Wintersportler riskieren für Selfies Unfälle

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Handy auf der PisteWintersportler riskieren für Selfies Unfälle

Skifahrer und Snowboarder verhalten sich auf der Piste manchmal kopflos. Das Smartphone lenke sie zunehmend ab, klagen die Skigebiete.

B. Zanni
von
B. Zanni

Die Sicherheitsverantwortlichen auf Schweizer Pisten sind in erhöhter Alarmbereitschaft. «Das Handy lenkt einige Skifahrer und Snowboarder derart ab, dass sie sich auf der Piste in brenzlige Situationen begeben können», stellt Andri Poo fest, Direktor der Bergbahnen Scuol AG. Dieses Verhalten zeige sich auch beim Knipsen von Selfies. «Um sich im perfekten Winkel fotografieren zu können, rutschen Kinder manchmal auf den Sesselliften herum und riskieren dabei herauszufallen.»

Die Sicherheitsverantwortlichen müssen Gäste laut Poo auch in Snow Parks auf die Gefahren aufmerksam machen. «Es kommt immer wieder vor, dass zwei Fahrer einen Zusammenstoss riskieren, weil sie gleichzeitig über eine Schanze springen, damit die eine Person die andere parallel fotografieren kann.» Grosses Unfallpotenzial bestehe zudem bei Gästen, die sich mit dem Selfie-Stick in der Hand während eines Sprungs ablichten wollen.

Stopps mitten auf der Piste

Auch Patrick Meile, technischer Leiter der Diavolezza Lagalb AG, stellt fest, dass das Handy auf der Piste zunehmend für brenzlige Situationen sorgen kann. «Manche Skifahrer und Snowboarder halten einfach mitten auf der Piste an, um Fotos zu teilen oder Nachrichten einzutippen.» Andere Gäste verlockten schöne Kulissen zu spontanen Stopps für ein Selfie.

«Hält sich jemand in solchen Situationen zum Beispiel hinter einer Kuppe oder Kurve auf, besteht die Gefahr, dass ein Fahrer, der mit Schuss unterwegs ist, die Person übersieht und mit ihr kollidiert», warnt Meile. Er merkt an, dass zudem immer mehr Personen mit den Selfie-Sticks auf den Pisten unterwegs sind, die sich selber und ihre Umgebung filmen. «Dies ist auch sehr gefährlich und wurde bereits in Herbst im Zuge eines möglichen Selfie-Verbots auf den Pisten thematisiert.»

Da Wintersportler für spektakuläre Selfies immer wieder Risiken eingehen, hat die Corvatsch AG auf der Lagalb im Oberengadin kürzlich eine Selfie-Station eröffnet. Ein kreisförmiges Edelstahl-Geländer mit einem Durchmesser von rund zwei Metern ermöglicht den Besuchern laut den Verantwortlichen, ein «Selfie in sicherem Rahmen zu schiessen».

«Cleveres Marketing»

Andere Verantwortliche von Bergstationen hingegen machen keine Erfahrungen mit Gästen, die ihre Augen auf dem Bildschirm statt auf der Piste haben. «Viele Gäste lassen ihr Handy beim Fahren bewusst in der Tasche, weil sie auf der Piste eine handyfreie Zeit geniessen wollen», beobachtet Jürg Schustereit, Leiter Marketing der Bergbahnen Wildhaus. Pistennutzer, die sich fotografieren oder filmen wollten, nutzen eine Action-Kamera. «Da diese Kameras am Helm fixiert werden, besteht auch kein höheres Unfallpotenzial.»

Offizielle Stationen für Selfies einzurichten, hält Schustereit auf Pisten für ein nettes Gadget. «Solche Foto-Points sind vor allem ein cleveres Marketing-Tool für das Skigebiet.» Schliesslich generiere jedes geteilte Selfie gratis Werbung für das Skigebiet. Statistiken zu Wintersportunfällen wegen Handys liegen nicht vor. Eine Sprecherin der Unfallversicherung Suva erklärte in der «Aargauer Zeitung», dass im Unfallprotokoll kaum jemand die Handynutzung als Ursache für einen Sturz angebe. «Sei dies aus Selbstschutz, aus Angst vor versicherungstechnischen Konsequenzen oder einfach, weil der Versicherte den Unfallhergang nicht in diesem Detailgrad beschreibt.»

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