Du bist hier: Serienjunkies » News »

House of Cards: Der neue Vizepräsident - TV-Kritik

Gemeinsam sind sie stark: das Investigativduo Zoe Barnes (Kate Mara) und Janine Skorsky (Constance Zimmer). / (c) Netflix
Gemeinsam sind sie stark: das Investigativduo Zoe Barnes (Kate Mara) und Janine Skorsky (Constance Zimmer). / (c) Netflix

Im Staffelfinale von House of Cards fahren die Autoren noch einmal ihr volles Politbashingarsenal auf. Die etwas pathos- und metapherüberladene Episode verfolgt jedoch auch eindringlich die Recherchebemühungen der Journalistencharaktere. Das offene Ende verspricht eine weitere spannende Staffel.

Die Abschlussepisode der ersten Staffel der Dramaserie House of Cards vereint noch einmal sämtliche Elemente, mit denen der Politthriller bei Publikum und Kritik für ambivalente Reaktionen gesorgt hat. Der mächtige Kongressabgeordnete Frank Underwood (Kevin Spacey) darf sich wieder einmal als das Übel der Menschheit gerieren. Er ist der einzige zentrale Charakter der Serie, bei dem keinerlei persönliche Entwicklung festgestellt werden kann.

I'm an invader without an army

Für einen kurzen Moment scheint sich das Blatt jedoch zu wenden. Da steht Frank also in der Kirche und lässt sich auf ein Zwiegespräch mit Gott ein. Spätestens an dieser Stelle hätte es die Möglichkeit gegeben, dem Charakter zumindest einen Anflug von Bedauern, wenn nicht gar Besinnung zu gönnen. Im nächsten Moment verpufft jedoch auch diese Hoffnung und wandelt sich in ihr genaues Gegenteil: „There is no solace above or below. Only us. Small, solitary, striving, battling one another. I pray to myself. For myself.“ Die metapherschweren Szenen bringen die Handlung also wieder einmal nicht voran, sondern zeichnen Underwood weiter als düstersten aller Charaktere ohne Gewissen oder Moral.


© IMAGO
Ein Handshake unter den Mächtigsten des Landes: Frank Underwood (Kevin Spacey; r.) hat eine Zwischenetappe erreicht. © Netflix
Ein Handshake unter den Mächtigsten des Landes: Frank Underwood (Kevin Spacey; r.) hat eine Zwischenetappe erreicht. © Netflix

Was die Kirche nicht besorgen kann, muss dann also von einer anderen Religion übernommen werden: dem Kapitalismus. Im Streitgespräch mit einem Vorstandsmitglied von SanCorp. wird Frank zum ersten Mal klar in die Grenzen gewiesen. Wie ein Schuljunge muss er sich die Lektion erteilen lassen, wer im amerikanischen politisch-industriellen Komplex wirklich die Fäden in der Hand hält. Diese - für ihn neue - Erfahrung lässt ihn jedoch keineswegs ernüchtert, sondern eher noch tatkräftiger zurück. Daheim in Washington, D.C. spinnt er weiter an seinem Plan, der nächste Vizepräsident der Vereinigten Staaten zu werden.

Dazu glaubt er, sich seines vermeintlichen Widersachers Raymond Tusk (Gerald McRaney) entledigen zu müssen. Sein Plan sieht vor, das Vorhaben des Präsidenten Walker, Tusk zu seinem neuen Vizepräsidenten zu machen, zu untergraben. Dieser scheitert jedoch vorzeitig an seinem etwas wahnwitzigen Plan, SanCorp. dazu zu überreden, das viel größere Firmenkonglomerat von Tusk durch feindliche Übernahmen von Tochtergesellschaften anzugreifen. Letztgenannter ist ihm gleichzeitig einige Schritte voraus.

Bei einem von Lobbyist Remy Danton (Mahershala Ali) eingefädelten konspirativen Treffen mit Tusk erfährt er dann, wie sehr selbst einflussreiche Politiker am Tropf des Big Business hängen. Immerhin schafft er es, den von Tusk gewünschten Blankoscheck in ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis umzuwandeln. Und natürlich bekommt er den gewünschten Vizepräsidentenposten. Dabei ist er jedoch nichts weiter als eine Marionette der Tusk'schen Wirtschaftsinteressen.

I won't let people like you fuck up the world my child has to live in

Der ist nämlich alleine daran interessiert, seinen Einfluss in der amerikanischen Außenhandelspolitik - vor allem gegenüber China - gewahrt zu wissen. Dort lagern 95 Prozent eines für seine Atomkraftwerke unabdingbaren Rohstoffs. Frank Underwood scheint dies egal zu sein. Die einzige Motivation, die er für eine Nominierung zum Vizepräsidenten benötigt, ist die Tatsache, dass dieser traditionell ein Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen ist. Anders dürfte nicht zu erklären sein, wieso überhaupt irgendein ambitionierter Politiker dieses Amt anstreben sollte. De facto ist der amerikanische Vizepräsident nämlich ein zahnloser Tiger, wie schon Underwoods Vorgänger Matthews (Dan Ziskie) leidlich erfahren musste.


