«Seichte Schüler-Fragen» nerven SVP-Politikerin

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Ausflug ins Bundeshaus«Seichte Schüler-Fragen» nerven SVP-Politikerin

Schüler besuchen das Bundeshaus oder wollen Nationalräte interviewen: Nationalrätin Barbara Steinemann nervt sich über Projekte «linker Lehrer».

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Im Bundeshaus herrscht derzeit Hochbetrieb: Nicht nur die Parlamentarier wuseln anlässlich der Sommersession durch die Wandelhalle, auch Schulklassen drängen sich vor der Statue der drei schwörenden Eidgenossen in der Eingangshalle.

An den Führungen durchs Bundeshaus erfahren die Schüler nicht nur etwas über die Geschichte des politischen Systems, sondern sie können auch direkt mit den Parlamentariern ins Gespräch kommen. Viele Lehrer organisieren neben dem Bundeshausbesuch mit ihrer Klasse auch eine kurze Debatte mit Parlamentariern von links bis rechts.

«Schüler sind von linken Lehrern beeinflusst»

Mit diesen Gesprächsrunden können nicht alle Politiker etwas anfangen: «Einige Schüler stellen sehr seichte Fragen und wurden von ihren linken Klassenlehrern im Vornherein stark beeinflusst», sagt SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann.

Einmal habe Sie eine etwa 15-jährige Schülerin gefragt, ob sie sich als «empathische Politikerin» bezeichnen würde. Und eine andere habe wissen wollen, wie es die Schweiz schaffen könne, dass sich alle nur noch vegan ernährten. «Auf solche Fragen kommen die Schüler kaum selbst, die haben ihnen die Eltern oder der Lehrer eingeflüstert.»

Zehn Anfragen für Schulprojekte im Jahr

Ebenfalls nerven Steinemann die zahlreichen Anfragen für Schulprojekte, für die sie jeweils «einige Stunden» aufwende. Pro Jahr erhält sie rund zehn solche Einladung für Interviews oder Porträts. Gerade letzte Woche kontaktierte sie eine Kantonsschulklasse für ein Interview zum Thema «Integration». «Ich habe sofort gemerkt, dass das Schulprojekt die Idee eines Lehrers ist, der in einer rosaroten Fantasiewelt lebt», sagt Steinemann. «Da löscht es mir ab.»

Steinemann betont, dass sie die Ausflüge ins Bundeshaus oder die Schulprojekte grundsätzlich eine gute Idee findet. Sie gibt aber zu bedenken: «Auch 17-jährige Kantischüler sind noch nicht bereit, komplexe politische Sachverhalte zu verstehen.» Damit ein Besuch im Bundeshaus oder eine Projektarbeit mit Politikern Sinn mache, müssten die Lehrer ihre Klassen zumindest ausgewogen informieren. Das Interview zum Thema Integration will sie nun ihrem Parteikollegen Claudio Zanetti übergeben. «Im Gegensatz zu mir macht er das sehr gern.»

«Schüler sind meist gut vorbereitet»

Auch Nationalrat Jonas Fricker (Grüne) erhält regelmässig Anfragen für Schulprojekte oder für Diskussionsrunden im Bundeshaus. Dass sich Politiker darüber nerven, kann er nicht nachvollziehen: «Ich sehe es als angenehme Pflicht an, die Politik der Jugend näherzubringen.»

Die meisten Schüler, die sich beim Grünen-Nationalrat melden, haben den Auftrag, ein Porträt über einen Politiker oder einer Partei zu verfassen. Aber auch für Interviews, etwa zum Thema Klimawandel, ist der Umweltnaturwissenschaftler ein begehrter Gesprächspartner. Er erlebt die Schüler meist als gut vorbereitet. Durchschnittlich wendet er zwei bis drei Stunden pro Anfrage auf.

«Linke Pädagogen»? Der Lehrerverband dementiert

Jürg Brühlmann vom Schweizerischen Lehrerverband betont, dass die heutigen Schüler «die Wähler von morgen» seien und sich keinesfalls von ihren Lehrern instrumentalisieren liessen. «Die Schüler sind kritisch und stellen Fragen zu Themen, die ihnen wichtig sind», sagt Brühlmann. Ihre Anliegen seien ernst zu nehmen.

Zudem bereiteten die Lehrkräfte die Bundeshaus-Besuche genau vor und informierten die Schüler über die verschiedenen politischen Standpunkte zu einem Thema, erklärt Brühlmann. «Leider zeigt die Politik an der Finanzierung von bestehenden Angeboten wie «Jugend debattiert» oder «Schulen nach Bern» kaum Interesse.» Es scheine, als ob Politiker Angst vor der politischen Bildung hätten.

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