alles zu verlieren. Häufig werden solche Reaktionen als Anlass genommen den Kontakt zum Kind noch weiter einzuschränken. In manchen Fällen wird geradezu darauf gewartet oder Vorfälle provoziert. Für den Vater selbst lindert ein solcher Ausbruch die Wut nicht. Im Gegenteil, sie wird nur noch verstärkt.

Die gute Nachricht ist, man kann lernen seine Wut zu kontrollieren. Sicher haben Sie schon einmal erlebt, wie sich im Supermarkt ein Dreijähriger wütend auf den Boden warf, weil er eine Süßigkeit nicht bekam. Das ist ungebremste Wut. Mit der Zeit lernt fast jedes Kind mit solchen und auch anderen Situationen adäquat umzugehen. Selbst wenn Ihre Wut z.B. auf Ihre Ex-Frau eine andere Qualität hat, können Sie lernen auch damit umzugehen.

Zunächst sollten Sie sich ehrlich kritisch fragen, ob Sie generell zu Wutausbrüchen neigen. Sollte das so sein, führen unter Umständen häufige Missverständnisse im Umgang mit anderen zu Ihrer Wut. In diesem Fall ist es ratsam generell an Ihrem Verhalten zu arbeiten, z.B. mit einem Antiaggressionstraining.

Wenn Sie normalerweise nicht leicht wütend werden, dies jedoch z.B. im Kontakt mit der Mutter ihres Kindes immer wieder passiert, ist es wahrscheinlich, dass die Mutter bewusst oder unbewusst der Auslöser diesen Verhaltens ist. Auch wenn Sie sich das noch so sehr wünschen, können Sie das Verhalten der Mutter nicht ändern, das kann nur sie selbst. Sie können aber an Ihrer Reaktion arbeiten, denn nicht die Mutter macht Sie wütend, sondern Sie selbst werden wütend. Dabei steht im Fokus, dass Sie lernen Ihre Wut zu kontrollieren, um einen klaren Kopf zu behalten. Nur so können Sie besonnen und effektiv agieren. Werden Sie vom Opfer zu jemandem, der die Situation beherrscht.

Stellen Sie sich vor, sie wollen Ihr Kind zum Umgang abholen. Vielleicht hat der Anwalt Ihrer Exfrau gerade wieder eine neue unverschämte Unterhaltsforderung geschickt, was Sie natürlich wütend macht. Lenken Sie Ihre Gedanken auf positive Dinge, Sie werden gleich Ihr Kind wieder sehen. Lassen sie die Wut über das Anwaltsschreiben nicht die Kontrolle übernehmen, das hat Zeit bis nach dem Umgang.

Angekommen bei der Ex sind sie also vergleichsweise entspannt. Sie lässt Sie wieder einmal warten, was Sie ärgerlich macht, denn Sie waren lange unterwegs und sind wie fast immer pünktlich. Als Sie nach 10 Minuten die Tür öffnet, fragt Sie warum Sie denn schon dreimal geklingelt hätten, dies sei in Zukunft zu unterlassen. Sie öffnet wenn sie es für richtig hält. Als nächstes lenkt Ihre Ex das Gespräch auf die Unterhaltsforderung. Direkt neben ihr zieht sich gerade ihr Kind an. Jetzt platzt Ihnen der Kragen, oder?

Um mit solchen Situationen umgehen zu können, müssen Sie vorbereitet sein. Wenn Sie ehrlich sind, war zu erwarten, dass die Ex das Thema Unterhalt anspricht. Selbst wenn kein derartiger Anlass vorliegt, sollten Sie sich innerlich darauf vorbereiten, angegriffen, beleidigt oder provoziert zu werden. Machen Sie sich klar, dass all das nichts mit Ihnen zu tun hat, sondern nur der Unzufriedenheit Ihrer Ex entspringt oder gar eine gezielte Provokation ist.

Natürlich fällt es auch wenn man vorbereitet ist schwer, in einer solchen Situation ruhig zu bleiben. Dafür müssen Sie Ihre Wut rechtzeitig stoppen. Wut kündigt sich durch körperliche Reaktionen an. Das Stresshormon Adrenalin wird massiv ausgeschüttet. Die Atmung wird flacher. Ihre Muskel spannen sich, das Herz wird schneller, der Blutdruck steigt. Lernen Sie diese Symptome bei sich selbst wahrzunehmen. Sagen Sie sich bewusst innerlich: „Vorsicht ich werde wütend!“ und steuern Sie beim kleinsten Anzeichen sofort dagegen. Das geht am besten wenn Sie sich der Situation entziehen. Bei der beschriebenen Abholsituation wird das schwer möglich sein, aber Sie können trotzdem tief durchatmen, statt verbal oder sonst irgendwie auf die Provokationen zu reagieren.

