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Diagnose Down-Syndrom: 9 von 10 Müttern in ihrer Lage treiben ab – Jenny entschied sich für ihr Baby
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Jenny Winkler wusste in der Mitte der Schwangerschaft, dass ihr Sohn Trisomie 21 hat. Sie handelte anders als 90 Prozent der Betroffenen, die sich für eine Abtreibung entscheiden. Traurig findet die junge Mutter, dass alle das viel normaler finden als ein Kind mit Down-Syndrom zu behalten.

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Als ich schwanger wurde, war ich 35 und damit automatisch eine Risikoschwangere. Mein Arzt drückte mir auch gleich eine Liste mit allen möglichen Zusatz-Untersuchungen in die Hand. Aber mir ging’s ja gut, ich wollte mich auf mein erstes Kind freuen und mich nicht verrückt machen lassen.

In der 21. Woche habe ich dann einen Termin für einen Fein-Ultraschall vereinbart. Einfach aus Neugier wie viele Eltern, die ihr Kind schon mal im Detail sehen wollen. Die Untersuchung zog sich ewig hin, der Arzt unternahm mehrere Anläufe, weil er angeblich keine gute Sicht hatte. Schließlich kam dieser eine Satz, nicht unfreundlich, aber ganz nüchtern: „Ihr Kind hat zu 85 Prozent das Down-Syndrom.“

Klar war ich geschockt und überrollt von dieser Nachricht. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf: „Mein Kind wird wie Rudi“. Rudi war in meiner Kindheit der einzige Mensch mit Down-Syndrom, den ich kannte, und er war mir ein bisschen unheimlich. Ich wusste ja nichts darüber, was ihn so „anders“ machte.

Der Arzt erklärte mir dann, dass mein Baby einen typischen Herzfehler hätte, das fehlende Nasenbein und noch andere Merkmale einer Trisomie 21. Er empfahl für die endgültige Absicherung eine Fruchtwasser-Untersuchung oder einen Bluttest und ein Gespräch mit einem Humangenetiker. Er sagte noch, dass er diese Diagnose jede Woche einmal stellen würde, und dass ich das Kind ja nicht behalten müsste.

Mein Freund hat auf die schlechte Nachricht ausgesprochen gefasst reagiert und mich beruhigt. Ohne seine positive Reaktion hätte ich vielleicht über eine Abtreibung nachgedacht. Aber so haben wir gleich nach Informationen gegoogelt und erstaunlich viele aufmunternde Berichte über das Leben mit einem Down-Kind gefunden. Ich war dann ziemlich sicher, dass ich das Kind, einen Jungen, bekommen würde.

Den Bluttest machte ich am nächsten Tag aber doch noch, und nach einer Woche hatten wir die Bestätigung: Trisomie 21. Da war aber schon völlig klar, dass wir Eltern werden wollten – und dass wir heiraten würden. Zwei Tage nach der Stuttgarter Schockdiagnose machte mein Freund mir einen Antrag. Das war so rührend!

Der Rest der Schwangerschaft verlief unkompliziert und am 18. März 2016 kam Matti schnell und unkompliziert zur Welt, ein perfekter kleiner Mann. Sogar das Loch in seinem Herzen war fast verschwunden. Familie und Freunde freuten sich mit uns – wir hatten ja genug Zeit, sie vorher auf die Besonderheit unseres Kindes vorzubereiten.

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Vielleicht liegt es an meiner positiv-offensiven Art, mit dem Down-Thema umzugehen, aber mir hat keiner ins Gesicht gesagt, dass er unsere Entscheidung falsch findet. Allerdings sagen die meisten auch: „Toll, wie du das machst, aber ich könnte das nicht.“ Dabei gibt es da nichts zu können.

Wenn wir zu dritt sind, fühlen wir uns wie eine ganz normale, kleine, glückliche Familie. Nur von außen kommen Bemerkungen, dass wir sicher eine schwere Zukunft vor uns haben. Klar, Matti wird wahrscheinlich kein Atomphysiker oder Profi-Fußballer werden. Er hat gerade seinen ersten Geburtstag gefeiert und er kann noch nicht krabbeln. Er hat die typische Muskelschwäche, aber dagegen gibt‘s zweimal in der Woche Physiotherapie und dann wird das schon mit der Fortbewegung. Matti hört zum Glück recht gut, die Weitsichtigkeit der Augen kann sich noch zurückbilden (wahrscheinlich kriegt er aber eine Brille) und sonst ist er gesund, fit und ein fröhliches Baby.

In der wöchentlichen Krabbelgruppe fällt er nicht weiter auf, und größere Kinder sehen ihn einfach als niedliches Baby. Sie fragen nicht, ob er nicht schon dies und das können müsste. Im Sommer kommt Matti in eine integrative Kita, wo in seiner Gruppe noch drei Kleinkinder mit Down-Syndrom sind. Dort bekommt er die nötige Unterstützung, ist aber nicht der totale Außenseiter.

Ich weiß, dass es mit echter Inklusion in Deutschland nicht weit her ist. Aber eines macht mich wirklich traurig und wütend:  Als klar war, dass mein Kind das Down-Syndrom haben würde, hat mit der Pränataldiagnostiker nicht mal etwas Aufmunterndes gesagt, so etwas wie „das wird schon“. Es gab nur lange Listen mit möglichen Behinderungen, Einschränkungen, Problemen. Und den Hinweis, dass man eine solche Schwangerschaft ja problemlos beenden dürfte.

Aber es gibt doch auch Kinder mit einer Behinderung, mit der niemand gerechnet hat. Diese Kinder werden ja auch nicht plötzlich verstoßen. Aber beim Down-Syndrom finden alle es ganz normal, dass neun von zehn Frauen abtreiben. Ich finde das ziemlich erschreckend.

Protokoll: Petra Apfel

Im Video: Gegenseitig am Leben gehalten: So überlebten eineiige Zwillinge im Mutterleib

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