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"Vertical Farming" in London: So sieht die Farm im Bunker aus

Foto: Fabian Wegener/ dpa

"Vertical Farming" unter London Unsere kleine Farm im Bunker

Sie wollten ungenutzten städtischen Raum in fruchtbares Land verwandeln: 33 Meter unter den Straßen Londons haben zwei Unternehmer ihr Farmland gefunden - in einem alten Luftschutzbunker.

Tief unter den Straßen Westlondons befindet sich eine grüne Oase. Hier bauen zwei Unternehmer in einem alten Weltkriegsbunker Pflanzen an. Sie sehen darin die Zukunft der Agrarwirtschaft.

Noch vor wenigen Jahren hätte man dort, 33 Meter unter der Erde, nur menschenleere Tunnel vorgefunden. Der Luftschutzbunker ist ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, das sich unter der Metropole entlangzieht.

Heute wachsen an diesem fast vergessenen Ort sogenannte Microgreens - Gemüse und Kräuter, die in einem sehr frühen Stadium geerntet werden. Früher Accessoires für Food-Blogger und Fernsehköche, haben die geschmacksintensiven jungen Pflanzen längst Einzug in die lokalen Küchen gehalten.

"Seit 2014 ist die Popularität von Microgreens immer weiter gestiegen", sagt Steven Dring (43), der zusammen mit seinem Schulfreund Richard Ballard die Firma Zero Carbon Food betreibt.

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"Vertical Farming" in London: So sieht die Farm im Bunker aus

Foto: Fabian Wegener/ dpa

In den langen Gängen wächst im Schein von LED-Lampen einiges, was als Beilage oder im Salat serviert werden kann, beispielsweise Fenchel, Koriander, Wasabi und Senfblätter. Der Prozess beginnt in einem Nebenraum, wo Mitarbeiter Teppichmatten mit Samen bestreuen und diese dann bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Dunkeln bis zu fünf Tage wachsen lassen. Die frühe Ernte sorgt für einen besonders intensiven Geschmack.

Die Idee für die unterirdische Farm kam den beiden Gründern beim Bier. "Wir haben über globale Probleme wie das rapide Bevölkerungswachstum, Urbanisierungstrends und Umweltzerstörung philosophiert", erinnert sich Dring.

Die Menschen streben in die Städte

Ein Blick in den Welt-Agrarbericht , einem von 500 Wissenschaftlern im Auftrag der Vereinten Nationen (Uno) und der Weltbank verfassten Report, verdeutlicht das Ausmaß der Problematik. Den Experten zufolge werden bis zum Jahr 2050 etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung, rund sieben Milliarden Menschen, in urbanen Ballungsräumen leben. Die industrielle Landwirtschaft im jetzigen Zustand wird auf Dauer kaum in der Lage sein, die Menschheit zu ernähren.

Die Gründer fragten sich: Wie können wir ungenutzten, urbanen Raum sinnvoll nutzen und in fruchtbares Land verwandeln? Die Antwort lieferte ihnen das Buch "The Vertical Farm" von Dickson Despommier . Der inzwischen emeritierte Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie an der Columbia University in New York City entwickelte das Konzept der "vertikalen Landwirtschaft" 1999 zusammen mit Studenten.

Die Briten waren begeistert von der Idee, die eine tragfähige Landwirtschaft direkt im Zentrum moderner Großstädte machbar scheinen ließ. "Wir wollten dort anbauen, wo unsere Produkte auch konsumiert werden können: direkt in der Stadt", sagt Steven Dring. Dadurch wollten sie lange Transportwege sparen und den Kohlendioxid-Ausstoß reduzieren.

Experten bezweifeln Anwendbarkeit in Deutschland

In manchen Ländern wird das Modell bereits erfolgreich umgesetzt, wie etwa in Singapur  oder den Vereinigten Staaten. Auch in Japan boomt der Trend seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011, da Konsumenten beim Anbau in abgeschlossenen Biosystemen keine Angst vor radioaktiver Strahlung haben müssen. "Zu sehen, wie weit sich die Idee in den vergangenen 18 Jahren verbreitet hat, ist bemerkenswert", sagt Despommier.

Eine Anwendbarkeit des Konzepts auf Deutschland sehen viele Experten und Trendforscher jedoch kritisch. "Das liegt vor allem an der verhältnismäßig geringen Bevölkerungsdichte, den fortschrittlichen Agrarstrukturen und der flachen geografischen Beschaffenheit", sagt Trendforscher Kamuran Sezer vom futureorg Institut. Eine sinnvollere Alternative sei das Urban Gardening, also die gärtnerische Nutzung städtischer Flächen innerhalb von Siedlungsgebieten oder in deren direktem Umfeld.

Fabian Wegener, dpa/brt