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Schicksale Plötzlich ein Gauner

Benedikt Karus war Deutschlands bester Crossläufer, dann wurde er wegen Dopings gesperrt. Eine Schuld streitet der angehende Mediziner ab, auch ein zweiter Test blieb negativ. Trotzdem musste er erleben, wie man ihn zum Betrüger machte.
Medizinstudent Karus im Stadion in Tübingen

Medizinstudent Karus im Stadion in Tübingen

Foto: Eric Vazzoler / DER SPIEGEL

Für einen krankhaften Betrüger, für einen Kerl, der seinen Trainer und seine Sportkameraden hintergangen haben soll, ist Benedikt Karus, 27, eigentlich ganz nett. Der Medizinstudent aus Tübingen steht in der zellengroßen Küche seiner Wohnung, schmiert Stullen und kocht Tee. Ein schmaler Mann mit dunklen Haaren in Hauspantoffeln. "Stört es Sie, wenn ich kurz das Fenster aufmache?"

Der ehemalige deutsche Meister im Hindernislauf soll ein übler Doper sein. Nach einer Wettkampfkontrolle im Februar 2015 stellte ein Labor in seinem Urin Spuren von Darbepoetin fest. Synthetisches Epo. Das Präparat, das bei der Behandlung von Patienten mit kranken Nieren eingesetzt wird, kann nicht durch Unachtsamkeit in den Körper gelangen. Es muss gespritzt werden.

Die Nationale Anti Doping Agentur (Nada) in Bonn geht davon aus, dass sich Karus das Mittel illegal besorgt und injiziert hat. "Man rennt ja nicht aus Zufall in eine Nadel rein", sagt Lars Mortsiefer, 37, Chefankläger der Nada. Ein Schiedsgericht verurteilte Karus, sperrte ihn für vier Jahre. Die Höchststrafe.

Im Wohn- und Arbeitszimmer von Benedikt Karus steht in einer Ecke ein elektronisches Klavier, an der Wand hängt das Poster eines Sonnenuntergangs. Er trinkt einen Schluck Kräutertee und sagt: "Ich habe nicht gedopt." Sein Ansatz als Athlet sei immer gewesen: "Was schaffe ich aus eigener Kraft?" Seine Laufkollegen haben sich geschlossen hinter ihn gestellt. Der Bene sei ein fairer Sportler, es sei ausgeschlossen, dass er gedopt habe.

Lars Mortsiefer, der Nada-Anwalt, lächelt. Er sitzt in seinem Büro in Bonn, an der Tür hängt das Emblem von Borussia Dortmund. Um einen Doper zu erkennen, benötige man viel Erfahrung und Feingefühl, sagt Mortsiefer. Karus zeige "ein typisches Verhalten", das die Nada bereits "in anderen Fällen erlebt" habe.

Der Jurist hat ein Interview gesehen, in dem Karus beschreibt, wie er bei einem Rennen seine Konkurrenten abhängt. Belangloser Sportlertalk. Mortsiefer aber meint, was Karus da von sich gegeben habe, lasse tief blicken.

Er lebe in einer "Welt, in der nur Erfolge und Siege" zählten. Ein Einzelkämpfer. Eine Mischung aus "Athletik, Geist und Endorphinen". Mortsiefer vergleicht Karus mit dem Jahrhundertdoper Lance Armstrong. "Er wollte über dem System stehen." Ein Narzisst. Ein Gauner.

Mortsiefer

Mortsiefer

Foto: Alexander Heinl/ dpa

Auf Mortsiefers Leselampe steht ein Schlumpf, der ein Buch unter dem Arm hält. Man fragt sich, ob der blaue Zwerg der Einzige ist, der dem Chefankläger der Nada bei der Arbeit auf die Finger guckt.

Der Fall Karus spielt in der Peripherie des Weltsports. Aber er betrifft alle Athleten, die sich der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Es geht um einen Ausdauerläufer, der in die Mühlen des Anti-Doping-Kampfs gerät und verschwindet. Es geht um ein System, das keine Zweifel zulässt.

Die schmutzige Historie des Dopings ist reich an Lügengeschichten und Ausflüchten.

