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Einschränkung der Netzneutralität US-Telekom-Behörde stimmt für Zwei-Klassen-Internet

Trotz massiver Kritik hat die US-Telekom-Aufsicht FCC kostenpflichtige Überholspuren im Internet gebilligt. Der Regelentwurf hatte vehemente Proteste ausgelöst, nun steht sein Inhalt bis Juli zur Diskussion.
FCC-Vorsitzender Wheeler: Regelvorschlag angenommen

FCC-Vorsitzender Wheeler: Regelvorschlag angenommen

Foto: ALEX WONG/ AFP
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Washington - "Es gibt nur ein Internet. Kein schnelles Internet, kein langsames Internet - ein Internet". Mit Sätzen wie diesen hat der Chef der amerikanischen Telekommunikations-Aufsichtsbehörde FCC (Federal Communications Commission) für seine Reformpläne zum Thema offenes Internet geworben. Am Ende stimmten die fünf Kommissionäre wie erwartet mit drei zu zwei Stimmen für den umstrittenen Regelvorschlag Tom Wheelers, über den in den USA seit Wochen hitzig debattiert wird.

Verbraucherschützer und IT-Firmen hatten Wheelers für die Pläne scharf kritisiert. Er hatte vorgeschlagen, einige "wirtschaftlich sinnvolle" Deals zu erlauben, bei denen Anbieter von Inhalten im Netz ihren Traffic bevorzugt behandeln lassen können - wenn sie die Internetanbieter dafür bezahlen. Verbraucherschützer verurteilen das als eine Verletzung des Prinzips der sogenannten Netzneutralität, wonach alle Daten gleich behandelt werden müssen. Internetanbieter fordern dagegen die Möglichkeit, verschiedene Preismodelle anzubieten.

Den genauen Wortlaut von Wheelers Vorschlag kennt allerdings außerhalb der FCC bislang niemand. Beim Treffen der FCC-Kommissionäre stellte der Vorsitzende nun einige Punkte des Vorschlags vor. So soll es Internetanbietern zum Beispiel verboten sein, die Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass Kunden nicht mehr das Tempo bekommen, für das sie bezahlt haben. Wheeler betonte, dass es sich zunächst nur um einen Vorschlag handele, nicht um die finalen Regeln. Von nun an habe die amerikanische Öffentlichkeit 60 Tage Zeit, sich an der Ausgestaltung der Regeln zu beteiligen. Die FCC hat dann weitere 60 Tage Zeit , darauf zu reagieren.

Zwischenrufer werden aus dem Saal geführt

Eingemischt haben sich die Bürger schon jetzt: In ihren Stellungnahmen wiesen mehrere Kommissionäre darauf hin, wie viele E-Mails, Anrufe und Briefe sie in den letzten Wochen bekommen haben - das Thema Netzneutralität scheint die Massen zu mobilisieren. Allein Tom Wheeler soll Tausende E-Mails bekommen haben. Vor dem FCC-Gebäude haben am Donnerstag rund hundert Aktivisten protestiert, mit Slogans wie "Befreit das Internet". Auch im Saal kam es mehrfach zu Zwischenrufen von Demonstranten. Eine junge Frau, die aufstand und lautstark ein "freies Internet" forderte, wurde von Sicherheitskräften abgeführt.

Bei der Debatte zur Netzneutralität geht es nicht nur um idealistische Grundsätze, sondern auch um viel Geld. In der vergangenen Woche hatten sich fast 140 Firmen mit einem Brief für das Prinzip der Netzneutralität eingesetzt und sich dagegen ausgesprochen, kostenpflichtige Datenüberholspuren zu ermöglichen. Zu den Unterzeichnern des Schreibens gehören fast alle Firmen, die in der Branche Rang und Namen haben. Mit dabei sind etwa Google, Microsoft, Netflix, Facebook, Amazon, Twitter, Reddit, Yahoo, Tumblr, 4chan, Dropbox, Mozilla und Imgur.

Die Unternehmen fürchten, die Reformpläne der FCC könnten ihrem Geschäft schaden. Neben Unternehmen hatten sich auch zahlreiche Privatpersonen an Protestaktionen beteiligt, zum Beispiel, indem sie den Zugang zu ihren eigenen Websites zeitweise künstlich verlangsamten. Im Gegensatz zu den USA ist die Netzneutralität in der Europäischen Union immerhin schon auf dem Weg, politisch festgeschrieben zu werden.

mbö/juh/Reuters/dpa