Schritte zählen wird zur sozialen Kontrolle

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Vergleich auf Social MediaSchritte zählen wird zur sozialen Kontrolle

Ob am Stammtisch, auf Reisen oder Social Media – das Schrittzählen und dessen Vergleich mit anderen gehören für viele zum Alltag. Das kann sich positiv auswirken.

V. Fehlmann
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V. Fehlmann

«Meine Schrittzahl von gestern», schreibt eine 24-jährige Instagram-Nutzerin. Dazu postet sie einen Screenshot ihres Smartphones, das zeigt, wie viele Schritte sie wann gemacht hat. Solche Bilder gibt es auf Social Media zu Tausenden.

Doch die Schrittzahl wird nicht einfach gepostet, es wird auch fleissig verglichen. «Wenn ich arbeiten bin, hab ich mein Handy nicht immer bei mir, wenn ich irgendwo hingehe. Also eigentlich wären es ein paar mehr», schreibt etwa die 24-Jährige. «Ich denke, das kann sich sehen lassen und reicht für heute», schreibt eine andere Insta-Nutzerin zu ihren 13'151 Schritten.

Gleiche Masseinheit für alle

Die Reaktionen lassen auch nicht lange auf sich warten: «Mach weiter so», heisst es etwa. «Hut ab», so ein anderer Kommentar. Doch nicht nur in der virtuellen, auch in der realen Welt vergleichen Jung und Alt ihre Schrittzahl. So kann es vorkommen, dass nach einem Ausflug mit Freunden jeder kurz sein Handy zückt oder der Blick aufs Armband fällt, um die Schrittzahl mit jener der anderen abzugleichen.

Dass Schritte zählen im Trend liegt, hat für den Gesundheitssoziologen Oliver Hämmig von der Uni Zürich einen einfachen Grund: «Früher brauchte man ein eigenes Gerät, um Schritte zu zählen.» Da die meisten Smartphones heute eine Fitness-App beinhalten, sei die Hürde niedriger geworden. «Dass man sich selbst misst und miteinander vergleicht, gibt es aber schon immer. Heute ist es einfach eine andere Aktivität, die man besser vergleichen kann, da alle die gleiche Masseinheit (Schritte) haben.»

Social Media verstärkt die Motivation

Allerdings müsse der gesundheitliche Effekt der Schrittzahl individuell betrachtet werden. Für die, die gar keinen Sport machen oder auch für Betagte sind blosse Schritte schon sehr nützlich. Für andere braucht es etwas mehr. Auch die Art, wie man die Schritte macht, sei entscheidend. Trotzdem sei die Schrittzahl auf Social Media ein Gesprächsthema, das verbinde. «Wenn Jugendliche sie in der Gruppe teilen, ist das eine soziale Kontrolle, die auch einen gewissen Druck ausübt. Ich sehe das Messen mit anderen positiv.»

Auch der Bewegungspsychologe und Geschäftsleiter von Psycho Mobile, Markus Gander, hört von seinen Patienten immer wieder, dass sie Schritte zählen. Er glaubt ebenfalls an einen positiven Effekt: «Wer die App braucht, geht wohl eher mehr zu Fuss. Er wird zwar nicht ein grosser Sportler, es motiviert aber.» Dass man sich auf Social Media mit anderen vergleiche, wirke dabei verstärkend.

Neue Form der Selbstdisziplinierung

Der Vergleich gebe einem immer ein wenig die Möglichkeit, sich über andere zu erhöhen, ergänzt Soziologe Ueli Mäder. Das könne jedoch auch die eigene Entfaltung behindern. «Wenn meine Kollegen ihre Schrittzahl vergleichen, ist der Schritt zum Schrittzähler für mich auch näher, damit ich Schritt halten kann.» Mäder sieht in den Schrittzählern eine mögliche neue Form der Selbstdisziplinierung. Allerdings bestimme auch das Angebot ein wenig die Nachfrage.

Auf den meisten Smartphones ist eine Fitnessapp mit integriertem Schrittzähler bereits installiert. Festgesetztes Ziel ist bei ihnen meist die 10'000-Marke. Diese Schrittzahl gilt allgemein als gesunde Grundlage. Auch Versicherungen sind bereits auf den Trend aufmerksam geworden. So bietet die CSS ihren Kunden beispielsweise einen Rabatt, wenn sie mindestens 10'000 Schritte pro Tag machen.

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