Auch bei Benedikt Karus aus Tübingen, der seine Unschuld beteuert, gilt es, skeptisch zu sein. Es gibt einen positiven Test. Er wurde verurteilt. Damit ist die Sache - eigentlich - erledigt. Wenn man aber die ganze Geschichte betrachtet, dann ist der Fall nicht mehr ganz so klar.

Als Kind spielt Benedikt Karus Fußball. Dann entdeckt jemand seine Fähigkeiten als Ausdauerläufer. Er schließt sich der LG farbtex Nordschwarzwald an, 2012 wird er deutscher Meister über 3000 Meter Hindernis. Er schafft es in den Förderkader des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), fliegt 2014 aber wieder raus, weil die Leistungen nicht genügen.

Nach der Rückstufung konzentriert sich Karus auf sein Studium. Er trainiert regelmäßig, aber nicht mehr so hart wie früher. Langsam kommt er wieder in Form. Er träumt von den Olympischen Spielen 2016 in Rio. Im Februar 2015 gewinnt er den Eurocross-Lauf im luxemburgischen Diekirch. Nach der Siegerehrung geht er zur Dopingkontrolle. Karus uriniert unter den Augen eines Kontrolleurs in einen Becher und verteilt die Flüssigkeit auf zwei Glasbehälter, die spätere A- und B-Probe. Die Deckel der Gefäße werden zugeschraubt. Wenn die Verschlüsse einrasten, gibt es ein kurzes Geräusch. Knack. Knack.

Karus ahnt es nicht, aber in diesem Moment ist seine Karriere als Läufer beendet.

Für den Sieg in Diekirch stehen ihm 800 Euro zu, das erste Preisgeld seiner Laufbahn. Anfang März wird Karus in Markt Indersdorf deutscher Meister im Crosslauf. Auch diesmal muss er zur Dopingkontrolle. Das Ergebnis ist, wie sich später herausstellen wird, negativ.

Fünf Tage nach dem Rennen bekommt er einen Anruf von der Polizei. Ein Kripobeamter erklärt ihm, wenn er nicht gleich zu Hause sei, werde man seine Tür aufbrechen. Karus, der bei seiner Mutter im Schwarzwald zu Besuch ist, fährt los. Auf dem Weg überlegt er fieberhaft, was passiert sein könnte. Ein Verkehrsdelikt? Hat er unwissentlich etwas Illegales auf seinen Computer heruntergeladen?

Drei Beamte stehen vor seiner Wohnung. Sie haben einen Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Freiburg dabei. Es gebe da einen positiven Dopingtest. Man ermittle wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Die Polizisten gucken in den Kühlschrank, wühlen in Schubladen. Einer findet im Schlafzimmer Akupunkturnadeln. Der Einsatzleiter lacht. Die seien nicht hohl, mit denen könne man nichts injizieren. Weitersuchen. Am Ende beschlagnahmen sie eine Festplatte und ein Schreiben vom Rennen in Diekirch.

Karus steht unter Schock. Doping! Er nimmt sich einen Anwalt, den Tübinger Strafrechtler Dieter Rössner, der schon den mysteriösen Dopingfall des Olympiasiegers Dieter Baumann betreut hat. Am 27. April 2015 wird im Institut für Biochemie der Sporthochschule in Köln die B-Probe geöffnet. Auch die ist positiv. Darbepoetin.

Karus ist verzweifelt. Er schläft kaum noch. Manchmal bricht er unvermittelt in Tränen aus. Er will, dass sein Urin noch mal getestet wird. In Köln arbeiten die Experten mit dem SAR-PAGE-Verfahren. Dabei werden Antikörper eingesetzt. Anhand deren Reaktion können die Laboranten Substanzen aus der Urinprobe bestimmen. Ein Biochemiker aus Tübingen empfiehlt Karus das Massenspektrometrieverfahren (MS). Im Gegensatz zum SAR-PAGE-Verfahren werden bei dieser Methode auffällige Substanzen entdeckt, ohne Antikörper einzusetzen.