Bereiten Sie sich Verhaltensmuster vor. Statt Ihrer Ex zu erklären warum ihre Forderung unbegründet ist, könnten Sie Ihr antworten, dass sie das Schreiben bereits erhalten haben und demnächst beantworten werden. Lehnen Sie jede kontroverse Diskussion beim Abholen des Kindes ab. Das hat dort nichts zu suchen. Es versteht sich von selbst, dass auch Sie solche Themen nicht ansprechen.

Auch die Situation mit dem Kind nach dieser Situation sollte gut vorbereitet sein. Kinder haben ein sehr feines Gespür. Lassen Sie auf keinen Fall Ihrer bis dahin unterdrückten Wut freien Lauf. Sie können stattdessen die Lieblings CD des Kindes schon vorbereitet haben und für sich selbst ein Thema mit dem Sie sich vom gerade Erlebten ablenken können. Haben Sie sich schon besser unter Kontrolle, dann sollten Sie ein für das Kind schönes Gesprächsthema parat haben. Vielleicht haben Sie eine tolle Aktivität geplant oder sonst irgend eine Idee.

Falls Sie z.B. beim Gespräch mit einem Mitarbeiter vom Jugendamt spüren, dass sie wütend werden, gehen Sie z.B. kurz zur Toilette und beruhigen sich draußen, statt impulsartig zu kontern. Alternativ können Sie auch ohne den Raum zu verlassen einzelne Bereich Ihres Körpers gezielt anspannen und dann langsam entspannen.

Briefe, WhatsApp-Nachrichten oder ähnliches beantworten Sie nicht direkt wenn Sie sie erhalten. Zumindest sollten Sie die Antwort nicht direkt abschicken, sondern die sprichwörtliche Nacht darüber schlafen. Dann gehen Sie jeden Satz kritisch durch und fragen sich ob er eine sachlich erforderliche Aussage enthält. Alle reinen Seitenhiebe löschen Sie.

Langfristig werden Sie es immer besser schaffen, mit Ihrer Wut umzugehen. Dazu sollten Sie nach solchen Situationen möglichst genau analysieren, warum Sie wütend geworden sind. Vielleicht sind Ihre eigenen wunden Punkte Ihnen bisher gar nicht bewusst. Wenn Sie dann einem (ehemals) vertrauten Menschen gegenüber stehen, der Ihnen dieses Wissen voraushat, kann er Sie eventuell mit scheinbar harmlosen Bemerkungen völlig aus der Bahn werfen. Je besser Sie sich selbst kennen, umso leichter können Sie einem derartig hinterhältigen Angriff ausweichen.

Wenn Sie wegen Ihrer Situation ständig Wut und innere Unruhe fühlen, versuchen Sie sich abzulenken. Treffen Sie sich mit Freunden, gehen Sie Ihrem Hobby nach, powern Sie sich beim Sport aus.

Das beschriebene Beherrschen der Wut hat nichts mit Schwäche zu tun. Wer es schafft seine Emotionen, besonders die (verständliche) Wut, so zu kontrollieren, wird als besonders souverän wahrgenommen. Wenn Sie diese Fähigkeit beherrschen, können Sie gelassen und bewusst mit Ihrem Gegenüber agieren. Ein durchaus etwas lauteres aber kontrolliertes „Jetzt ist Schluss! Ich werde das jetzt nicht diskutieren!“ oder ein nicht weiter kommentiertes „Nein!“ wirken dann manchmal Wunder.

Für all das gibt es kein Patentrezept. Üben Sie sich selbst zu beobachten und zu kontrollieren. Das bedeutet viel Arbeit und Kraft, aber es lohnt sich. Sehen Sie Ihre Wut als wichtigen Antrieb für dringende Veränderungen in Ihrem Leben. Langfristig werden Sie so im Umgang mit der Mutter Ihres Kindes und anderen Personen erfolgreicher sein und weniger Angriffsflächen bieten.

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