Unter den größeren Parteien hat die Alternative für Deutschland (AfD) zur Bundestagswahl das formal unverständlichste Programm vorgelegt. Das geht aus einer unveröffentlichten Analyse hervor, die Professor Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim erstellt hat und die der WELT AM SONNTAG vorliegt.
Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft in Hohenheim, hat zusammen mit Kollegen des Ulmer Instituts CommunicationLab die aktuellen Bundestagswahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Linken, Grünen, FDP und AfD untersucht.
Die Wissenschaftler nutzten dafür eine Software, die sie schon vor Jahren eigens entwickelten, um nach verschiedenen Kriterien die formale Verständlichkeit von Texten zu prüfen. Parameter sind zum Beispiel die durchschnittliche Satzlänge, der Anteil der Schachtelsätze, die durchschnittliche Wortlänge oder auch mehrere in Fachkreisen gängige Lesbarkeitsformeln.
Verständlichkeitsindex reicht von null bis 20
Unter dem Strich wird die formale Verständlichkeit dann gemessen durch den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“, der von null (überhaupt nicht verständlich) bis 20 (maximal verständlich) reicht. Am größten ist die formale Verständlichkeit, wie schon 2013, demnach bei CDU/CSU: Das Programm der Union hat einen Indexwert von 10,8, eine Verbesserung gegenüber 2013 um 0,9 Punkte.
Auf dem zweiten und dritten Platz folgen Grüne (10,0) und Linke (9,3). Die FDP (9,1) muss sich, wie 2013, mit Platz vier begnügen – allerdings hat sich bei den Freidemokraten der Indexwert am stärksten verbessert (plus 1,8). Auf Platz fünf folgt die SPD (8,4). Auf dem sechsten und letzten Platz schließlich findet sich die AfD.
„Die vermeintliche Volksnähe, die die AfD für sich beansprucht, pflegt sie in ihrer Sprache überhaupt nicht“, urteilt Frank Brettschneider. Der ermittelte Indexwert von 7,3 sei hart an der Grenze: „Alle Texte, die unter sieben liegen, sind schon ziemlich schwer zu verstehen.“ Der AfD attestiert Brettschneider „viel zu viele lange und verschachtelte Sätze. Klartext geht anders.“
AfD weist die Kritik zurück
Albrecht Glaser, Mitglied im AfD-Bundesvorstand und als Vorsitzender der Programmkommission verantwortlich für das Wahlprogramm seiner Partei, weist die Kritik auf Anfrage zurück: „Politische Zusammenhänge, die ihrer Natur nach nicht immer einfach sind, bedürfen eines Sprachrepertoires, das die notwendige Komplexität abbilden kann“, erklärte Glaser. „Wir glauben, einen sprachlich gut verständlichen Text verfasst zu haben.“
Im Wahlprogramm der AfD finden sich diverse Anglizismen, etwa „Bodycam“, „Taser“, „Failed States“ und „Gender Studies“. Zu den verwendeten Fachwörtern gehören „Identifikationsräume“, „Mindestabschiebequoten“ oder „Geschlechterpolarität“. Daneben gibt es noch Substantivierungen wie „Schönung des Bundeshaushalts“.