Nach dem Spiel zeigte Manuela Zinsberger erst einmal ihr schauspielerisches Talent. Die Torhüterin des FC Bayern München benötigte dazu keinen Ball. Jeder wusste, welches Werk sie in diesem Moment auf dem Rasen darbot, als sie mit Stefanie van der Gragt lebhaft diskutierte und noch mal ausholte, um mit rechts gegen einen imaginären Ball zu treten. "Ich wollte die Szene gleich noch mal mit ihr besprechen", erklärte die Österreicherin, "um es beim nächsten Mal besser zu machen. Als Torhüterin musst du damit umgehen können, mal bist du der Held des Tages, mal der Buhmann."
Nach dem 2:1 (1:1) am Sonntagnachmittag gegen den USV Jena traf dann allerdings nichts von beidem zu, Zinsbergers Fauxpas beim Rückpass, der zum zwischenzeitlichen 0:1 geführt hatte, war nicht spielentscheidend. "Ich bin froh, dass wir die drei Punkte in München behalten können", bekannte Zinsberger. Die eingewechselte Vivianne Miedema hatte mit zwei Treffern (65./70.) das Spiel zugunsten der Münchnerinnen gedreht, die mit dem Erfolg auf Rang drei stehen, einen Punkt hinter Tabellenführer Wolfsburg.
Bayern-Cheftrainer Thomas Wörle hatte sich für diese Partie gegen Jena einen exponierten Zuschauerplatz ausgesucht. Er musste das Spiel von der Tribüne aus verfolgen, nachdem er für zwei Spiele gesperrt worden war. Er schaute sich die Begegnung von der Brücke über der Haupttribüne aus an. Er hatte also beste Sicht auf den Rasen. Doch was er in der Anfangsphase im Grünwalder Stadion sah, konnte ihm nicht gefallen. Seine Spielerinnen taten sich gegen Jena, den Tabellendrittletzten, schwer. Es fehlten Tempo und Einfallsreichtum. Die Gäste aus Thüringen widmeten sich von Beginn an nur der Spielverweigerung. Das sah mitunter recht lustig aus, wenn sie dann doch mal an den Ball kamen und ihn schnell nach vorne schlugen in die gegnerische Hälfte, weil sie nicht wussten, was sie mit ihm sonst hätten anfangen sollen. Mit dem Ball konnten die Münchnerinnen zwar ganz ansehnlich umgehen, doch ihre technischen Fertigkeiten, die feine Drehung oder der Übersteiger, führten nicht zum Kern des Spiels, zum Herausspielen von Torchancen. Bezeichnend dafür war Nicole Rolser, die sich in der 16. Minute von der Gegenspielerin befreien konnte, den Ball aber im Strafraum vertändelte, anstatt mit einem Schuss abzuschließen.
"Die erste Hälfte war ganz schlecht von uns", kritisierte Miedema, die zunächst von außen zuschauen musste. Roman Langer, der Wörle an der Seitenlinie vertrat, hatte sich für Lisa Evans entschieden. Das gänzlich überraschende Führungstor der Gäste ging dann auch keiner schönen Kombination voraus, sondern war das Resultat einer Slapstick-Einlage von Bayern-Torhüterin Zinsberger, der der sanfte Rückpass von Innenverteidigerin Stefanie van der Gragt über den Fuß rutschte und von dort über die Linie trudelte. In Superzeitlupe. Jena führte - ohne einen einzigen Schuss aufs gegnerische Tor. Für Zinsberger war das Gegentor besonders bitter, da die Österreicherin nach der Winterpause die bisherige Stammkeeperin, die Finnin Tinja-Riikka Korpela verdrängt hatte. "Ich hatte den Fehler allerdings nur kurz in der Kabine angesprochen", berichtete Langer.
Auch die F-Jugendlichen des SC Unterpfaffenhofen verdrängten die Szene schnell, auf der Tribüne sangen sie voller Inbrunst: "Super-Bayern, Super-Bayern, hey, hey!" Zinsberger schien der guten Stimmung noch nicht so recht zu trauen, als sie nach der Pause wieder auf den Rasen schritt. Sie übte mit dem Torwarttrainer noch mal Rückpässe. "Instinktiv", wie sie sagte: "Ich wollte einfach in Bewegung bleiben." Von Jena war da noch nichts zu sehen, die Gäste verlängerten ihren Aufenthalt in der Kabine. Offenbar ahnten sie schon, was sie erwarten würde: wütende Bayern-Angriffe. Doch so schlimm war es dann doch nicht. Erst die Einwechslung von Miedema nach einer Stunde brachte die Wendung. "Ihre individuelle Klasse", wie Jena-Trainerin Katja Greulich anerkennend hervorhob. Nur viereinhalb Minuten nach ihrer Einwechslung stand es 1:1, weil die 20-Jährige von der Sechzehnmeterlinie den Ball ansatzlos ins lange Eck schlenzte. "Wir haben in der zweiten Hälfte allerdings nur ein bisschen besser gespielt", räumte die Niederländerin ein. Der Unterschied waren ihre Tore. Fünf Minuten später ließ Miedema ihren zweiten Treffer fast aus identischer Position folgen. "Das hat sie herausragend gemacht", lobte Langer, "ihre brutale Qualität wollten wir in der zweiten Hälfte bringen." Wörles Vertreter musste allerdings zugegeben, "dass wir Glück gehabt hatten heute".
Viel Zeit bleibt den Münchnerinnen nicht, um an ihren Schwächen zu feilen. Denn nun steht eine zweiwöchige Länderspielpause an, danach warten sechs Spiele auf den FC Bayern in nur zweieinhalb Wochen. Darunter die Partien gegen Wolfsburg und im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris. "Da müssen wir dann endlich da sein", mahnt Vivianne Miedema. Manuela Zinsberger hat sich schon überlegt, wie sie ihre Dankbarkeit gegenüber ihrer Mitspielerin ausdrücken will: mit Schuheputzen.