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Vermutlich älteste Flaschenpost der Welt: Nachricht erreicht Enkelin des Absenders

Foto: Angela Erdmann

Enkelin des Absenders "Die Flaschenpost hat unsere Familie näher zusammengebracht"

Die wohl älteste Flaschenpost der Welt ging kürzlich einem Fischer aus Kiel ins Netz. Richard Platz hatte sie vor 101 Jahren losgeschickt. Seine Enkelin Angela Erdmann spricht im Interview über einen überraschenden Besuch, Familienforschung und die Abenteuerlust ihres Großvaters.

Berlin - Angela Erdmann ahnte nicht, dass sie etwas mit dem unglaublichen Fund zu tun haben könnte. Anfang März entdeckte Konrad Fischer die Bierflasche, die ihr Großvater Richard Platz 1913 losgeschickt hatte - die wahrscheinlich älteste Flaschenpost der Welt. Ihr Inhalt: eine Postkarte mit der Bitte, der Finder möge sie an seine Adresse in Berlin zurückschicken, und zwei Briefmarken. Der komplette Wortlaut der Nachricht ist bislang nicht entziffert worden.

Zwar hatte Erdmann, 62, von der Flaschenpost gehört, aber auf die Idee, dass sie etwas mit ihr zu tun haben könnte, kam sie nicht. Bis am 13. März schließlich der Familienforscher Veit Godoj vor ihrer Tür in Berlin-Pankow stand. Er hatte sich auf die Suche nach Nachfahren von Platz gemacht und Angela Erdmann gefunden.

SPIEGEL ONLINE: Frau Erdmann, was haben Sie gedacht, als Herr Godoj bei Ihnen geklingelt hat?

Erdmann: Ich war total überrascht. So eine Flaschenpost ist für Berliner ja zunächst uninteressant. Keiner aus unserer Familie hat sich in Verbindung mit dem Fund gebracht. Als ich dann von meinem Opa hörte, kullerten die Tränen. Er war sechs Jahre vor meiner Geburt gestorben, jetzt kann ich ihn endlich ein bisschen kennenlernen. Meine Oma ist 1962 nach Zweibrücken gezogen und hat fast alle Fotos mitgenommen. Wir hatten zwei Fotoalben. Ein bisschen was wusste ich über meinen Opa, aber eben nicht so viel. Ich habe sofort meine Cousine angerufen.

SPIEGEL ONLINE: Und was hat sie dazu gesagt?

Erdmann: Meine Cousine Dagmar Born war auch sehr aufgeregt. Sie betreibt schon seit ein paar Jahren Ahnenforschung zu unserer Familie. Sie hat mir dann viele Dokumente, Briefe und Fotos über meinen Opa zugeschickt.

SPIEGEL ONLINE: Und was konnten Sie alles über Ihren Großvater rausfinden?

Erdmann: Er war Berliner und hat von 1892 bis 1946 gelebt. Er wurde nur 54 Jahre alt. Welchen Beruf er genau hatte, wissen wir nicht. Aber er war auf jeden Fall sehr vielseitig interessiert: Er gehörte der Jugendbewegung "Wandervögel" an und setzte sich für Toleranz gegenüber allen Religionen ein. Er war Mitglied der SPD und hat in der Reichskulturkammer gearbeitet. Außerdem war er Schriftsteller und hat unter dem Pseudonym "Riedel" Platz Reiseberichte veröffentlicht.

SPIEGEL ONLINE: Und was wissen Sie über die Flaschenpost?

Erdmann: Er war immer auf Reisen. Später hatte er auch ein eigenes Paddelboot. Mitte der dreißiger Jahre fuhr er damit 1100 Kilometer in 15 Tagen in Richtung Deutsch-Eylau in Ostpreußen, weil da die Heimat seiner Frau Ella war. Er hatte sie 1919 geheiratet. Vielleicht hat er auf einer seiner Touren auch die Flaschenpost in die Ostsee geworfen. Die Bierflasche könnte aus dem Geschäft von Ellas Vater stammen. Er hatte eine Brauerei. Später nahm er seine Frau und seine beiden Töchter Gudrun und Sieglinde auf seine Touren mit.

SPIEGEL ONLINE: Und was bedeutet der Fund für Sie?

Erdmann: Er hat unsere ganze Familie näher zusammengebracht. Ich wusste gar nicht, wer da noch alles existiert: Ich habe dann von meiner Cousine die E-Mail-Adresse von der Tochter des Bruders meines Opas, Georg Platz, bekommen und sie kontaktiert. Sie hat sich sehr gefreut. Ihre Familie verfolgt die Flaschenpost-Geschichte auch sehr aufmerksam. Bald wollen wir alle einen Ausflug nach Hamburg zum Internationalen Maritimen Museum  machen, wo die Flaschenpost gerade ausgestellt wird. Meine Kinder kommen bestimmt auch mit.

SPIEGEL ONLINE: Was passiert jetzt mit der Flaschenpost?

Erdmann: Wenn es nach mir geht, soll sie im Museum bleiben. Dann haben alle die Möglichkeit, sie sich anzusehen. Es ist einfach schön, dass mein Opa da jetzt seine eigene kleine Ausstellung hat. Aber der Finder hat da ja auch noch ein Wörtchen mitzureden.

Das Interview führte Sophia Münder

Die Flaschenpost kann im Internationalen Maritimen Museum  in Hamburg besichtigt werden. Öffnungszeiten: Di - So 10 - 18 Uhr, Mo geschlossen.