Ein russischer Familienclan geht pleite – und bittet den Staat um Milliarden-Rettung

In Russland muss die Zentralbank mit der Binbank schon wieder ein Geldinstitut retten, das sich mit einer rücksichtslosen Expansionsstrategie übernahm. Verantwortlich dafür ist eine ebenso reiche wie undurchsichtige Dynastie.

Ivo Mijnssen, Moskau
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Die russische Zentralbank hat am Donnerstag bestätigt, dass sie die Kontrolle über die in Schwierigkeiten geratene Binbank übernimmt. Das zwölftgrösste Geldinstitut des Landes soll nun saniert werden. Dabei wird die Zentralbank auch finanzielle Mittel aus dem im Mai gegründeten Konsolidierungsfonds für den Bankensektor verwenden. In einer ersten groben Einschätzung bezifferte sie den Geldbedarf auf umgerechnet zwischen 4 und 6 Mrd. Fr. Diese sollen primär durch die Safmar-Gruppe aufgebracht werden, der die Binbank gehört, erklärte ein Vertreter der Zentralbank.

Ordnungspolitisches Déjà-vu

Die russische Zentralbank (hier der Sitz in Moskau) greift durch. (Sergei Karpukhin /Reuters)

Die russische Zentralbank (hier der Sitz in Moskau) greift durch. (Sergei Karpukhin /Reuters)

Damit hat sich die Zentralbank zum zweiten Mal innert kurzer Zeit für dieses ordnungspolitisch problematische Mittel entschieden: Bereits Ende August ordnete sie an – in Abkehr von ihrem zuvor harten Kurs gegenüber maroden Banken –, das private Geldhaus Otkritie zu sanieren. Die Aktion könnte zur teuersten Bankenrettung der russischen Geschichte werden.

So teuer wird das Engagement bei der Binbank nicht; das Geldhaus ist eine Nummer kleiner als Otkritie. Auch figuriert es nicht auf der Liste der systemrelevanten russischen Institute. Sonst verbindet die beiden Fälle aber einiges. So wurde die Binbank von der Nervosität der Anleger im Zuge der Turbulenzen um Otkritie erfasst. Banken und Staatsfirmen hoben im August ein Drittel ihrer Einlagen bei der Binbank ab, und auch viele Privatpersonen schlossen ihre Konten. Seither fehlte dem Geldhaus die Liquidität für seine kurzfristigen Verpflichtungen. Deshalb schoss die Zentralbank laut Medienberichten bereits vor der Rettung Geld ein.

Weil der Hauptaktionär Michail Schischchanow keine andere Möglichkeit zur Rekapitalisierung der Binbank sah, wandte er sich am Dienstag an den Staat mit der Bitte um eine Rettung. Wie schon bei Otkritie wird die Zentralbank die operative Leitung übernehmen und Geld einschiessen, damit die Binbank ihren Betrieb aufrechterhalten kann. Allerdings sollen auch dieses Mal die Gläubiger vorerst nicht im Rahmen eines «Bail-in» an der Sanierung beteiligt werden.

Michail Guzeriew (Wikimedia Commons)

Michail Guzeriew (Wikimedia Commons)

Eine weitere Parallele besteht darin, dass beide Geldinstitute Opfer ihrer forcierten Expansionsstrategie wurden. Die Binbank ging dabei besonders aggressiv vor; ihre Aktiva stiegen seit 2014 um das Fünffache, seit 2008 gar um das 18-Fache. Sie übernahm dabei nicht weniger als neun serbelnde Banken. Das Ziel, sagte Schischchanow in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung «RBK», sei deren Sanierung gewesen. «Unser Modell war auf einen wachsenden oder stabilen Markt ausgerichtet. Doch wir fielen in die Schere eines fallenden Marktes.» Kommentatoren in den Medien werfen ihm hingegen vor, blauäugig im Interesse des Wachstums die Risikoanalyse vernachlässigt zu haben.

Der mächtige Onkel

Bei der Expansion konnte Schischchanow auf die tiefen Taschen seines Onkels Michail Guzeriew zählen. Dieser ist der Patriarch der laut «Forbes» reichsten Unternehmerfamilie Russlands. Er gründete 1992 die Safmar-Gruppe, die fast 10 Mrd. $ wert ist. Guzeriew hält über diese zusammen mit seinem Neffen 97% der Aktien der Binbank. Zu den weiteren Kerngeschäften der Gruppe gehören Erdöl, Kohle, Immobilien, Detailhandelsketten und Pensionsfonds.

Der 1958 in Kasachstan geborene Guzeriew ist eine ebenso schillernde wie undurchsichtige Figur, der die Grundlagen für sein Geschäftsimperium bereits in der späten Sowjetzeit schuf. In den neunziger Jahren war er nicht nur unternehmerisch, sondern auch politisch tätig, unter anderem mehrere Jahre lang als stellvertretender Duma-Vorsitzender. 2004 war er einer der Vermittler während der Geiselnahme in Beslan, und bis heute betätigt er sich als Poet.

Als gewichtiger Akteur im strategischen Rohstoffsektor wurde er zum Milliardär, der allerdings auch mehrfach in den Untiefen des politisch-wirtschaftlichen Sumpfs strandete: So verlor er 2007 seine Ölfirma Russneft und floh vor Steuerhinterziehungs-Vorwürfen nach London. Die Anschuldigungen wurden später zurückgezogen, und 2010 kehrte er an der Spitze der Firma zurück nach Russland.

Problematische Verflechtungen

Seither ist seine Safmar-Gruppe in rasantem Tempo gewachsen, massgeblich durch Kredite der staatlich kontrollierten Sberbank. Laut Medienberichten steht Safmar dort mit 5 bis 10 Mrd. $ in der Kreide. Als Sicherheit dienen laut Guzeriew vorwiegend Aktien und Immobilien. Allerdings macht der tiefe Ölpreis und der lahmende Markt für Geschäftsimmobilien der Gruppe zu schaffen. Zudem schreiben Medien unter Berufung auf Insider, dass sich die Sberbank immer wieder ungehalten gezeigt habe darüber, dass Safmar mit Krediten für das Ölgeschäft Investitionen in Geschäftsimmobilien querfinanziert habe.

Laut «RBK» hatte diese Querfinanzierung der Unternehmensbereiche bei Safmar System. So geht die Zeitung davon aus, dass die Gruppe ihre Expansion in letzter Zeit immer stärker über Gelder finanzierte, die in ihren Pensionskassen angelegt waren. Dies sei durchaus legal und üblich in Russland, wenn auch nicht unproblematisch: So ergaben sich bei Otkritie aufgrund der angespannten Finanzlage auch Löcher bei den Pensionsverpflichtungen. Laut Zentralbank sind die Pensionskassen von Safmar allerdings nicht Teil der Sanierung. Klar ist dennoch, dass die komplizierten Verstrickungen für die Aktionäre von Safmar bedeuten, dass sie die Sanierung der Binbank teuer zu stehen kommt. An der Moskauer Börse brachen die Aktien der Gruppe am Donnerstag um 9 Prozentpunkte ein.