Ignazio Cassis kämpft mit den Tränen

Aktualisiert

FDP-VersammlungIgnazio Cassis kämpft mit den Tränen

Der designierte Bundesrat reagiert gerührt, als er das Video seines Wahlsiegs sieht. Erstmals äussert sich Cassis auch zu seiner Mitgliedschaft beim Waffenlobby-Verein Pro Tell.

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Nach nur einem Monat hatte der frisch gewählte Aussenminister Ignazio Cassis seine umstrittene Mitgliedschaft bei der Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht Pro Tell wieder gekündigt. Die öffentliche Kritik war zu gross. Im Rahmen der heutigen FDP-Delegiertenversammlung hat er sich nun persönlich zu seinem Ausstieg geäussert. Er wolle die Glaubwürdigkeit des Bundesrats nicht gefährden, so Cassis im Interview mit der «Tagesschau». «Ich stehe dem Schweizer Waffenrecht nahe und will keine weiteren Einschränkungen. Aber ich bin nicht für die Kündigung des Schengen-Abkommens, ich habe mich immer für dieses Abkommen eingesetzt.»

An der Versammlung gabs auch einen emotionalen Moment für Cassis. Bei der Videozusammenfassung seines Wahlsiegs kämpfte der Tessiner sichtlich mit den Tränen.

Gleich drei Bundesräte vor Ort

Drei Bundesräte hat die Delegiertenversammlung – neben Ignazio Cassis auch Johann Schneider Ammann und den scheidenden Didier Burkhalter – in Engelberg im Kanton Obwalden gefeiert. In den Reden wurde der Wert des Liberalismus und der Eigenverantwortung betont.

Der FDP, die zwei der sieben Bundesratssitze inne hat, gefiel es in Engelberg sichtlich, für einmal eine Delegiertenversammlung mit drei eigenen Bundesräten durchführen zu können. Didier Burkhalter rief die Delegierten aber auf, bescheiden zu bleiben. Bescheidenheit sei die Basis für eine erfolgreiche Politik.

Parteipräsidentin Petra Gössi attestierte dem abtretenden Aussenminister bei der Verabschiedung rhetorisches Talent, eine grosse Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und Weltoffenheit. Er sei als Bundesrat nicht nur Regierungsmitglied gewesen, sondern vor allem auch Mensch. Er habe ausgezeichnet die Werte der Schweiz und der FDP verkörpert.

Lang anhaltender Applaus

Burkhalter wurde von den Delegierten mit lang anhaltendem Applaus verabschiedet. Johann Schneider-Ammann lobte seinen Bundesratskollegen dafür, dass er in seinen Amtsjahren sich selbst treu geblieben sei.

Ignazio Cassis sagte zu seinem Vorgänger, der scheidende Aussenminister habe auf der internationalen Bühne den Weg mit Humor und Verantwortung gezeigt. Cassis, der bei der Annahme der Wahl in den Bundesrat gesagt hatte, er sehe sich als Schmied, der das Land noch stärker zusammenschmiede, erhielt von der Parteipräsidentin einen Hammer mit auf den Weg.

Die FDP zeigte sich aber nicht nur wegen der Bundesräte glücklich, sondern auch wegen Erfolgen an der Urne, so dem Nein zur AHV-Reform. Parteipräsidentin Petra Gössi sagte, das Volk habe Nein zur Rentenerhöhung um 70 Franken gesagt, weil diese ein «vergiftetes Zückerchen» gewesen sei.

Liberale Bekenntnisse

Gössi verwahrte sich gegen die Rezepte der SP. «Wer liberal denke, denkt sozial», sagte sie. Mit Freiwilligkeit könne verhindert werden, dass der Staat die Freiheit einschränke und der Wirtschaft schade.

Auch Didier Burkhalter betonte in seiner letzten Rede als Bundesrat vor seiner Partei den Wert der Verantwortung, mit der sich jeder für Freiheit und Solidarität einsetzen könne. Zentrale Freiheitsrechte gerieten weltweit in Bedrängnis, sagte der Aussenminister.

«Als Liberale und als Schweizer darf uns das nicht gleichgültig sein.» Als hochvernetztes Land habe die Schweiz auch aus wirtschaftlicher Sicht Interesse an Stabilität und Frieden.

Der Neuenburger Didier Burkhalter wird am 1. November vom Tessiner Ignazio Cassis abgelöst. Der designierte Bundesrat sprach sich in seiner Rede vor den Delegierten für Optimismus aus. Dieser gebe der Schweiz die Kraft, zu handeln und an die eigenen Stärken zu glauben.

Keine Angst vor der Digitalisierung

Als perfektes Angstthema bezeichnete Cassis die Digitalisierung. Man könne Ängste schüren und der Bevölkerung die falsche Sicherheit vortäuschen, der Wandel lasse sich aufhalten. Besser sei es, von Chancen zu sprechen und die Zukunft anzupacken.

Dafür plädierte auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der zum einzigen Sachgeschäft der Delegiertenversammlung, zum Tourismus sprach. In dieser Branche sei die Digitalisierung mit Plattformen wie Booking.com oder Airbnb Realität und werde sich durchsetzen.

Schneider-Amman erklärte, es nütze nichts, bei der Digitalisierung den Reset-Knopf zu setzen. Rundherum würde die Entwicklung dennoch weiter gehen. «Verteufeln wir die Technologie nicht, sondern machen wir das beste draus», sagte der Wirtschaftsminister.

Nach einer Podiumsdiskussion verabschiedeten die Delegierten eine Resolution zum Tourismus. Darin fordert die Partei freiheitliche Rahmenbedingungen. Im Tourismus brauche es wegen der Regulierungen Geduld und starke Nerven, sagte etwa der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki, der auch die Engelberg-Titlis-Trübsee AG präsidiert. (kfi/sda)

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