Vom Anti-Doping-Labor in Köln bekommt Karus den Rat, den MS-Test, den er selbst bezahlen muss, beim international anerkannten Anti-Doping-Labor in Tokio durchführen zu lassen. Die Nada hat keine Einwände. Ende Oktober 2015 geht die noch vorhandene Restmenge seines Urins auf die Reise.

Was macht einen Sportler zum Doper? Die Sehnsucht nach Ruhm, nach Reichtum? Ein übersteigertes Selbstbild? Krankhafter Ehrgeiz?

Jörg Müller, der Laufcoach der LG farbtex Nordschwarzwald, sitzt an einem großen Tisch, ein Kerl wie eine Eiche. Müller ist von Beruf Polizist.

Hat Karus gedopt?

"Quatsch", sagt Müller.

Die Bestzeit von Karus über 3000 Meter Hindernis liegt bei 8:37,84 Minuten. Der Olympiasieger in Rio de Janeiro lief über 34 Sekunden schneller. "Um das zu erreichen, was Bene als Läufer draufhatte, muss man nicht dopen", sagt Müller.

Trainer Müller

Trainer Müller

Foto: Eric Vazzoler / DER SPIEGEL

Er erzählt die Geschichte, wie sich sein Schützling im Herbst 2012 dazu entschloss, Knochenmarkspender für ein an Leukämie erkranktes Kind zu werden. Karus verpasste wegen des Eingriffs die Junioren-Crosslauf-EM. "Für den Bene stand der Sport nie an erster Stelle", sagt Müller. Er ist wütend auf die Nada. Der Dopingvorwurf sei konstruiert. "Da wurde bewusst der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet."

Im Juni 2015 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Die Nada hingegen treibt das Dopingverfahren voran, ohne selbst zu ermitteln. Sie befragt keine Trainer oder Sportkollegen. Auch den Beschuldigten selbst vernimmt sie nicht. Die Dopingjäger zimmern sich eine Theorie, wie Karus an Epo gekommen sein könnte. Seine Freundin Kerstin Marxen, eine ehemalige deutsche Vizemeisterin über 800 Meter, sei doch Apothekerin. Na bitte.

Zurzeit macht Karus in der Universitätsklinik in Tübingen sein praktisches Jahr. Aus ihm könnte ein guter Arzt werden, er kann Menschen zuhören.

Die Nada wirft ihm vor, er habe sein Wissen als angehender Mediziner eingesetzt, um sich mit Darbepoetin zu dopen. Ergibt das Sinn? Das Mittel ist sehr lange im Urin nachweisbar. Als Arzt wisse man das, sagt Karus. Mediziner würden niemals mit Darbepoetin dopen.

Ende März 2016 bekommt Karus das Ergebnis der Untersuchung aus dem Labor in Tokio. Dort hat man nichts gefunden. Anwalt Rössner schreibt an das Schiedsgericht. Das Resultat lege nahe, dass bei der Analyse in Köln etwas schiefgegangen sein müsse. Das Verfahren gegen Karus sei einzustellen.

Drei Wochen später schlägt das Imperium zurück. Die Analyse der Japaner sei nicht relevant, kontert Mortsiefer. Die Internationale Anti-Doping-Agentur Wada gebe das SAR-PAGE-Verfahren als eine Testmethode für Epo vor. Punkt. Dann zitiert er noch aus einer Stellungnahme des Kölner Laborleiters. Wilhelm Schänzer analysierte bereits Urin von Sportlern, als die deutsche Hauptstadt noch Bonn hieß. Der Professor für Biochemie schreibt: Mit der Massenspektrometrie in Tokio könne Epo nur bis zu einer Konzentration von 0,000000000001 Gramm pro Milliliter nachgewiesen werden. Mit dem SAR-PAGE-Verfahren in Köln hingegen sei eine Konzentration von 0,0000000000003 Gramm pro Milliliter zu detektieren.

Elf Nullen hinter dem Komma gegen zwölf Nullen hinter dem Komma. Sieg für Köln, für die Nada. Für die Gerechtigkeit?

