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Prokon-Insolvenz Wie raus aus der "Genussrechtsfalle"?

Rund 1,4 Milliarden Euro hat Prokon bei Anlegern eingesammelt - mit Hilfe von Genussscheinen zu teils unterschiedlichen Bedingungen. Das macht den Fall für Anleger kompliziert. Anlegerschützer und Anwälte laufen sich warm, um für ihre Klientel das Beste herauszuholen.
Ein einziges Geldgrab? 75.000 zumeist private Anleger haben Prokon Kapital anvertraut und Genussscheine gekauft

Ein einziges Geldgrab? 75.000 zumeist private Anleger haben Prokon Kapital anvertraut und Genussscheine gekauft

Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

Frankfurt am Main - "Das ist ein trauriger Tag für die betroffenen Anleger. Klar ist aber auch, dass nicht die Anleger an der Misere Schuld sind. Diesen Schuh muss sich schon das Prokon-Management anziehen", kommentiert Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW, die Prokon-Insolvenz.

Ursprung der Insolvenz sei die handwerklich fehlerhafte Kombination von langfristigen Projekten, die das Kapital zehn bis 20 Jahre binden, mit der Finanzierung durch höchst kurzfristig kündbares Genussscheinkapital, so die DSW.

Für die Anleger wird es jetzt kompliziert. "Die Tatsache, dass die rund 1,4 Milliarden Euro, die das Unternehmen bei Anlegern eingesammelt, als Genussscheine mit teilweise recht unterschiedlichen Bedingungen ausgestaltet sind, macht den Prokon-Fall nicht nur einzigartig, sondern auch juristisch äußerst komplex", sagt Tüngler.

Genussscheine stellen eine Mischform aus Fremd- und Eigenkapital dar. "Als Kapitalgeber haben die Investoren lediglich sogenannte nachrangige Forderungen in der Hand", erklärt Tüngler. Und die bekommen erst dann Geld, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt sind.

Anlegerschützer machen Prokon-Investoren Hoffnung

"Wir werden uns verstärkt mit den Möglichkeiten beschäftigen, die Genussscheinzeichner im Rang besser stellen als dies bisher der Fall ist", kündigte Tüngler an. Entscheidend sei zudem, dass die Genussscheininhaber sich organisieren, da sie eben "keine Gläubiger im klassischen Sinne" seien.

Trotz Nachrangigkeit und angemeldeter Insolvenz bestehe durchaus Hoffnung, dass Anleger zumindest einen Teil ihres Geldes wiedersehen, zeigte sich die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) am Donnerstag überzeugt. Prokon verfüge über werthaltige Vermögenswerte wie etwa Windkraftanlagen, die zu großen Teilen den Genussrechtsinhabern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung stehen müssten, teilte die SdK mit.

Noch können Prokon-Anleger ihre Ansprüche nicht zur Insolvenztabelle anmelden, da bislang lediglich das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dies ist erst nach Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens möglich. Marc Gericke, Kapitalrechtsexperte der Siegburger Kanzlei Göddecke, rechnet frühestens in ein bis zwei Monaten damit.

Mögliche Wege aus der "Genussrechtsfalle"

Der vorläufige Insolvenzverwalter prüft jetzt zunächst einmal, worin das Genussrechtskapital in Höhe von etwa 1,4 Milliarden Euro investiert wurde und welche Vermögenswerte tatsächlich vorhanden sind. Erst dann kann beurteilt werden, wie werthaltig das Prokon-Vermögen tatsächlich ist und ob für die Genussrechteinhaber Verwertungschancen bestehen.

Kapitalrechtsexperte Gericke glaubt zwei Wege zu erkennen, Prokon-Anleger aus der "Genussrechtsfalle" zu befreien und ihre Forderungen aus besagter Nachrangigkeit zu holen. Zum einen über die Genussrechtsbedingungen: Diese hält er für intransparent und glaubt das vor Gericht auch begründen zu können. Die mögliche Konsequenz: "Die Verträge sind dann unwirksam, und die Anleger haben bei der Verteilung der Insolvenzmasse automatisch bessere Karten", sagt Gericke.

Der zweite Weg aus der Nachrangigkeit könnte über Schadensersatzansprüche führen. Für solche sieht die Kanzlei Göddecke bei Prokon Ansätze: Zum Beispiel dann, wenn sich herausstellen sollte, dass frisches Anlegerkapital zur Zahlung von Zinsen verwendet wurde, anstatt zur Investition in neue Erneuerbare-Energien-Projekte, wie es die Angaben in dem Prospekt vorsehen. Der Anleger könnte dann wegen Falschangaben im Prospekt klagen und auch auf diesem Weg aus der Nachrangigkeit herauskommen, sagt Gericke.

Die SdK rät jedem Anleger, vor einer mögliche Klage dringend zu prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung für die Kosten aufkommt und der Anleger schlechtem Geld womöglich nicht auch noch gutes hinterherwirft.

Anwalt Gericke weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich für Genussrechteinhaber lohnen könnte, ihre Interessen bei Anlegerschützern zu bündeln. Etwa bei der zu prüfenden Frage, ob ein Prospektfehler vorliegt und das ein vielversprechender Weg ist, aus der Nachrangigkeit zu entkommen. So ein Verfahren könnte eine Anlegerschutzorganisation stellvertretend für alle Anleger führen.

la/rei