Trolle gibt es nicht nur im Internet, sondern leider auch in der Politik. Der BDK ist einer davon, der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Immer, wenn irgendwo im Land ein Verbrechen passiert oder vor Gericht verhandelt wird, das öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, fordert der BDK kurz darauf Zugriff auf mehr Daten und mehr Überwachungstechnik für die Polizei.

Gerade wird in Würzburg einem Lkw-Fahrer der Prozess gemacht, der aus seiner Fahrerkabine heraus auf andere Autofahrer geschossen haben soll. Der Mann wurde gefasst. Was aber verlangt der BDK? Er will Mautdaten für Fahndungs- und Ermittlungszwecke nutzen.

Zitat aus der Mitteilung der kleinsten Polizeigewerkschaft – die wortgleich im November 2013 schon einmal verschickt wurde: "Nicht zuletzt der Fall des 'Lkw-Schützen' (…) macht mehr als deutlich, dass die Strafverfolgungsbehörden einen gesetzlich geregelten und unter Richtervorbehalt stehenden Zugriff auf die ohnehin erhobenen Mautdaten der Bundesfernstraßen benötigen."

Nein, den benötigen sie nicht. Der Zugriff auf Mautdaten ist illegal. Im entsprechenden Gesetz ist eindeutig geregelt, dass diese Daten nicht für die Überwachung des Autoverkehrs genutzt werden dürfen – denn das ist mit ihnen möglich. Genau wie bei der Vorratsdatenspeicherung ließe sich mit ihnen noch nach Monaten feststellen, wer wann wo und mit wem in seinem Auto herumgefahren ist. Überwachung, Bewegungsprofile, Ende der Privatsphäre.

Das Mautgesetz wurde einst überhaupt nur unter der Bedingung hingenommen, dass die Daten nie zur Überwachung genutzt werden. Der BDK will das nicht akzeptieren und fordert mit schöner Regelmäßigkeit, dieses Gesetz zu ändern.

Mit welchem Argument? "Mithilfe der Mautdaten könnten wertvolle Fahndungsansätze bei Straftaten von erheblicher Bedeutung gewonnen werden." Ja, keine Frage. Der Preis dafür aber wäre, den gesamten Straßenverkehr jederzeit zu überwachen. Die gleiche Debatte gibt es bei der Kommunikation. Auch die würde der BDK gern komplett ausspionieren und fordert seit Jahren die Vorratsdatenspeicherung. Aus gutem Grund lehnen viele Bürger, vor allem aber die höchsten Gerichte, das immer wieder ab: Weil es die Gesellschaft zerstört, wenn sie komplett überwachbar wird.

Auge um Auge macht blind

Den BDK ficht das nicht an und er nutzt dabei in Trollmanier gern abwegige Argumente. Zitat aus der Mitteilung: "Im November 2005 wurde ein Parkplatzwärter in Baden-Württemberg von einem Lkw überfahren und tödlich verletzt. Obwohl das Tatfahrzeug durch mehrere Mautkontrollstellen gefahren sein muss und dort Daten angefallen sind, war der Polizei eine Rekonstruktion des Fluchtweges nicht möglich. Die Polizei durfte nicht auf die sowieso erfassten und vorhandenen Daten zugreifen. Fragen Sie bitte mal die Angehörigen des Opfers, was diese davon halten", so BDK-Chef Andre Schulz.

Nein, Opfer von Verbrechen und deren Angehörige werden aus gutem Grund nicht gefragt, wie die Täter ermittelt und bestraft werden sollen. Würde das getan, würden reihenweise Verdächtige gefoltert und Täter hingerichtet. Auge um Auge wäre das Prinzip, und das Ergebnis wären Rache und Gewalt. Deswegen gibt es Gesetze und Gerichte, die nüchtern abwägen. Und die haben entschieden, Mautdaten nicht zu verwenden, da der Preis, den die Gesellschaft dafür zahlen müsste, zu hoch ist.

Apropos Lkw-Fahrer. Der Mann, der nun vor Gericht steht, wurde mit einem bereits ziemlich umstrittenen Ermittlungsinstrument gefunden, mit der automatischen Kennzeichenerfassung. Das Bundeskriminalamt hatte 2013 während der Fahndung nach ihm an sieben Autobahnabschnitten Lesegeräte aufgestellt, die alle Autonummern der Vorbeifahrenden speicherten – Mautdaten light sozusagen.

Solche Kennzeichenscanner nutzt die Polizei in mehreren Bundesländern, am stärksten in Bayern. Immer wieder sind sie Thema bei Gerichten. 2008 urteilte das Bundesverfassungsgericht, die Kennzeichenerfassung greife in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Vor allem, wenn das flächendeckend passiert und wenn die Daten gespeichert werden.

Datenschutz = Täterschutz?

Sieben Autobahnabschnitte genügten, um den Schützen zu ermitteln. Die sieben wurden mit klassischer Polizeiarbeit identifiziert, dort gab es die meisten Schüsse. Dem BDK genügt das nicht, denn die Mautdaten seien ja ohnehin vorhanden, behauptet er. Aber das sind sie nicht. Sie werden – wenn geprüft wurde, ob die Maut bezahlt ist – nach wenigen Sekunden noch in der Mautbrücke gelöscht. Das hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte gefordert.

Datenschutz sei Täterschutz, sagt der BDK. Beziehungsweise wörtlich: "Datenschutz und Opferschutz stehen hier in einem krassen Missverhältnis. Und mit Ausspähung habe das alles nichts zu tun.

Noch einmal: nein. Diese Paniklogik führt dazu, dass es viel mehr Opfer gibt. Jeder, der unschuldig überwacht und ausgespäht wird, wird zum Opfer. Denn selbstverständlich ist das Ausspähung, beziehungsweise wird sie dadurch problemlos möglich. Ein hoher Preis.

Der Staat darf nicht grenzenlos sammeln und speichern, auch wenn er das will. Weil er sonst zum Überwachungsstaat wird, in dem auch die Überwacher irgendwann nicht mehr werden leben wollen.