Crossläufer Karus 2014

Crossläufer Karus 2014

Der Sportmediziner Perikles Simon steht in einer Kaffeepause im Hof des Bundesjustizministeriums in Berlin. Die Behörde hat ihn zu einem Symposium über das deutsche Anti-Doping-Gesetz eingeladen. Der Wissenschaftler ist einer der renommiertesten und bissigsten Dopingbekämpfer Deutschlands. Er lässt in der Regel kein gutes Haar am Spitzensport. Im Fall Karus aber hat er die Seiten gewechselt.

Simon hat sich die Fakten angeschaut, endlose Datenreihen, Blutwerte und Laboranalysen. Er glaubt, bei dem positiven Kölner Test handle es sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" um ein falsch positives Ergebnis. Schänzer habe die Messempfindlichkeit derart hoch getrieben, dass es zu Kreuzreaktionen gekommen sei. Für Simon ist der negative Test aus Japan ein klarer Beweis dafür, dass in Karus' Urin kein Epo gewesen sei. Die Massenspektrometrie sei verlässlicher als die Kölner Methode.

Beim SAR-PAGE-Verfahren entsteht am Ende der Analyseprozedur ein Messbild. Dieses sogenannte Bandenmuster nimmt der Laborant in Augenschein. Anhand des Grauanteils der Banden legt er fest, wie hoch die Konzentration der vermeintlich nachgewiesenen Substanz sein müsste. Bei Karus' Probe tippte Schänzer auf 0,0000000000005 Gramm Darbepoetin pro Milliliter.

Grenzwerte zu schätzen sei großer Mist, meint Simon: "Das ist Auge mal Pi." Bei Karus' Probe sei das Signal auf Darbepoetin derart schwach gewesen, dass es auf dem Original-Bandenmuster kaum zu sehen gewesen sei. Deshalb sei der Kontrast durch digitale Bildbearbeitung verstärkt worden, bis ein Grauschleier zu erkennen gewesen sei, behauptet der Sportmediziner. Beweisführung durch Photoshop?

Schänzer erklärt, man habe sich bei der Analyse der Probe an alle Standards gehalten. Simon hingegen spricht von "optischem Tuning". Das bearbeitete Bildmaterial landete später auch in den Unterlagen des für das Schiedsgerichtsverfahren eingesetzten Richters. Die Originalbilder blieben - in Köln. Simon sagt: "Auf die Art und Weise kann man jeden Sportler überführen."

Simon erhält inzwischen Unterstützung von Werner Franke. Der Professor für Zellbiologie aus Heidelberg ist auch ein scharfer Dopingkritiker. Aber noch mehr als Doper ärgern ihn Analytiker, die schlampen.

2003 wies der Professor nach, dass ein Epo-Test in Köln falsch ausgewertet worden war. Opfer war Bernard Lagat, ein Weltklasseläufer aus Kenia. Danach beschrieb Franke in wissenschaftlichen Aufsätzen und Vorträgen massive Schwächen des Dopingkontrollsystems. "Es gibt seit vielen Jahren sichere biochemische Nachweismethoden", sagt Franke, "es ist ein Skandal, dass sie in Köln nicht voll ausgeschöpft werden."

Sein Kollege Simon hat ein Gutachten im Fall Karus geschrieben, das bei der Schiedsgerichtsverhandlung jedoch vom Tisch gewischt wurde. Darüber ist Simon empört. Er wirft Schänzer und der Nada vor, "jeglichen Anstand" verloren zu haben. Die Nada-Chefin Andrea Gotzmann, die vor ihrer Berufung nach Bonn Schänzers Mitarbeiterin in Köln war, attackiert Simon. Er lasse sich als Verteidiger eines verurteilten Dopers einspannen. Es geht wild hin und her.

Die Nada gibt es seit bald 15 Jahren. Man kann nicht von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Die Fahnder ziehen Skater aus dem Verkehr, die gekifft haben, oder Seniorensportler, die noch mal einen U-70-Wettkampf gewinnen wollten und deshalb mit Anabolika experimentiert haben. Mortsiefer hatte noch nie einen prominenten Fall auf dem Tisch. Etwas Großes. Die Jäger aus Bonn finanzieren sich mit öffentlichen Geldern. Sie müssen Erfolge vorweisen. Abschlüsse. Abschüsse.

