Zum Inhalt springen
SPIEGEL ONLINE

Belästigungsvorwürfe Ein altes Problem holt Trump ein

In der Debatte über sexuelle Belästigung gerät der US-Präsident immer stärker unter Druck: Drei Frauen erneuern ihre Anschuldigungen aus dem Wahlkampf. Im Kongress rumort es.

Es war so ein typischer Donald-Trump-Moment. Als er im Wahlkampf von einer Reihe von Frauen beschuldigt wurde, sie sexuell belästigt zu haben, schlug Trump mit Härte zurück. Er beschimpfte die Frauen als "Lügnerinnen", nichts an den Geschichten sei wahr. Zugleich kündigte er an, die Frauen wegen Rufschädigung zu verklagen. Ganz bestimmt. Gleich nach der Wahl.

Tatsächlich hat Trump nicht eine einzige Klage angestrengt. Offenbar hoffte er darauf, die Sache würde sich durch seinen Wahlsieg in Luft auflösen. Doch nun holen ihn die Anschuldigungen mit Macht wieder ein. Die Affäre um den Filmproduzenten Harvey Weinstein, die #MeToo-Debatte, der Streit um den Senatskandidaten Roy Moore in Alabama, die Rücktritte von führenden Politikern und TV-Stars setzen den Präsidenten unter Druck. Immer mehr Amerikaner fragen: Und was ist mit Trump?

Wie so oft hat er die Sache durch eigenes Zutun womöglich nur noch schlimmer gemacht. Seit Tagen unterstützt er vehement den Wahlkampf des stramm rechten Richters Moore in Alabama. Der wird von mehreren Frauen glaubhaft beschuldigt, sie als Teenager sexuell belästigt zu haben. Statt Moore zum Rücktritt aufzufordern, nimmt Trump ihn in Schutz und stellt ihn als prima Kerl dar. Seiner Basis mag das gefallen, aber zugleich heizt Trump damit im ganzen Land die Kontroverse über das Thema an. Jedenfalls dürfte sich die Sache auch nach der für heute geplanten Wahl in Alabama nicht erledigt haben. Ganz gleich, ob Moore gewinnt oder verliert.

Verleumdungsklage gegen Trump

Denn fast täglich werden jetzt in den großen TV-Sendern und Zeitungen die bekannten Vorwürfe gegen den Präsidenten wiederholt: Ein gutes Dutzend Frauen beschuldigt Trump, sie in den vergangenen Jahren begrapscht, geküsst und zum Sex aufgefordert zu haben. Auch das alte Videoband aus der Sendung "Access Hollywood" ist wieder da. Auf dem Mitschnitt ist Trump zu hören, wie er damit prahlt, dass er Frauen ohne ihr Einverständnis küsst und in den Schritt fasst.

Besonders unangenehm für Trump: Drei der Frauen, die ihn seit Monaten glaubhaft beschuldigen, haben ihre Vorwürfe am Montag erneuert und eine parlamentarische Untersuchung gefordert. Offenbar fühlen sie sich durch die #MeToo-Debatte und durch Trumps Engagement für Moore darin bestärkt, den Kampf wieder aufzunehmen.

Trump-Anklägerinnen bei Pressekonferenz

Trump-Anklägerinnen bei Pressekonferenz

Foto: AFP PHOTO / Courtesy of BraveNewFilms.org

Weitere Auftritte dieser Art könnten folgen. In New York klagt eine ehemalige Kandidatin von Trumps alter TV-Sendung "The Apprentice" wegen Verleumdung gegen den Präsidenten. Er soll sie vor zehn Jahren in einem Hotel in Los Angeles begrapscht haben. Als sie die Sache im Wahlkampf öffentlich machte, bezichtigte Trump sie wie andere Frauen einfach der Lüge. Nun muss das Gericht entscheiden, ob die Klage der Frau berechtigt ist, dann könnte der Fall en détail verhandelt werden - Zeugenbefragungen inklusive.

Demokratische Senatorin fordert Trumps Rücktritt

Auch die oppositionellen Demokraten sehen ihre Chance gekommen, Trump anzugreifen. Vier prominente Senatoren der Partei haben Trump bereits zum Rücktritt aufgefordert, darunter Kirsten Gillibrand, eine mögliche Kandidatin für die nächste Präsidentenwahl. "Die Anschuldigungen der Frauen gegen Trump sind glaubwürdig", sagt sie. "Er muss gehen."

Bis vor wenigen Tagen hielten sich die Demokraten in der Sache noch bedeckt, da sie in den eigenen Reihen ähnliche Fälle zu bewältigen hatten, zum Beispiel die Anschuldigungen gegen Senator Al Franken. Doch seitdem Franken in der vorigen Woche zurücktreten musste und Moore und Trump weiter die Unschuldslämmer spielen, sehen sich die Demokraten in einer moralisch überlegenen Position. Nun wollen sie Trump und die Republikaner täglich vorführen. Am liebsten würden sie das Thema bis in das kommende Jahr verlängern, zum Beispiel mit Anhörungen im Kongress, bei denen Trumps mutmaßliche Missetaten ausführlich zur Sprache kommen könnten.

Alarmsignal aus Trumps eigener Partei

Auch wenn Trump wohl kaum einen Gedanken an Rücktritt verschwenden wird, ist die Sache für ihn trotzdem heikel. Er ist in einer Position, die er gar nicht mag - in der Defensive. Sollte ihn das Thema bis in das nächste Jahr verfolgen, wäre das erst recht ärgerlich für ihn. Im Herbst stehen Kongresswahlen an, das Thema könnte den Demokraten dabei helfen, die eigenen Leute gegen Trump und die Republikaner zu mobilisieren.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von X.com, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Das dürfte auch in den Reihen der Republikaner für Nervosität sorgen. Die Interview-Äußerung seiner eigenen Uno-Botschafterin Nikki Haley muss Trump als Alarmsignal dafür sehen, dass sich womöglich in der Partei etwas gegen ihn zusammenbraut. In einem TV-Interview erklärte sie, die Frauen, die Trump beschuldigten, hätten ein Recht, "gehört zu werden". Damit weicht sie von der offiziellen Position des Weißen Hauses ab, dessen Sprecher die Aussagen der Frauen stets schlicht als unwahr und falsch gebrandmarkt hatten.

Trump wird das Zeichen zu deuten wissen. Haley ist bei den Republikanern hoch angesehen. Sicherlich hat sie etwas ausgesprochen, was viele moderate Republikaner genauso sehen, aber nicht zu sagen wagen. Noch nicht.