Das Europäische Parlament hat Ungarn abgesprochen, eine Demokratie zu sein. Unter Sachverständigen herrsche zunehmend Einigkeit darüber, "dass Ungarn keine Demokratie mehr ist", hieß es in einer von der Mehrheit der Abgeordneten gebilligten, nicht bindenden Entschließung. Ungarn sei "zu einem hybriden System der Wahlautokratie geworden".

Die Abgeordneten kritisierten auch die Europäische Union selbst, nicht entschlossen genug gehandelt zu haben. Das Parlament bedauere, "dass das Fehlen entschlossener Maßnahmen der EU zu einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen hat".

Europaabgeordnete haben die EU-Kommission mehrfach aufgefordert, etwas gegen mutmaßliche Rechtsstaatsverstöße in Ungarn zu tun und dem Land womöglich EU-Gelder zu kürzen. Im April löste die oberste EU-Behörde nach langem Zögern den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus aus. Damit können bei Verstößen gegen gemeinsame Grundwerte Zahlungen aus dem EU-Haushalt für Länder gekürzt werden.

EU-Kommission könnte am Sonntag Kürzungen beschließen

Die Kommission wirft Ungarn unter anderem Korruption, Interessenskonflikte und massive Probleme bei der öffentlichen Auftragsvergabe und der Parteienfinanzierung vor. Dahinter steht der Verdacht, eine Gruppe um den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán bereichere sich zum Schaden des gemeinsamen EU-Haushalts.

Einen Vorschlag zu Mittelkürzungen an die Mitgliedstaaten könnte die Kommission an diesem Sonntag beschließen, berichtete die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Informationen aus EU-Kreisen. Zudem werde die Behörde Empfehlungen beschließen, wie die Missstände in Ungarn behoben werden könnten. Sollten alle Empfehlungen umgesetzt werden, könnte es sein, dass gar nicht erst Geld eingefroren wird.

Die ungarische Regierung hatte zuletzt erste Schritte im Kampf gegen Korruption angekündigt. Unter anderem will sie eine unabhängige Behörde einrichten, die die Verwendung von EU-Mitteln überwacht.