© IMAGO
Bekommt zum Ende der Staffel noch einmal einen starken Auftritt: Sandrine Holt als Gillian Cole. © Netflix
Bekommt zum Ende der Staffel noch einmal einen starken Auftritt: Sandrine Holt als Gillian Cole. © Netflix

Was Underwood während seiner Intrigen und Komplotte noch gar nicht mitbekommen hat: Seine ehemalige Geliebte Zoe Barnes (Kate Mara) ist zusammen mit Kollegin Janine Skorsky (Constance Zimmer) und Liaison Lucas Goodwin (Sebastian Arcelus) auf seiner heißen Spur. Nachdem sie minutiös rekonstruiert haben, wie es zur Verhaftung und schnellen Freilassung des ermordeten Peter Russo (Corey Stoll) kam, führen ihre Recherchen zum ehemaligen Callgirl Rachel Posner (Rachel Brosnahan). Die ist ihnen zwar keine große Hilfe, bringt sie aber ins Spekulieren. Schließlich decken sie auf, dass Underwood und seine rechte Hand Doug Stamper (Michael Kelly) nur ein großes Ziel haben: die Vizepräsidentschaft.

Ganz ohne Widerstand dürften ihre weiteren Recherchen jedoch nicht ablaufen, denn dank Rachel und Russos ehemaliger Mitarbeiterin Christina Gallagher (Kristen Connolly) ist Stamper über die letzten Schritte des Investigativtrios informiert. Zudem werden sie weiterhin für Underwoods Zwecke missbraucht. Ein an Zoe weitergereichtes Dokument über den Tagesablauf des Präsidenten nährt erste Pressespekulationen über den neuen Vizepräsidenten.

Während Frank Underwood also ein politisches Zwischenziel erreicht, scheint seine Angetraute Claire (Robin Wright) keinen Ausweg aus ihrer momentanen Sackgasse zu finden. Nachdem sie ihrer Mitarbeiterin Gillian Cole (Sandrine Holt) ihr wahres Gesicht gezeigt hatte, nutzt die ihre eigene Schwangerschaft aus, um ein öffentlichkeitswirksames Forum zu erhalten, von dem sie ihren persönlichen Rachefeldzug gegen Claire und deren verdorbene Ideale führen kann. Verdient hat sie es.

Fazit

Im Staffelfinale von House of Cards werden die bisherigen Stilmittel durch den doch etwas übertriebenen Einsatz von Pathos und Metaphern (die Kerzen in der Kirche/das kaputte Rudergerät) ergänzt. Pathetisch wird es vor allem immer dann, wenn Kevin Spacey direkt in die Kamera spricht.

War dieses Stilmittel in den ersten Episoden noch eine nette Abwechslung, so wird es über den Verlauf der Staffel doch zu einer eigentlich überflüssigen Plattform zur Dämonisierung Underwoods. Allein die Handlungen des durchtriebenen Politikers hätten ausgereicht, um seine Machtbesessenheit ausreichend zu beschreiben. So schlagen die Autoren immer und immer wieder in ein- und dieselbe Kerbe. Underwood ist die Inkarnation des Bösen - wir haben verstanden!

Ein Mangel an Kohärenz kann man den Autoren unterdessen nicht unterstellen. Sämtliche Figuren bleiben innerhalb ihrer vorgezeichneten Charakterisierung. Dies kann als besonders realitätsnahes Merkmal der Serie verbucht werden, denn, machen wir uns nichts vor: Menschen ändern sich nicht. So dürfte es jedenfalls das Autorenteam sehen.

Persönliches Wachstum konnte jedoch trotzdem bei einigen Charakteren festgestellt werden. Zoe Barnes und Janine Skorsky bilden ein geniales Rechercheduo und auch Claire Underwood taut zum Ende der ersten Staffel etwas auf. Das Staffelende ist jedoch eher künstlich geraten, wird darin doch kein Handlungsstrang wirklich abgeschlossen. Einerseits spannend, andererseits auch etwas unbefriedigend. Dieses Urteil trifft wohl auch auf die gesamte Staffel zu.

Axel Schmitt

Der Artikel House of Cards: Der neue Vizepräsident - TV-Kritik wurde von Axel Schmitt am Uhr erstmalig veröffentlicht.

maxstilecht bei Instagram

Aktuelle Lieblingsbeiträge der Leser von Serienjunkies

Amazon Prime Video: Neue Serien und Filme im Juni 2024

Prime Video bleibt dem üblichen Turnus treu und ist - wenn diesmal auch ganz knapp - der letzte große VoD-Anbieter, der die Neuheiten für Juni 2024 ankündigt. Diesmal gibt es die Fortsetzung des beliebten Superheldenformats „The Boys“, den Neustart „My Lady Jane“ und Archivware wie „Poker Face“ und „Rules of Engagement“, aber auch Filme wie „I Am Celine Dion“ und „Joker“. [mehr]