«Schweizer hinterfragen die Regeln nicht»

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Expat über Hausordnungen«Schweizer hinterfragen die Regeln nicht»

Der Brite Diccon Bewes musste sich die vielen Ruheregeln mühsam einprägen. Inzwischen möchte er aber gar nicht mehr ohne leben.

Laly Zanchi
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Laly Zanchi

Die Schweiz hat international den Ruf, ein Land von Überregulierern zu sein. So wird oft gewitzelt, dass man hier nachts nicht aufs WC oder unter die Dusche dürfe. 20 Minuten hat mit dem britischen Expat und Buchautor Diccon Bewes über seine Erfahrungen gesprochen.

Herr Bewes, wieso hat die die Schweiz im Ausland den Ruf, eine Regelhölle zu sein?

Oft werden Geschichten über die Erfahrungen von Expats in der Schweiz etwas überspitzt weiterverbreitet. Wer sich angegriffen fühlt, mag dazu verleitet sein, die Schweiz als unfreundliches und regelbesessenes Land darzustellen. Trotzdem hat das Klischee irgendwo auch einen wahren Kern. Viele der Regeln, die in der Schweiz als völlig normal gelten, wären anderswo undenkbar.

Wurden Sie als Brite in der Schweiz auch schon auf die Ruheordnung aufmerksam gemacht?

Als ich einmal am Sonntag meine alten Flaschen einwerfen wollte, hat mir ein erboster Nachbar auf dem Balkon eine Predigt gehalten. Ausserdem musste ich lernen, dass ich nur zu gewissen Zeiten staubsaugen darf. Bei Freunden von mir wurde auch schon die Polizei gerufen, weil sie abends auf dem Balkon zu laut gesprochen haben. Der Nachbar hatte sie davor aber nicht gebeten, leiser zu sein.

Ergeht das vielen Expats so?

Vor allem für Expats, die aus Grossstädten wie London oder New York stammen, fühlt es sich komisch an, ab 22 Uhr ruhig sein oder für bestimmte Aktivitäten einen ganz genauen Zeitplan einhalten zu müssen, zum Beispiel, wann man seinen Müll entsorgen oder die Waschmaschine benutzen darf. Ich finde die Regeln aber grundsätzlich gut.

Inwiefern?

Der Schweizer respektiert das Recht der anderen, einen ruhigen Ort zum Leben zu haben. Der Wille zur Kooperation, den man im politischen System der Schweizer beobachten kann, schlägt sich auch im allgemeinen Zusammenleben nieder. Weil es eben viele Regeln gibt, an die sich alle halten, läuft auch alles ordentlich und rechtzeitig ab.

Sind Ihnen die Schweizer wirklich nie zu ordnungsliebend?

Manchmal hinterfragen einige Schweizer die Regeln nicht, auch wenn sie offensichtlich unangebracht oder veraltet sind. Für sie war es eben schon immer so. Wird interveniert, wird man oft als Nörgler abgestempelt. Natürlich haben auch andere Länder manchmal absurde Regeln, man schaue sich nur die ganzen verrückten uralten Gesetze in den USA an. Aber darüber kann man gut lachen, das ist abstrakt und betrifft einen meist nicht. Wenn die absurden Regeln aber als Haus- und Verhaltensregeln niedergeschrieben sind, wirkt es sich direkt aufs Leben aus.

Diccon Bewes ist ein in Bern wohnhafter britischer Expat, der bereits sieben Bücher über die Schweiz verfasst hat. Der 49-jährige Reisejournalist stammt ursprünglich aus dem englischen Hampshire und lebt schon seit 12 Jahren in der Schweiz.

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