Karus war für Nada-Verhältnisse ein dicker Fisch. Ein ehemaliger deutscher Meister in der Leichtathletik. Ein positiver Test. Epo! Mortsiefer packte zu. Der Läufer aus dem Schwarzwald habe sich "wohl verzockt", und genau in solchen Momenten müsse ein "intelligentes Kontrollsystem greifen", sagt er.

Foto: Eric Vazzoler / DER SPIEGEL

Das Gespräch über den Fall Karus in Mortsiefers Büro dauert fast eine Stunde, und die meiste Zeit guckt der Jurist auf den Boden, als hätte er etwas verloren. Am Ende meint er noch, dass er so gern mal mit der Mutter des Sportlers geredet hätte, es habe sich leider nicht ergeben.

Sigrid Karus ist eine quirlige Frau mit halblangen dunkelbraunen Haaren. Sie arbeitet als Gemeindereferentin der katholischen Kirche in Freudenstadt. Sie unterstützte ihren Sohn beim Sport, feuerte ihn bei Rennen an. Sie erlebte mit, wie er während seiner Zeit im DLV-Bundeskader in "ein Loch" fiel, wie er sich nach der Rückstufung fing und gute Zeiten erzielte.

Weil er dopte? "Neiiin. Weil er wieder Spaß am Laufen hatte."

Ihr Sohn sei mit Biokost vom Demeterhof groß geworden. Er besuchte den Waldorfkindergarten. Wenn er krank war, gab es Globuli. Seine lädierte Achillessehne behandelten sie mit Quarkwickeln. Epo? "Das passt nicht. Dieser Vorwurf ist boshaft", sagt Frau Karus.

Sie war bei der Schiedsgerichtsverhandlung im Juni 2016 in München dabei. Schänzer erschien im dunklen Anzug, Mortsiefer auch. Irgendwann meinte der Nada-Ankläger zu ihrem Sohn, nur wenn er gestehe, sei am Strafmaß was zu machen. "Was sollte er denn gestehen?", fragt Sigrid Karus, "er hat nicht gedopt." Sie sagt, sie hätte sich auch gern mit Mortsiefer unterhalten, aber der sei ja nach der Verhandlung in München gleich weggelaufen.

Es gibt Indizien, die dafür sprechen, dass Benedikt Karus kein Doper ist. Seine Blutwerte waren nie auffällig. In seiner Karriere kam es nie zu einer unerklärlichen Leistungsexplosion. Er ist offen wie ein Buch. Er hat den Schriftverkehr zu seinem Fall ins Internet gestellt. Es gibt den negativen Test aus Japan, den negativen Test aus Markt Indersdorf. Es gibt das Gutachten von Simon.

Aber es gibt auch einen Grauschleier auf einem Analysebild. Und das zählt.

Die Nada muss das Ergebnis aus dem Kölner Labor verteidigen. Ließe sie Zweifel zu, würde sich bald der nächste Sportler auf den Fall Karus berufen. Lars Mortsiefer ist nicht der Weihnachtsmann. Er ist der Chefankläger der Nada. Der Richter, der das Urteil sprach, möchte sich zu dem Verfahren nicht äußern.

Sigrid Karus sagt: "Mein Sohn ist ein guter Mensch." Doch die Persönlichkeit eines Sportlers spielt in einem Dopingverfahren keine Rolle. Laut Anti-Doping-Code der Nada müssen nach einem positiven Test keine weiteren Beweise gesammelt werden. Karus hatte nie eine echte Chance, das Verfahren zu gewinnen. Er musste am Ende die Kosten übernehmen. Über 10.000 Euro. Er hätte vor den Internationalen Sportgerichtshof ziehen können, doch dazu fehlten ihm die Mittel.

Karus ist nicht mehr im Leichtathletikverband. Seine letzten Titel wurden ihm aberkannt. Aus Siegerlisten wurde sein Name gelöscht.

Im Februar 2019 endet seine Sperre. Er sagt, er habe keine Lust mehr zu rennen.