Teenager schlafen mit Mami und Papi im Bett

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Tabuthema Co-SleepingTeenager schlafen mit Mami und Papi im Bett

Nicht nur Kinder übernachten manchmal bei den Eltern. Fachleute berichten von über 12-Jährigen, die ständig in deren Bett kriechen.

B. Zanni
von
B. Zanni

Ihr Bett bleibt nachts regelmässig leer. Verraten würden die Mädchen und Jungen dies aber nicht einmal ihren besten Freunden. Co-Sleeping sei ein Tabuthema, sagt Jürgen Feigel, Familientherapeut und Mediator in der Praxis Sinnform. «Die Teenager schämen sich extrem dafür. Vereinzelt suchen Eltern bei mir Rat, weil die 12- bis 14-jährigen Kinder in ihrem Bett schlafen.» Vor fünf Jahren habe er solche Fälle nie erlebt.

Co-Sleeping beginne schleichend, so Feigel. Ein 12-Jähriger etwa sei zuerst nur manchmal zu den Eltern ins Bett gekrochen. «Doch irgendwann wurde es zur Gewohnheit. Weil sich der Junge über Einschlafprobleme zu beklagen begann, liessen sie am Schluss zu, dass er jede Nacht unter ihre Decke schlüpfte.» Auch der Familientherapeut Henri Guttmann sagte jüngst in der Coop-Zeitung: «Kürzlich überzeugte ich einen 12-Jährigen, dass er jetzt im eigenen Bett schlafen müsse.»

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Kollegiales Verhältnis als Grund

Als möglichen Grund für Co-Sleeping sieht Jürgen Feigel das kollegiale Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Viele Eltern seien heute weniger autoritär und durchsetzungsfähig als früher. «Manche Mütter und Väter haben es eventuell verpasst, ihre Kinder rechtzeitig an das Schlafen im eigenen Bett zu gewöhnen.»

Ähnliches beobachtet Henri Guttmann: Selbstverständlich dürften Kinder im Falle von Angst oder Krankheit zu den Eltern ins Bett schlüpfen. «Wenn aber 6-, 8- oder 13-jährige Kinder dauernd im Bett der Eltern stationiert sind, dann haben sie bald einmal das subjektive Gefühl, sie seien hierarchisch gleichgestellt.»

Aber auch der Druck unter Gleichaltrigen spielt eine Rolle. «Messen sich Pubertierende mit den tollen Bildern, die ihre Freunde in den sozialen Medien teilen, löst dies bei einigen Zweifel aus, sodass das Selbstwertgefühl abnimmt und sie das Gefühl haben, in der Gesellschaft nicht zu genügen», sagt Jürgen Feigel. Durch das verminderte Selbstvertrauen suchten Teenager vermehrt elterliche Geborgenheit. «Manchmal führt es dazu, dass sie wieder bei den Eltern unter die Decke schlüpfen.»

«Eltern schenken Kindern zu wenig Zeit»

Die Fachpersonen haben zudem den Eindruck, dass Kinder heute zunehmend später allein schlafen. «Ich berate häufig Eltern von Kindern im Primarschulalter, die immer bei den Eltern schlafen wollen», sagt Susanna Fischer, Familientherapeutin in der Familienpraxis Stadelhofen. Grund dafür sei mangelnde Aufmerksamkeit. «Die emotionale Verfügbarkeit der Eltern hat extrem abgenommen. Mehr Zeit als dem Kind schenken sie dem Handy», so Fischer. Dies habe zur Folge, dass sich Kinder nachts die Nähe einholten, die sie am Tag nicht spürten.

Philipp Lütolf, Psychotherapeut in der Praxix Lütolf, hingegen beobachtet: «Haben Eltern ihren Kindern mit zehn Jahren das Übernachten in ihrem Bett noch nicht abgewöhnt, hören die Kinder im Jugendalter von sich aus selbst damit auf.» Nur Teenager mit traumatischen Erlebnissen wie dem Verlust von Angehörigen oder Gewalterfahrungen schliefen vorübergehend bei den Eltern. Auch Krankheiten könnten Auslöser sein. «Wenn Jugendliche oder deren Eltern selber schwer erkrankt sind, können sie die Nähe zu Mutter und Vater nachts besonders suchen.»

«Jugendliche retardieren wegen Trennung»

Oft tritt das Phänomen des Co-Sleeping laut den Fachpersonen zudem auf, wenn sich die Eltern getrennt haben. Jürgen Feigel, Familientherapeut und Mediator: «Weil sie sich nicht mehr sicher fühlen, retardieren einige Jugendliche.» Meist schliefen die Mädchen und Jungen dann wieder bei der Mutter im Bett.

Schlafe ein Teenager wenige Male wieder im Elternbett, sei dies kein Grund zur Sorge. «Meist vergehen solche Phasen schnell wieder.» Besteht ein Teenager aber regelmässig darauf, müssen Eltern laut Feigel die Rollen des Kindes und der Eltern klären. «Schläft das Kind dann immer noch nicht im eigenen Bett, ist professionelle Unterstützung angezeigt.»

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