Städte starten Einbürgerungs-Offensive

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Ermunterung per PostStädte starten Einbürgerungs-Offensive

In einem Brief ermuntern Städte ihre ausländischen Einwohner, über eine Einbürgerung nachzudenken. Für die SVP das falsche Signal.

J. Büchi
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J. Büchi

Bis zu den Sommerferien erhalten 40'000 Zürcher und Zürcherinnen mit ausländischem Pass einen Brief. Absenderin: Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) persönlich. Inhalt: eine Einladung, sich «eingehend über die Möglichkeiten zur Einbürgerung zu informieren».

«Wenn mehr Menschen mitbestimmen können, dann stärkt das unser direktdemokratisches System», erklärt Mauchs Sprecher Nat Bächtold die Aktion auf Anfrage. Heute hat jeder dritte Stadtzürcher keinen Schweizer Pass, 40'000 leben schon genug lang da, um sich einbürgern zu lassen. An sie richtet sich der Brief. Die Angeschriebenen könnten selbst prüfen, ob sie ein Einbürgerungsgesuch stellen möchten, so Bächtold. «Die Stadt würde das freuen.»

Andere Städte ziehen nach

Auch andere Städte dürften bald nachziehen: In St. Gallen soll das Thema an der nächsten Sitzung der Einbürgerungsräte geprüft werden. Auch in Luzern ist geplant, Einbürgerungsberechtigte «proaktiv» zu informieren. Und in Basel wurden bereits vergangenes Jahr rund 1400 Personen, die neu die Wohnsitzvoraussetzungen erfüllen, «angeschrieben und auf die Möglichkeit des Bürgerrechtserwerbs aufmerksam gemacht», wie es beim Justizdepartement heisst.

Dass die Städte gleichzeitig zur Informations-Offensive blasen, ist kein Zufall. Weil nächstes Jahr die Einbürgerungsregeln geändert werden (siehe Box), haben der Bundesrat und die kantonalen Justizdirektoren die Gemeinden dazu ermuntert, Ausländer aktiv über ihre Möglichkeiten zu informieren.

SP will noch weiter gehen

Dass dies nun vielerorts geschieht, freut SP-Nationalrat Cédric Wermuth. «Die Initiative der Städte ist als politisches Signal sehr gut.» Er erlebe es immer wieder, dass Leute schlecht über ihre Möglichkeiten informiert seien: Als die SP letztes Jahr ein Beratungsangebot für Einbürgerungswillige ins Leben rief, meldeten sich laut Wermuth über tausend Personen. Der Aargauer würde es deshalb begrüssen, wenn die Städte an die Einbürgerungsberechtigten künftig jedes Jahr ein Informationsschreiben adressieren würden.

Der Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti hingegen findet die Brief-Aktion verfehlt: «Wenn jemand nur auf die Idee kommt, sich einbürgern zu lassen, weil er Post von der Stadt bekommt, läuft etwas schief.» Staatlicher Aktivismus sei zu unterbinden: «Schliesslich zahlen wir alle diese Briefe mit unseren Steuern.»

Die Absicht, möglichst viele Personen einzubürgern, erhöhe auch das Risiko von Fehlentscheiden: «Die Stadt Zürich hat sich mit Jeton G. ja bereits einmal die Finger verbrannt», so Zanetti mit Verweis auf den Fall eines eingebürgerten Kosovaren, der als mutmasslicher Türsteher-Mörder in die Schlagzeilen geriet.

«Sympathisch, aber heikel»

Skeptisch ist auch Reto Nause (CVP), der als Sicherheitsvorsteher in der Stadt Bern für das Dossier verantwortlich ist. Grundsätzlich finde er die Initiative von Corine Mauch zwar «sympathisch». Allerdings erachte er ein generelles Schreiben an alle Personen, die die Wohnsitzpflicht erfüllten, als «heikel» – denn diese Frist sei nur eines von mehreren Kriterien, die für eine Einbürgerung erfüllt werden müssen.

Erführen die angeschriebenen Personen am Schalter, dass sie ein anderes Kriterium nicht erfüllten, ende dies «mit grosser Wahrscheinlichkeit in Enttäuschung und Frust», so Nause. Bern verzichte deshalb auf eine Brief-Aktion. Stattdessen würden regelmässig Informationsveranstaltungen angeboten. Auch könnten sich Interessierte jederzeit beim Bürgerrechtsdienst der Stadt Bern beraten lassen.

Job-Pflicht und kürzere Wohnsitzdauer

Künftig muss eine Person weniger lang in der Schweiz leben, bevor sie sich einbürgern lassen kann. Mit dem revidierten Bürgerrechtsgesetz, das 2018 in Kraft tritt, wird die Mindestaufenthaltsdauer von zwölf auf zehn Jahre gesenkt. Zudem können sich Personen der dritten Ausländergeneration neu erleichtert einbürgern lassen – das Stimmvolk hat der Änderung im Februar zugestimmt.

Gleichzeitig enthält das Gesetz aber auch Verschärfungen: So haben Ausländer mit einer Aufenthaltsbewilligung B künftig keine Chance mehr auf den Schweizer Pass – eine Niederlassungsbewilligung C ist Voraussetzung. Zudem wurden die Integrationskriterien konkretisiert: Ein Einbürgerungswilliger muss unter anderem Sprachkenntnisse in einer Landessprache haben, einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung beachten. (jbu)

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