Konjunktur Deutschlands kranker Boom

Schrauben für den Aufschwung. Quelle: Bloomberg

Die deutsche Wirtschaft wächst so stark wie seit Jahren nicht mehr. Doch der Aufschwung hat auch Schattenseiten – und trägt den Keim der nächsten Krise in sich.

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Um zu wissen, wie es der deutschen Wirtschaft geht, braucht Jürgen Abromeit kein Konjunkturbarometer. Dem Vorstandschef der INDUS, eines Finanzinvestors für mittelständische Unternehmen, reicht ein Gespräch mit den Geschäftsführern der mehr als 40 Firmen, an denen er Anteile hält. Sie umfassen von der Bauwirtschaft über die Fahrzeug- und Medizintechnik bis zum Maschinen- und Anlagenbau nahezu alle wichtigen Branchen der deutschen Wirtschaft. Was der Manager derzeit aus den Chefetagen der Beteiligungen hört, hebt seine Stimmung.

„Wir steuern auf das fünfte Rekordjahr in Folge zu, Umsatz, Gewinn und Beschäftigung sind auf Höchstständen“, sagt Abromeit. So etwas habe es schon lange nicht mehr gegeben. Den Unternehmen hierzulande gehe es „richtig gut“.

Und tatsächlich: In einer exklusiven Umfrage des Münchner ifo Instituts für die WirtschaftsWoche unter mehr als 600 Unternehmen rechnet eine Mehrheit der Befragten damit, dass der Aufschwung im nächsten Jahr weitergeht. Jeder 14. erwartet sogar ein höheres Tempo als in diesem Jahr. Ihre Investitionsbudgets haben die Manager daher nach oben geschraubt, ihre Beschäftigungspläne ausgebaut.

Optimismus herrscht auch unter den Konjunkturprofis der Banken und Institute. In den vergangenen Wochen haben sich die Wachstumsprognosen der Volkswirte kräftig aufgehellt; für 2018 rechnen sie nun mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt von bis zu 2,6 Prozent. 2019 könnte die Konjunktur zwar etwas zurückschalten, heißt es vielerorts, das Tempo werde aber auch dann noch höher sein, als es mit Normalauslastung der Kapazitäten vereinbar ist.

Deutschland, so scheint es, hat den Boom gepachtet. Seit acht Jahren expandiert die Wirtschaft, sinkt die Arbeitslosigkeit, steigen die Einkommen, wachsen die Steuereinnahmen. Ihr Wahlversprechen („Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“) scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits erfüllt zu haben, bevor sie eine neue Regierung auf die Beine gestellt hat.

Doch Ökonomen warnen davor, sich vom Glanz des neuen deutschen Wirtschaftswunders blenden zu lassen. „Wer glaubt, eine Hochkonjunktur sei harmlos, solange die Verbraucherpreise noch nicht aus dem Ruder laufen, irrt“, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) lässt Investitionsprojekte und Geschäftsmodelle rentabel erscheinen, die es bei genauer Betrachtung nicht seien. „Der Boom“, sagt Kooths, „trägt den Keim der Krise in sich.“

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