«Jeder Haustierhalter sollte in den Nothilfekurs»

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Erste Hilfe«Jeder Haustierhalter sollte in den Nothilfekurs»

Samariterkurse für Haustiere sind gefragt. Eine Tierschutzorganisation sieht dies als Muss für jeden verantwortungsvollen Halter.

B. Zanni
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B. Zanni

Priska Pola, Leiterin Nothilfekurs für den Hund, demonstriert, wie man einem Hund Erste Hilfe leistet. (Video: B. Zanni)

Mitten auf dem Spaziergang auf einer abgelegenen Alp schwillt Bellos Hals an. Nach erfolgloser Beatmung durch sein Herrchen und qualvollen Minuten stirbt der Hund – der Wespenstich hat einen allergischen Schock ausgelöst. In einem anderen Fall liegt eine Katze regungslos auf dem Boden. Beim Durchbeissen eines Stromkabels hat Nala einen Herzstillstand erlitten. Sofort leitet die Besitzerin der Katze eine Herzdruckmassage ein.

«Damit rettete sie der Katze das Leben», sagt Esther Geisser, Präsidentin der Tierschutzorganisation Network for Animal Protection. Auch Bello hätte überlebt. «Doch dass dafür eine Kortisontablette gereicht hätte, wusste sein Herrchen nicht», berichtet Priska Pola, Leiterin Nothilfekurs für den Hund.

Im Notfall überfordert

Schwebt das Tier plötzlich zwischen Leben und Tod, sind viele Besitzer überfordert. Schon etliche Tiere seien wahrscheinlich gestorben, weil deren Besitzer im Notfall falsch reagiert hätten, sagt Lucia Oeschger, Kampagnenleiterin der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

Die Organisation rät deshalb allen Heimtierhaltern, einen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren. Oeschger: «Genauso wie das korrekte Füttern und eine artgemässe Unterbringung gehört die Fähigkeit, seinem Tier Erste Hilfe leisten zu können, zur Verantwortung jedes Haustierbesitzers.»

«Früher überliess man Tiere eher dem Schicksal»

Erste-Hilfe-Kursen für Hunde und Katzen haben bereits grossen Zulauf. Die Tierschutzorganisation Network for Animal Protection Netap bietet seit fünf Jahren halbtägige Kurse für 65 Franken an. «Unsere Kurse sind mit rund 200 Teilnehmern pro Jahr immer ausgebucht», sagt Esther Geisser. Auch Priska Pola, die für 220 Franken eintägige Hunde-Nothelferkurse durchführt, sagt: «Die Nachfrage hat sich seit dem Start 2010 auf rund 100 Teilnehmer pro Jahr verdoppelt.»

Geisser stellt fest, dass Halter zunehmend der Meinung sind, Tiere hätten in einem Notfall dieselbe medizinische Versorgung verdient wie Menschen. Früher dagegen seien sie in Notfallsituationen eher dem Schicksal überlassen worden. «Hatte eine Katze einen Unfall, gingen manche Besitzer nicht einmal zum Tierarzt. Sie fanden, Katzen seien zäh genug, um dies zu überleben.»

Versteckte Notfälle

In den Kursen lernen die Teilnehmer, ihr Tier zu beatmen, Herzdruckmassagen anzuwenden und Verletzungen zu behandeln. Ein grosser Teil dreht sich um das Erkennen von Notfällen. «Vergiftungen oder Magendrehungen bei Hunden sehen oft harmloser aus, als sie sind», sagt Priska Pola.

Esther Geisser macht darauf aufmerksam, dass gefährliche Bissverletzungen oft übersehen werden. «Bleiben im Pelz versteckte Verletzungen unbemerkt, können diese zu gefährlichen Infektionen führen.» Nach einem Scherbenschnitt seien starke Blutungen möglich. Geisser betont aber: «Die Erste Hilfe kann lebensrettend sein, ersetzt den Gang zum Tierarzt aber nicht.»

«Besitzer sollen keine Schuldgefühle bekommen»

Unter Tierexperten sind die Kurse umstritten. «Es darf nicht so weit kommen, dass Haustierbesitzer, die keinen Kurs besuchen, Schuldgefühle bekommen», sagt Huntetrainerin Yvonne Förster. Schliesslich könnten auch viele Menschen anderen nicht Erste Hilfe leisten. Dank der Handys seien Rettungskräfte schnell vor Ort. «Ein solches Flächendeckendes Rettungssystem für Tiere wäre ebenso interessant.»

Laut Förster besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit für Notsituationen, sofern die Besitzer über ihr Tier gut informiert sind und eine ungefährliche Umgebung schaffen. Wissen, wie man richtig handle, schade nie. «Doch es besteht die Gefahr, dass man den Nothelferkurs aus Pflichtbewusstsein besucht und einfach absitzt. Dann kann in einem Notfall dem Tier auch geschadet werden.»

Regeln Erste Hilfe für Tiere

Nummern immer dabei haben: Tierarzt, Tierärztlicher Notfall, Tierrettungsdienst, Tierspital, Toxikologisches Zentrum, Notfallkontakt

Notfallapotheke in greifbarer Nähe haben.

TAPS-Schema: Anhand von Temperatur, Atmung, Puls und Schleimhäuten die Vitalfunktionen überprüfen.

ABC-Schema: Airways: Atemwege freimachen, Zunge herausziehen

Breathing: Atmung überprüfen, eventuell beatmen

Circulation: Puls prüfen, eventuell Herz-Druck-Massage

Reanimation: Herz-Druck-Massage niemals am schlagenden Herzen ausführen. Abwechselnd zwei Beatmungen durch Nase und Maul gefolgt von zehn Kompressionen. Mindestens zehn Minuten durchführen.

Einführung durch eine Fachpersonen angewendet werden sollten.

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